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Lena Stehr

Wenn die Kette reißt

Sie wollen, aber sie können nicht. Weil viele Waren im Moment nicht lieferbar sind, stocken auch in Deutschland in vielen Branchen die Produktion und der Handel. Die Gründe für den Lieferkettenstau haben aber nicht nur mit der Corona-Pandemie zu tun.
Viele Waren kommen per Containerschiff aus Asien nach Europa, werden in den Häfen umgeschlagen und per Lkw oder Zug weiter transportiert. Momentan gibt es aber Produktionsausfälle in Asien, Containerstaus in den Häfen und akuten Fachkräftemangel. Foto:  ©enanuchit - stock.adobe.com

Viele Waren kommen per Containerschiff aus Asien nach Europa, werden in den Häfen umgeschlagen und per Lkw oder Zug weiter transportiert. Momentan gibt es aber Produktionsausfälle in Asien, Containerstaus in den Häfen und akuten Fachkräftemangel. Foto: ©enanuchit - stock.adobe.com

Knapp acht von zehn Industrieunternehmen klagen laut des Münchener Ifo-Instituts über Materialmangel, der die Produktion trotz voller Auftragsbücher hemmt. Sieben von zehn Einzelhändlern bekommen nicht das, was sie bestellen.
Es mangelt unter anderem an Halbleitern, die für die Herstellung von Autos und Elektronikprodukten benötigt werden, an Holz, an Ersatzteilen für Fahrräder, an Möbeln, Geschirrspülern, an Spielzeugen, Bekleidungsprodukten und - auch aufgrund des Holzmangels - sogar an Papier für Bücher. Es rächt sich die Just-in-time-Doktrin, also der Kosten drückende Vorgang, Lieferketten bis ins Letzte durchzuoptimieren. Denn viel Zufall halten die derart geschmiedeten Ketten offenbar nicht aus, kleinste Störungen reißen sie auseinander. Wie Folgende: Während der Corona-Krise hatten viele Firmen und Zulieferer ihre Produktion heruntergeschraubt, und auch viele Reedereien hatten die Zahl ihrer Containerschiffe reduziert. Dann jedoch sprang in vielen Teilen der Welt nach dem Lockdown die Konjunktur durch die durch billionenstarke staatliche Rettungspakete angekurbelte Nachfrage wieder an. Die aber trifft auf kleines Angebot. So kostet der Transport eines Containers von Asien nach Europa plötzlich sechs- oder sieben Mal soviel wie vorher.
 
Havarie wirkt sich immer noch aus
 
Speziell auf die maritime Logistik wirkt sich auch immer noch die Havarie des Containerschiffes „Ever Given“ im März im Suezkanal aus. Weltweite Lieferketten wurden unterbrochen, es bildete sich ein gewaltiger Rückstau. Das ist gerade auch für den Exportweltmeister Deutschland fatal. Alternativ kann er nicht auf eigene Rohstoffe zugreifen.
Hinzutritt, dass in China bei Corona-Ausbrüchen ganze Hafenterminals geschlossen werden, dass es massive Produktionsausfälle im für den Weltmarkt wichtigen Fabrikationsland für Textilien Vietnam gibt und der wichtigste britische Hafen von der weltweit größten Reederei Maersk nicht mehr angefahren wird, weil Lkw-Fahrer:innen - aufgrund des Brexits - fehlen. (Quelle: die ZEIT). Die fehlen übrigens nicht nur in England. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) gibt an, das den jährlich rund 30.000 Kraftfahrer:innen, die in Rente gehen, nur etwa 17.000 Berufseinsteiger:innen gegenüberstehen. Wenn das so bleibe, könnte es in Deutschland laut BGL zu einem ähnlichen Kollaps wie derzeit in England kommen – allerdings erst in zwei bis drei Jahren. Bis Ende des Jahrzehnts würden mehr als 185.000 Lkw-Fahrer:innen fehlen.
 
Natur und Politik
 
Aber auch extreme Witterungsbedingungen haben teil an den Lieferengpässen. So hatten laut Medienunternehmen DW Mikrochip-Fabriken in Texas im Februar wegen der strengen Kälte und der daraus folgenden Stromausfälle die Produktion eingestellt. In Japan brannte ein Chipwerk teilweise aus. In Taiwan leidet die wasserintensive Mikrochipherstellung zudem unter akutem Wassermangel in Folge einer Dürre. Auch in der Kunststoffindustrie sind Knappheiten Folge dessen, dass in den USA Anlagen aufgrund eines harten Wintereinbruchs ausfielen. Im Bereich der Holzwirtschaft kann in Nordamerika die gestiegene Nachfrage nicht aus dortigen Wäldern gedeckt werden, weil Schäden durch Ungeziefer und Brände das Angebot reduziert hätten, beklagt der Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie (DeSH).
Aber auch politisch ausgetragene Konflikte zwischen konkurrierenden Nationalstaaten spielen eine Rolle im weltweiten Warenverkehrsstopp: China importiert z. B. keine Kohle mehr aus Australien, weil die beiden Länder in einem Handelsstreit liegen. Die Folge: In etlichen Fabriken fehlt der Strom.
 
Auch Papier fehlt
 
Weil in der Coronazeit weniger Werbeprospekte gedruckt und später übers Altpapier entsorgt wurden, zeitgleich aber mehr Kartons für Pakete gebraucht wurden, hat sich der Preis des Altpapiers in diesem Jahr verdoppelt, berichtet die ZEIT. Druckereien berichten von drastischen Preissteigerungen und kleine Buchverlage haben das Nachsehen, weil die Papierfabriken sich angesichts des Mangels ihre Abnehmer und aussuchen können - es sind die, die mehr bezahlen können
Lesen Sie hier, wie sich die Engpässe lokal auswirken  und hier den Kommentar zum Thema.


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