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Enno Eidens

Worpsweder Fotograf unterstützte Nazi-Rassenideologie

Worpswede. Rudolf Dodenhoff beteiligte sich offenbar an der Rassenforschung der Nationalsozialisten und fotografierte in Polen jüdische und polnische Menschen für “wissenschaftliche” Zwecke.

Worpswede. Rudolf Dodenhoff beteiligte sich offenbar an der Rassenforschung der Nationalsozialisten und fotografierte in Polen jüdische und polnische Menschen für “wissenschaftliche” Zwecke. Seine Bilder werden nun in Berlin ausgestellt.
Jeder Mensch, so glaubten die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler, könne einer Rasse zugeordnet werden. Mit der Rasse kämen bestimmte Eigenschaften, Merkmale und Verhaltensweisen. Diese würden vererbt, seine eigene Rasse könne man somit nicht überwinden. Eine gnadenlose Rassenideologie prägte das Denken der deutschen Nationalsozialisten und gipfelte im Holocaust, dem industriellen Massenmord an 6,3 Millionen Juden. Auch die Religionsgemeinschaft der Juden wurde von den Nationalsozialisten als “Rasse” definiert.
An Rassenforschung beteiligt
Hinter dieser Rassenideologie steckte eine Pseudowissenschaft mit langer Geschichte. Adolf Hitler und die Nationalsozialisten bedienten sich am Gedankengut der deutschen Sozialdarwinisten aus dem 19. Jahrhundert. Wissenschaftler im Auftrag der NSDAP forschten, suchten und dokumentierten vermeintliche Rassenmerkmale von Menschen. An dieser Forschung beteiligte sich offenbar auch ein Fotograf aus Worpswede. Rudolf Dodenhoff fotografierte in Polen jüdische und polnische Menschen für “wissenschaftliche” Zwecke. Seine Bilder werden nun in Berlin ausgestellt.
Kreisarchiv will Geschichte aufarbeiten
Das Holocaust-Dokumentationszentrum “Topographie des Terrors” zeigt in der Ausstellung “Der kalte Blick” zum ersten Mal, wie die Menschen im jüdischen Ghetto Tarnów in Polen lebten und wie sie von den Nationalsozialisten “erforscht” wurden. Der Worpsweder Fotograf Rudolf Dodenhoff machte dort Fotos, die den Berliner Kuratoren zu Verfügung gestellt wurden. Das Kreisarchiv Osterholz will jetzt die Geschichte des niedersächsischen Fotografen aufarbeiten.
Studium der Rassenkunde
Rudolf Dodenhoff wurde am 12. Februar 1917 in Worpswede geboren. Wegen einer schweren Lungenverletzung absolvierte er keinen Kriegsdienst. Mitglied der NSDAP war Dodenhoff nicht. Nach einer Ausbildung zum Fotografen an der Staatlichen Lehranstalt für Fototechnik in München schickte ihn die Reichskulturkammer in das von den Deutschen besetzte Krakau.
Dort arbeitete Rudolf Dodenhoff ab 1941 als Schriftleiter in der Zentralstelle für Bild und Film und verbreitete als Mitarbeiter an der Publikation „Das Generalgouvernement“ nationalsozialistische Propaganda.
Ab 1941 studierte Rudolf Dodenhoff in Wien Volkskunde, Völkerkunde und Rassenkunde. Eine Sonderaufgabe machte ihn zum Fotografen für die “Wissenschaft” hinter der NS-Rassenideologie.
565 Menschen im Ghetto abgelichtet
Die beiden NS-Anthropologinnen Dora Maria Kahlich und Elfriede Fliethmann vom Naturhistorischen Museum in Wien untersuchten und dokumentierten jüdische Menschen im Ghetto Tarnów. Rudolf Dodenhoff wurde ihnen als Fotograf zugeteilt. Er sollte jüdische Männer, vor allem deren Köpfe, fotografieren. Das Fotografieren der Frauen übernahmen die Wissenschaftlerinnen. Nacktbilder wurden ebenfalls angefertigt. 565 Menschen wurden fotografiert, 27 von ihnen überlebten den Holocaust und konnten von den Aufnahmen berichten.
Fotogeschäft in Worpswede
Rudolf Dodenhoff lernte bei der Arbeit die polnische Fotolaborantin Maria Bozena Romanowski kennen. Er heiratete sie kurz darauf in Worpswede. Dort eröffnete Dodenhoff nach dem Krieg ein Fotogeschäft. Bekannt wurde der Fotograf besonders durch seine Landschafts- und Architekturaufnahmen. Zu Zeiten des Wirtschaftswunders fertigte er außerdem Werbeaufnahmen für große deutsche Firmen, darunter Telefunken und Continental, an. Dodenhoff arbeitete als einer der ersten norddeutschen Fotografen im mit farbigen Fotos im eigenen Farbfotolabor.
Fotos im Besitz des Landkreises
Am 31. Oktober 1992 starb Rudolf Dodenhoff in Worpswede. Er hinterließ zwei Söhne und seine zweite Ehefrau Ruth. Der Großteil seiner Fotos ist im Besitz des Landkreises Osterholz. Sieben Jahre nach seinem Tod wurden seine Aufnahmen aus dem Tarnówer Ghetto in Wien gefunden. Ein unscheinbarer Karton mit der Aufschrift “TJ” enthielt damals Fotos der Dokumentation von Tarnówer Juden, die unter anderem Dodenhoff zugeschrieben werden konnten.
Den Nachlass gereinigt
Die Berliner Ausstellung in der “Topographie des Terrors” zeigt diese Fotos, dabei fehlen allerdings einige Aufnahmen. Im Katalog der Ausstellung “Der kalte Blick” heißt es, dass Rudolf Dodenhoff seinen Nachlass gereinigt haben soll. Porträtaufnahmen aus dem Ghetto, wie er sie für die Wiener Wissenschaftlerinnen angefertigt hatte, wurden nicht gefunden. Dodenhoffs Bilder aus Tarnów zeigen die jüdischen Bewohner des Ghettos, aber auch seine spätere Ehefrau Maria Bozena Romanowski.
20.000 polnische Juden in Tarnów inhaftiert
Im Ghetto Tarnów wurden etwa 20.000 polnische Juden inhaftiert. Viele Tausend von ihnen brachten die Nationalsozialisten in Vernichtungslager und anderem nach Belzec und nach Auschwitz-Birkenau. Das Ghetto Tarnów wurde im September 1943 aufgelöst, die Bewohner entweder zur Zwangsarbeit abgeführt oder ermordet, ihre Leichen in Massengräbern verscharrt und später verbrannt.
Ausstellung bis 11. April 2021
Die Ausstellung “Der kalte Blick” läuft noch bis zum 11. April 2021 – gegenwärtig ist der kulturelle Betrieb in Berlin wegen der Coronavirus-Pandemie allerdings stark eingeschränkt. Interessierte können den Katalog und eine Begleitpublikation zur Ausstellung per Mail an publikationen@topographie.de oder telefonisch unter 030/254509-29 bestellen. Am 26. Januar 2021 wird das Begleitprogramm der Ausstellung mit einem Vortrag über die “Deutsche Herrschaftswissenschaft im besetzten Polen” von Dr. Götz Aly und Dr. Susanne Heim fortgesetzt.


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