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Lena Stehr

Haben die Landesforsten zu wenig Personal?

„Braucht der Wald mehr Personal“, titelte der ANZEIGER am vergangenen Sonntag. Doch wie beurteilen die Niedersächsischen Landesforsten die Lage? Im Interview gibt Sprecher Dennis Glanz Antworten.
Sieht nicht gut aus im niedersächsichen Wald. Foto: Adobestock

Sieht nicht gut aus im niedersächsichen Wald. Foto: Adobestock

„Braucht der Wald mehr Personal“, titelte der ANZEIGER am vergangenen Sonntag. Anlass war die Warnung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) vor einem „Klimanotstand im Wald“ und die Forderung nach mehr Forstpersonal.
 
ANZEIGER: Herr Glanz, wie viele Mitarbeiter*innen der Landesforsten kümmern sich in den Landkreisen Rotenburg und Osterholz um die Wälder?
 
Dennis Glanz: Um die rund 9.400 Hektar kümmern sich vor Ort acht Revierleiter, drei Forstwirtschaftsmeister und 15 Forstwirte. Zusätzlich werden anteilig das Büropersonal und die Funktionsbeamten in beiden Forstämter beteiligt. Im Forstamt Rotenburg gibt zusätzlich eine Ausbildungsstelle mit einem Ausbildungsmeister und sechs Forstwirtsazubis. Weiter arbeiten wir mit vielen regionalen Unternehmern zusammen.
 
ANZEIGER: Haben die Niedersächsischen Landesforsten zu wenig Personal?
 
Dennis Glanz: Die Landesforsten befinden sich in einem Prozess des demografischen Wandels. Insbesondere bei den studierten Förster*innen, vor allem im ehemals gehobenen Dienst, befinden sich die Abgänge durch Pensionierung für einige Jahre auf dem Höhepunkt. Bei der größten Beschäftigtengruppe im Unternehmen, den Forstwirt*innen, steht dieser Wandel erst in der nächsten Dekade an. Am Jahresende 2019 teilten sich die aktiven Mitarbeiter*innen insgesamt 1.213 Vollzeiteinheiten (Vorjahr 1.236). 47 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren durch Altersteilzeit oder unbezahlten Urlaub freigestellt (–2 %). Hinzu kommen 98 Auszubildende.
Im Berichtsjahr haben die NLF die Verjüngung der Belegschaft durch die Einstellung von 79 Mitarbeiter*innen (Vorjahr 75) vorangetrieben. Unter anderem verstärken 23 Forstwirt*innen, 2 Maschinenführer*innen, 23 Verwaltungs- und Servicekräfte sowie 31 forstliche Hochschulabsolvent*innen, drei Trainees und drei duale Studenten die Reihen.
Wir leiten so seit einigen Jahren den Generationenwechsel im Team der Landesforsten ein und gestalten aktiv die zukünftige Personalentwicklung.
 
ANZEIGER: Vor welchen Herausforderungen steht der Wald und welche Schädlinge sind besonders bedrohlich?
 
Dennis Glanz: Unser Wald steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Große Hitze und Trockenheit wie im Sommer 2018 und 2019 führen dazu, dass Bäume ganz einfach vertrocknen, wenn der Wasservorrat im Boden aufgebraucht ist. Das passiert nicht nur bei jungen Bäumchen, die noch keine in die Tiefe reichenden Wurzeln haben, sondern - insbesondere auf flachgründigen Böden - auch bei großen, erwachsenen Bäumen. Gleichzeitig steigt die Gefahr für Waldbrände deutlich an. In den letzten Jahren war eine Häufung solcher überdurchschnittlich heißen und trockenen Sommer festzustellen. Außerdem ist neben einer Häufung von Hochwässern in den letzten Jahrzehnten auch eine Zunahme schwerer Stürme zu beobachten, die regional große Schäden in den Wäldern bewirken.
 
ANZEIGER: Profitieren Schädlinge vom Klimawandel?
 
Dennis Glanz: Der Klimawandel lässt - auch als Folge von Sturmschäden - bei uns natürlicherweise vorkommende Krankheitserreger und Schädlinge zu ernsthaften Gefahren für den Fortbestand von Bäumen und Wäldern werden, wie beispielsweise die Massenvermehrung der Borkenkäfer seit 2018 bis heute eindrucksvoll zeigt. Aufgrund der Trockenheit besitzen Flachwurzler wie die Fichte zudem zu wenig Abwehrkräfte gegen diese Schädlinge. Auch Schädlinge wie der Eichenprozessionsspinner oder der Asiatische Laubholzbockkäfer breiten sich stark aus. Weitere Insektenarten, die durch den Klimawandel begünstigt zu Massenvermehrungen neigen und beispielsweise die Kiefer auf großer Fläche bedrohen können, sind zudem Falter wie Nonne, Forleule, Kiefernspanner und Kiefernspinner. Außerdem sind durch frühzeitige und warme Frühjahrsphasen sowie ungewöhnlich sommerwarme Herbstmonate für alle Baumarten die Wachstumsperioden verlängert. Dadurch gerät das Wirkungsgefüge von Pilzen, Bakterien und Viren auf Bäume durcheinander. So können z. B. bislang harmlose Pilze plötzlich gravierende Schäden verursachen.
 
ANZEIGER: Welche Maßnahmen werden schon umgesetzt oder sollen künftig umgesetzt werden, um den Waldbestand zu erhalten?
 
Dennis Glanz: Das Leitbild ist ein mehrschichtiger, struktur- und artenreicher Mischwald mit einem ökologisch hochwertigen Waldrand, der nicht nur gegen Stürme schützt, sondern auch einen vielfältigen Lebensraum bietet. Wir setzen seit gut 30 Jahren mit unserem LÖWE-Programm (langfristige ökologische Waldentwicklung) auf die Entwicklung artenreicher und strukturierter Mischwälder. Diese LÖWE-Wälder sind, als Mischwälder aus verschiedenen Laub- und Nadelbäumen, deutlich resilienter, widerstands- und anpassungsfähiger als Reinbestände. Den Wald flächig umzubauen und zu entwickeln, stellt eine Mammutaufgabe dar, die noch viele Förstergenerationen beschäftigen wird.
 
ANZEIGER: Wie kann der Waldumbau gelingen?
 
Dennis Glanz: Unsere Strategie ist es, ein mehrstufiges Waldgefüge aufzubauen, das sich aus verschiedenen, unterschiedlich alten, standortangepassten Laub- und Nadelbaumarten zusammensetzt. Dies geschieht durch Pflanzung, natürliche Verjüngung (Samenfall) und Saat. Ein ökologisch wertvoller, multifunktionaler Mischwald dient auch der Risikoverteilung und ist in der Lage klimatische Veränderungen besser abzufangen und auch Stürmen besser den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zudem muss weiter untersucht werden, welche noch nicht heimischen Baumarten künftig ohne Risiko das bereits hier vorhandene Baumartenspektrum erweitern könnten, um eine noch größere Auswahl möglicher Baumarten zu haben. Die Niedersächsischen Landesforsten haben im Jahr 2018 nach langjähriger wissenschaftlicher Modellierung einen Leitfaden-Klimaangepasste Baumartenwahl veröffentlicht. Mit diesem Planungs-Instrument werden Boden- und Wasser-Informationen mit regionalisierten Klimamodellen verschnitten. Damit können wir die zukünftige Waldentwicklung anhand der wichtigen Faktoren auf den verschiedenen Standorten in Niedersachsen steuern und so klimastabilere Wälder entwickeln.
 ANZEIGER: Herr Glanz, vielen Dank für das Interview.


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