Patrick Viol

„Hier werden Existenzen vernichtet“: Friseurunternehmer:innen in der Region brauchen Hilfe

Landkreis. In der Nacht auf den 1. Februar brannten bundesweit in den Salons vieler Tausend Friseurunternehmer:innen die Lichter, um auf ihre dramatische Situation im zweiten Lockdown aufmerksam zu machen. Wir haben Friseurinnen aus der Region gefragt, wie es ihnen geht.
Hier brennt kein Licht mehr. Ob es am 15. Februar wieder eingeschaltet wird, ist bei vielen Friseur:innen mittlerweile fraglich. Foto: adobestock/studio v-zwoelf

Hier brennt kein Licht mehr. Ob es am 15. Februar wieder eingeschaltet wird, ist bei vielen Friseur:innen mittlerweile fraglich. Foto: adobestock/studio v-zwoelf

„Licht an, bevor es ganz ausgeht!“ - dazu hat der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks (ZV) alle Betriebsinhaber:innen dazu aufgerufen, um die Bevölkerung zum einen auf die Notsituation des Friseurhandwerks im zweiten Lockdown aufmerksam machen. Zum anderen, um dessen Forderungen Nachdruck zu verleihen: Schnelle, passgenaue und die Chef:innen einberechnende Überbrückungshilfen, Förderung der Ausbildungsleistung und Stop der Schwarzarbeit.
 
Eine Lebenskatastrophe
 
Dass hinter dem Begriff „Notsituation“ reale, dramatische Einzelschicksale stehen, konnte man dieser Tage in den Sozialen Medien vernehmen. Dort ging das Video der Friseurin Bianka Bergler aus Dortmund viral. Die Friseurin hat sich in ihrer spürbaren Verzweiflung unter Tränen und brüchiger Stimme an die Öffentlichkeit gewandt und mehr Unterstützung für Friseur:innen verlangt.
Sie persönlich fürchte nicht nur, ihren Laden zu verlieren - was für Sie eine „Lebenskatastrophe“ sei. Sie habe überdies die Sorge, nicht einmal mehr Nahrung und ihre Wohnung bezahlen zu können. Da sie die Corona-Hilfen vom Staat bisher nicht erreicht hätten und auch der Hartz 4 Antrag alles andere als „unbürokratisch“ sei, so Berkler. Das Video wurde bisher 2,5 Millionen mal gesehen und auch die Politik hat bereits reagiert. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat das Video gesehen und schnelle Teil-Auszahlungen der Überbrückungshilfen versprochen. „Das Video zeigt bestürzend und eindrucksvoll, wie schwierig die Lage gerade ist“, so Braun.
 
Keine Gewerbe, aber Gewerbesteuer zahlen
 
Die Friseurunternehmer:innen Claudia Ellmers aus Osterholz-Scharmbeck und Petra Grochau aus Gnarrenburg haben für die Worte und Verzweiflung ihrer Dortmunder Kollegin vollstes Verständnis. Auch wenn ihnen das Wasser finanzieller Not noch nicht bis zum Hals stehe, wissen beide um die unerträgliche Situation vieler ihrer Kolleg:innen - auch in der Region. Bei niemandem kämen Corona-Hilfen an, auch bei Ellmers und Grochau bisher nicht. Sie hätten immerhin das Glück, dass sie keine Miete für ihre Salons zahlen müssten. Auch habe Ellmers ein „gutes Polster“ erwirtschaftet. Das müsse sie als Alleinerziehende auch. Und Grochau hilft auch das Einkommen ihres Mannes. Aber wie sollen Friseur:innen ohne Rücklagen eine Schließungszeit von acht, aber voraussichtlich neun oder zehn Wochen überstehen, fragen Ellmers und Grochau. „Wir bekommen ja nicht nur nichts, dazu kommt, dass uns Friseurinnen weiterhin Gewerbe- und Einkommensteuer abgezogen werden, während unser Gewerbe dicht ist und wir nichts einnehmen“, kritisiert Ellmers. Auch könne man alternativ den Kund:innen nichts anbieten, dessen Verkauf sich für den Betrieb lohnen würde. Bei Grochau sei es zwar möglich, sich Haarprodukte oder vorgemischte Kolorationen zu kaufen. „Aber das mach ich ja nur, um zu zeigen: Wir sind noch da.“ Finanziell sei das ein „tropfen auf den heißen Stein“, sagt die Gnarrenburgerin.
 
Ohne Lobby
 
Beide Unternehmerinnen haben Verständnis dafür, dass die Politik der Pandemie begegnen muss. Aber die „Willkür“ in der Art und Weise, wie Ellmers beklagt, verstehen beide nicht. Beide erklären, dass die Hygienekonzepte in ihren Salons einwandfrei seien. „Ich will mal wissen, wie viele sich auf dem Land beim Friseur angesteckt haben“, fragt Ellmers rhetorisch und antwortet: „Niemand. Aber die großen Betriebe wie Airbus und Benz bleiben offen, wo es erst ein Ausbruchsgeschehen gegeben hat.“ Weil man zu feige sei, die großen Betriebe einzuschränken und die kleinen keine starke Lobby hätten, ließe man sie „über die Klinge springen“, so Ellmers Erklärung. Und wenn sie dann die perfekten Frisuren der Politiker:innen sehe, fällt Claudia Ellmers gar nichts mehr ein. Sie würde sich wünschen, dass man das Pandemiegeschehen wieder mehr regional: nach den Fallzahlen vor Ort regle. Das sieht Grochau etwas skeptisch: Dann komme es schnell zum Haarschneidetourismus und im schlimmsten Fall schauten dann die Stammkund:innen in die Röhre, weil sie keinen Termin bzw. erst sehr spät einen bekämen.
 
Solidarität mit Kolleg:innen
 
Um sowohl ihren Unmut wie ihre Solidarität mit ihren Kolleg:innen auszudrücken, ließen beide Unternehmerinnen das Licht in ihrem Salon ihm Rahmen der Aktion des ZV brennen. Grochau schaltet es zudem jeden Abend ein paar Stunden ein, damit es in Gnarrenburg nicht wie ausgestorben aussieht. „Ich finde es schrecklich, wenn alles dunkel ist“, so die Friseurin und setzt ein persönliches Licht am Ende des Lockdown-Tunnels. Und Ellmers belässt es nicht nur beim Lichtschalter, sondern wendet sich gleich an die Schaltstellen der Kommune und trifft sich mit Bürgermeister Rohde. „Kann doch nicht sein, dass man mir lediglich sagt, ich müsste mich mit meinen Problemen - die ja alle haben - an die Landesregierung wenden. Ich erwarte, dass sich die gewählten Vertreter um unsere Anliegen kümmern“, erklärt Ellmers. Einmal bei ihr im Salon gefragt, wie es ihr und den Mitarbeiterinnen gehe, habe von der Verwaltung niemand.
Dass sie ihre Läden am 15. Februar wieder öffnen können - daran glauben Ellmers und Grochau nicht. Hoffen es aber.
 
Rückhalt von der Obermeisterin
 
Nicht anders als Grochau und Ellmers geht es Michaela Fischer, Obermeisterin der Innung Altkreis Bremervörde. Auch ihrem Geschäft, der Haarschneyderey, gehen langsam die Rücklagen aus, auf die sie bereits im ersten Lockdown zurückgreifen musste.Sie erklärt: „Wir fallen aus der November-Dezemberhilfe heraus und können irgendwann Überbrückungshilfe III beantragen. Die Unternehmer selbst gehen ganz leer aus und die Ü3 deckt nur einen Prozentsatz der betrieblichen Kosten ab.“
Auch Fischer betont ihren Kolleginnen Rückhalt gebend, dass die Friseursalons nicht die Orte sind, wo sich Menschen mit Covid19 anstecken: „Bei ca 80.000 Salons und ca 700.000 Kundenbesuchen täglich deutschlandweit wurden unter 15 Infektionen gemeldet.“ (Zahlen vom Landesinnungsverband).
 
Forderungen an die Politik
 
Die Obermeisterin fordert von der Politik, dass „die Unterstützungs-oder Entschädigungsgelder sofort fließen müssen und nicht nur für irgendwann versprochen bleiben.“ Die Friseur:innen seien von Anfang der Pandemie an solidarisch gewesen. „Nun aber werden Existenzen vernichtet.“
 


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