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9-Euro-Ticket: Belastungsprobe für den ÖPNV

(jm) So günstig war der öffentliche Nahverkehr noch nie: Von Juni bis August gibt es deutschlandweit das 9-Euro-Ticket für Busse und Bahnen. Doch nicht alle sind begeistert vom Vorstoß der Bundesregierung.
An den Bahnsteigen wird es eng - die sind für so viele Menschen gar nicht ausgelegt.

An den Bahnsteigen wird es eng - die sind für so viele Menschen gar nicht ausgelegt.

Bild: Unsplash/Shane Aldendorff

Der Vorverkauf läuft bereits, ab dem 1. Juni ist das neue Monatsticket dann gültig. Das 9-Euro-Ticket gilt jeweils für einen Kalendermonat und wird für die Monate Juni, Juli und August angeboten. Es ist nicht übertragbar und gilt nur für die zweite Klasse. Kinder unter sechs Jahren können kostenlos mitgenommen werden - Fahrräder nicht. Sämtliche Bahnen und Busse des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs im VBN-Land und sogar deutschlandweit können mit dem 9-Euro-Ticket genutzt werden. Ausgenommen sind die Fernzüge der Deutschen Bahn (IC, EC und ICE) sowie die Angebote von Flixbus und Flixtrain. Im Moorexpress gilt das Ticket ebenfalls nicht, denn die historische Eisenbahn ist als Sonderzug nicht Teil des ÖPNV.
Auch die Fahrgäste des VBN, die bereits heute ein MIA-Abo, MIAplus-Abo, JobTicket, JugendfreizeitTicket als JahresTicket, oder VBN-SemesterTicket haben, profitieren von der dreimonatigen Sonderaktion. Die monatlichen Abbuchungsbeträge werden im Aktionszeitraum automatisch auf jeweils neun Euro reduziert und ihre Tickets gelten ebenfalls bundesweit im Nahverkehr. Mit den Hochschulverwaltungen wird aktuell geklärt, wie die Erstattung des Beitrags für Semestertickets von Studierenden erfolgen soll. Schüler:innen im VBN-Gebiet können ihre SchülerSammelZeit- oder MIAjunior-Tickets für Juni und Juli nutzen, diese gelten dann als 9-Euro-Ticket.
 
Große Nachfrage - Bahn befürchtet Chaos
 
Die Bundesregierung will mit der Sommeraktion Pendler:innen angesichts der gestiegenen Energiepreise entlasten und einen Anreiz schaffen, den ÖPNV zu nutzen und das Auto stehen zu lassen. Das 9-Euro-Ticket ist Teil des Entlastungspakets, zu dem auch der geplante Tankrabatt gehört.
Während das Angebot bei Verbraucher:innen auf große Nachfrage stößt - die Server der Deutschen Bahn waren beim Online-Vorverkaufsstart mehrfach überlastet -, stellt es die Verantwortlichen der Verkehrsbetriebe vor Herausforderungen. Corona sorgt nach wie vor für hohe Krankenstände und zusätzliche Fahrten scheitern vielerorts schon an der Verfügbarkeit der Fahrzeuge. Wie groß der Ansturm auf die öffentlichen Verkehrsmittel in den kommenden drei Monaten wird, lässt sich schwer abschätzen.
„Wir würden uns sehr freuen, wenn das 9-Euro-Ticket hilft, Menschen zum Umstieg auf die Öffis zu bewegen“, sagt Carmen Schwabl, Geschäftsführerin der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG). Allerdings werde mit der plötzlichen Aktion des Bundes besonders deutlich, woran es hapere. „Der Bund hat den Bahnverkehr über Jahrzehnte vernachlässigt. Es fehlen Bahnstrecken, die Kapazität der Bahnhöfe reichen nicht.“ Obwohl die LNVG mehr als 400 Lokomotiven, Wagen und Triebzüge an die Bahngesellschaften vermiete, sei es nur selten möglich, Züge zu verlängern. „Die Bahnsteiglängen sind häufig bereits ausgeschöpft“, so Schwabl, „längere Züge könnten dort gar nicht halten.“
 
Breites Bündnis übt Kritik
 
Über die logistischen Probleme hinaus gibt es weitere Kritik am 9-Euro-Ticket und dem Entlastungspaket der Bundesregierung. Die Maßnahmen könnten zwar kurzzeitig finanzielle Entlastungen bringen, meint etwa das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende. „Was es aber braucht, sind grundsätzliche und langfristig angelegte Verbesserungen insbesondere für einen barrierefreien ÖPNV“, heißt es in einem gemeinsamen Papier von Gewerkschaften, Umwelt-, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie der Evangelischen Kirche. Die Regierung müsse jetzt nachlegen, um allen Bevölkerungsgruppen - auch auf dem Land - gleichen Zugang zu Mobilität zu ermöglichen und zu einer fairen Lastenverteilung zu kommen. Wo keine Züge fahren, kann das Ticket schließlich kaum genutzt werden.
Weder sozial ausgewogen noch dienlich für den Klimaschutz sei außerdem der Tankrabbat, meint das neu gegründete Bündnis. „Einkommensstarke Haushalte profitieren auch hier deutlich stärker, da diese statistisch mehr Kraftstoff verbrauchen. Statt den Verbrauch fossiler Energien weiter zu fördern, braucht es Anreize zum Sparen und zur Reduzierung von Abhängigkeiten.“


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