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Weniger Organspenden: Sinkende Zahlen führen zu neuer Debatte in der Politik

(jm). Die Zahl der Organspenden in Deutschland ist im ersten Quartal 2022 gesunken. Die Politik streitet darüber, wie die Spendenbereitschaft erhöht werden kann.
Der Organspendeausweis sollte längt durch eine Online-Datenbank für Krankenhäuser ergänzt werden - die Umsetzung hakt. Foto: pixabay

Der Organspendeausweis sollte längt durch eine Online-Datenbank für Krankenhäuser ergänzt werden - die Umsetzung hakt. Foto: pixabay

Zum Tag der Organspende am 4. Juni werben die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) und zahlreiche Partner für das Spenden - und präsentieren rückläufige Zahlen: Nach einer positiven Entwicklung im Jahr 2021 ist für die ersten drei Monate des aktuellen Jahres ein Rückgang um 29 Prozent zu verzeichnen. 176 Deutschen wurde ein Organ zur Transplantation entnommen (im ersten Quartal des Vorjahres waren es 249), insgesamt wurden 600 Organe in den Transplantationszentren übertragen. Die deutschen Zentren bekommen auch Spenderorgane von Eurotransplant vermittelt. Die Stiftung mit Sitz in den Niederlanden wurde 1967 gegründet und vermittelt Organe zwischen acht europäischen Staaten.
 
Lange Warteliste
 
Laut Angaben von Eurotransplant stehen derzeit über 8700 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die meisten warten auf eine Niere; die durschnittliche Wartezeit beziffert die Vermittlungsstelle auf zehn Jahre. Die Auswahl der Empfänger:innen erfolgt nach einer Vielzahl verschiedener Kriterien: Vorerkrankungen und genetische Übereinstimmungen werden ebenso berücksichtigt wie Transportwege. Eurotransplant vermittelt auch Organe in Länder außerhalb des Vermittlungsgebietes, wenn keine geeigneten Empfänger:innen gefunden werden.
Zwei Wege führen an der Warteliste vorbei. Organe von älteren, lange erkrankten oder künstlich beatmeten Person sind teilweise nur eingeschränkt transportfähig und werden vor Ort im eigenen Transplantationszentrum persönlich ausgewählten Empfänger:innen zugeteilt. Die Entscheidung liegt bei den behandelnden Ärztinnen. Darüber hinaus führen die deutschen Zentren Listen mit dringenden Fällen („High Urgent“), in denen Patientinnen ohne eine Organspende innerhalb kürzester Zeit sterben würden.
 
Zustimmung vs Widerspruch
 
Die Politik hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen - über die geeigneten Mittel herrscht allerdings Uneinigkeit. Aktuell gilt in Deutschland mit Blick auf Organspenden die sogenannte erweiterte Zustimmungslösung: Wer nach dem Tod (bzw. Hirntod) Organe für Spenden zur Verfügung stellen möchte, muss dies zu Lebzeiten dokumentieren. Der Organspendeausweis beweist die Einwilligung des Verstorbenen. Mit der jüngsten Gesetzesänderung, die am 1. März in Kraft getreten ist, haben außerdem die nächsten Angehörigen die Möglichkeit, Auskunft über die Spendenbereitschaft zu geben.
Ein anderes Modell findet in mehreren europäischen Staaten Anwendung und wurde kürzlich auch in der Schweiz per Volksentscheid beschlossen: die Widerspruchslösung. Wer nicht ausdrücklich widersprochen hat, gilt als potenzielle:r Organspender:in. Dieses Modell wird in der Regel mit höheren Spendenzahlen in Verbindung gebracht. Es spielen jedoch auch andere gesetzliche Regelungen eine Rolle. In Spanien etwa gilt die Widerspruchslösung und es werden deutlich mehr Organe transplantiert, als in Deutschland. Dort dürfen Organe allerdings auch bereits nach dem Herztod, nicht erst nach dem Hirntod, entnommen werden.
Ein weiterer Unterschied ist die Infrastruktur: In jedem spanischen Krankenhaus gibt es ein Koordinationsteam, das sich um Organspenden kümmert. Eine Studie mit Krankenhausdaten aus Deutschland aus den Jahren 2010 bis 2015 kam zu dem Schluss, dass in Deutschland mehr Organspenden möglich wären - die Krankenhäuser kontaktierten jedoch in vielen Fällen nicht die Deutsche Stiftung Organsplantation.
 
Erneute Debatte
 
Dass die Spendenbereitschaft eigentlich höher ist, als die Zahl der ausgestellten Organspendeausweise, glaubt auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach und verweist auf Umfragen. Er setzt sich aktuell erneut für eine Widerspruchslösung in Deutschland ein (2020 war ein entsprechendes Vorhaben gescheitert). Kritik gibt es unter anderem von der CSU.
Nicht zuletzt dürfte Lauterbach die Debatte auch wieder angestoßen haben, weil die bisherigen Bemühungen, die 2020 beschlossen wurden, bisher kaum Früchte tragen. Bürger:innen sollen demnach regelmäßig - etwa beim Besuch der Ausweis- oder Führerscheinstelle - über die Organspende informiert werden. Die Behörden beklagen, mit dem Arbeitsaufwand überfordert zu sein.
Zusätzlich sollte ein Online-Register den Organspendeausweis ergänzen und Kliniken schnellen Zugriff auf die Daten zur Spendenbereitschaft geben. Das Portal hätte längt online sein sollen. Das Bundesgesundheitsministerium gibt Softwareprobleme als Grund für die Verzögerung an und erwartete, dass diese nicht vor Ende des Jahres gelöst werden können.


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