Lena Stehr

„Man braucht ein dickes Fell“

Bremervörde. Wie landet man mit Mitte 20 als Frau vom Dorf bei der CDU, und wie schafft man es eigentlich, das anspruchsvolle politische Ehrenamt mit Familie und Beruf zu vereinbaren? Im ANZEIGER-Interview beantwortet Vanessa-Kim Zobel (33) diese und andere Fragen zu ihrem Engagement.
Vanessa-Kim Zobel ist Mehedorfer Ortsbürgermeisterin und stellvertretende Bürgermeisterin in Bremervörde.

Vanessa-Kim Zobel ist Mehedorfer Ortsbürgermeisterin und stellvertretende Bürgermeisterin in Bremervörde.

Frau Zobel, wie kam es eigentlich, dass Sie mit Mitte 20 zur Lokalpolitik kamen? Und warum haben Sie sich ausgerechnet für die CDU entschieden?
 
Als ich 2016 gemeinsam mit meinem Mann (zurück) nach Mehedorf gezogen bin, suchte das Dorf einen Nachfolger für Erwin Busch. Marco Prietz habe ich es zu verdanken, dass er mich zu einem Gespräch eingeladen hat und mir die Aufgaben der Gremien Ortsrat und Stadtrat näher gebracht hat. Durch sein Zutun habe ich mich auf die Liste der CDU schreiben lassen. Für mich hatte die Entscheidung mit den agierenden Personen vor Ort zu tun, die Denkweise und das Handeln haben mich überzeugt für die CDU zu kandidieren. Nach 5 Jahren weiß ich: es war die beste Entscheidung.
 
Sie sind Ortsbürgermeisterin in Mehedorf, Stadtratsmitglied und stellvertretende Bürgermeisterin in Bremervörde und engagieren sich in vielen Vereinen. Wie gelingt es Ihnen, dieses große ehrenamtliche Engagement mit Familie und Beruf zu verbinden und denken Sie, dass Sie diese Frage womöglich öfter gestellt bekommen als ein männliches Pendant?
 
An diesem Punkt muss ich eine Lanze brechen. Ohne meinen Ehemann Matthias könnte ich das alles nicht leisten. Er steckt beruflich zurück, um mir den Rücken zu stärken. Das würde wahrscheinlich nicht jeder Mann für seine Frau machen. Ebenso habe ich ein tolles Elternhaus, und auch die fragen nicht, sondern helfen uns, wo sie nur können. Ich bin auch nur so stark wie meine Familie vor Ort. Das macht oftmals den kleinen aber feinen Unterschied zu meinen männlichen Kollegen. Viele von denen sind entweder im Ruhestand, die Kinder sind aus dem Haus oder es sind noch keine da. Bei den übrigen hält die Frau die Familie zusammen und kümmert sich um alles, um den Männern die Freiheit der politischen Tätigkeit zu ermöglichen.
 
In einer unserer letzten Titelgeschichten ging es u.a. darum, dass Frauen im Gegensatz zu Männern häufiger vulgäre und auf ihr Aussehen gemünzte Kommentare zu hören bekommen, wenn Sie sich zum Beispiel im Netz zu bestimmten Themen äußern. Ist Ihnen das aufgrund Ihrer politischen Tätigkeit auch schon passiert?
 
Als politisch engagierte Frau braucht man ein dickes Fell und gute Freunde. Durch den ständigen Austausch mit meinen engsten politischen Freunden fällt es mir leichter, mit Kommentaren umzugehen, die meine Person betreffen. Natürlich ist es eine Schande, dass jede Person im Internet ‚so einfach‘ ihren Dampf ablassen kann und auch bei Frauen die Eignung auf das Aussehen abstellt. Egal ob ich klein, groß, dick oder dünn bin, ich habe eine Stimme und einen Social-Media-Auftritt und wer damit nicht umgehen kann, darf mir gerne ‚entfolgen‘. Man kann es nicht jedem recht machen, vor allem nicht als Frau.
 
Für welche Themen brennen Sie?
 
Wie viele Frauen vor mir antworte ich auch da ganz klar mit: Vereinbarkeit von Familie und Beruf! Für mich gehört eine ganztätige Kindertagesstätte ebenso dazu wie eine Ganztagsschule oder ein Hort. In der Zukunft werden die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, was kann diese Generation in Bremervörde unternehmen oder erleben? Wir haben einen grandiosen See und so viel Potenzial, was unsere Freizeitgestaltung angeht. Das Geld soll in Bremervörde ausgegeben werden. Dafür werde ich mich in den nächsten 5 Jahren einsetzen.
 
Wie schafft man es, junge Menschen für die Lokalpolitik zu begeistern?
 
Wir sind eine Generation der Vorbilder, ich bin stark darin, Menschen zu motivieren und ich sehe unsere Aufgabe darin, Personen persönlich anzusprechen und einzubinden. Hat bei mir damals ja auch geklappt. Das spiegelt auch die Zusammensetzung unserer neuen Stadtratsfraktion wider.
 
Wen wünschen Sie sich für den CDU-Parteivorsitz?
 
Ich wünsche mir eine Person, die auch mal ein Rededuell mit Pauken und Trompeten gewinnt und hinter der Partei steht. Meine Stimme hat Friedrich Merz, weil ich fest davon überzeugt bin, mit ihm eine Perspektive für den Mittelstand zu finden und dennoch die sozialen Themen nicht zu vernachlässigen. Er ist eine Marke und genau so etwas brauchen wir in der heutigen Zeit als Volkspartei.
 
Wo sehen Sie sich und Bremervörde in 10 Jahren?
 
Bremervörde wird sich in den nächsten 5-10 Jahren stark verändern (müssen), allein weil viele engagierte Menschen sich für den Fortbestand einsetzen. Bremervörde wird Investoren gewinnen und das Potenzial vom See heben. Das wäre mein Ausblick und Wunsch. Mich persönlich sehe ich mit grauen Haaren und pubertierenden Kindern irgendwo in Mehedorf und schaue mit meinem Mann auf die Felder. Ich kann heute wirklich nicht sagen, wohin mich die Politik führt, aber eins weiß ich gewiss, es macht mir viel zu viel Spaß, um damit aufzuhören.
 
Haben Sie vielen Dank für das Gespräch
 
Lesen Sie das Interview mit Kristian Tangermann hier
 


UNTERNEHMEN DER REGION