Benjamin Moldenhauer

Ein einziges Trauerspiel

Bully Herbigs Sequel zum Film „Der Schuh des Manitu“ ist ein faszinierend stählerner Film, der die gleichen Witze bringt, die vor über zwanzig Jahren schon nicht witzig waren, sondern nur das Klischee über den deutschen Humor bestätigten, urteilt Benjamin Moldenhauer.

Abahachi (Michael Bully Herbig) und Ranger (Christian Tramitz) reiten seit dem 14. August durch die deutschen Kinos.

Abahachi (Michael Bully Herbig) und Ranger (Christian Tramitz) reiten seit dem 14. August durch die deutschen Kinos.

Bild: Luis Zeno Kuhn/Constantin Film

Vor vierundzwanzig Jahren kam der bis heute kommerziell erfolgreichste deutsche Film in die Kinos: „Der Schuh des Manitu“. Beim Wiedersehen nach einem knappen Vierteljahrhundert wirkt Michael Bully Herbigs Komödie wie ein betont wurstiges Signal aus vergangenen Zeiten, in denen die Welt zumindest aus westeuropäischer Perspektive ungleich weniger verhängnisvoll anmutete als heute.

Die Premiere fand am 13. Juli 2001 statt, damals wurde in vollem Ernst über einen Begriff wie „Spaßgesellschaft“ diskutiert. Zwei Monate später dann 9/11, gefolgt von Finanzkrisen, einer Pandemie, der Wiederkehr des Faschismus in Europa und den USA, dem Wissen um die unabwendbare Klimakatastrophe. Mit all diesen Erfahrungen im Rücken und im Nacken funktioniert „Der Schuh des Manitu“ heute wie eine Zeitkapsel.

Kaum zu fassen

Zugleich verbindet sich das Wiedersehen mit Erstaunen. Der Film ist noch um einiges schlechter als ich ihn in Erinnerung hatte. Kein Timing, kein Wortwitz, immer wieder dieselben Gags auf langen anderthalb Stunden breitgetreten: Der Cowboy und der Indianer sprechen Deutsch mit bayerischen Akzent, der eine Indianer ist, haha, stockschwul und trägt rosa, die Blutsbrüder zanken sich wie ein altes Ehepaar. Man sitzt mit einbetoniertem Gesicht vor dem Bildschirm und mag es nicht glauben, dass das neben dem ja nach wie vor recht herrlichen „Otto – der Film“ die am meisten gesehene deutsche Kinoproduktion der Nachkriegszeit gewesen sein soll.

Das Sequel „Das Kanu des Manitu“ ist eigentlich auch kaum zu fassen. Das Drehbuch von Michael Herbig, Christian Tramitz und Rick Kavanian insistiert geradezu trotzig darauf, dass keine Zeit vergangen sei. Alles in diesem Film ist genau wie damals, die Kontinuität zwischen beiden Filmen bilden nicht nur der Ausgangspunkt – eine Parodie auf 2001 schon olle deutsche Karl-May-Verfilmungen –, sondern vor allem das, was einen hier fast anderthalb Stunden in den Sessel drückt: die radikale Abwesenheit von Wortwitz, Timing und Ideen bei gleichzeitiger Ansage, dass es jetzt aber gleich mal besonders lustig werden wird.

Aggressiv witzig sein wollen

Der Plot ist, nächste Verbindung, damals wie heute komplett wurscht und nur der lose Faden, an dem aggressiv witzig sein wollende Einzelszenen aufgereiht werden.

In diesem Fall: Eine Gangsterbande soll für einen Ölbaron (Sky du Mont) das ewiges Leben versprechende Kanu des Manitu beschaffen und entführt Abahachi (Herbig) und Ranger (Christian Tramitz), die das Kanu aus einer Höhle holen sollen. Auf dem Weg werden die drei Basiswitze des Films immer wieder wiederholt: Der Cowboy und der Indianer sprechen Deutsch mit bayerischem Akzent, der eine Indianer ist, haha, stockschwul und trägt rosa, die Blutsbrüder zanken sich wie ein altes Ehepaar. Oder auch der hier: Der Tavernenbesitzer Dimitri (Rick Kavanian) ist Grieche, spricht mit starkem Akzent und trinkt viel Ouzo. Der Witz: Griechen trinken viel Ouzo.

Cancel Culture

Nur in einer Hinsicht reagiert „Der Schuh des Manitu“ dann doch auf den Lauf der Zeit. Michael Herbig hatte bereits im Vorfeld in Interviews etwas maulig darauf insistiert, dass ein Film wie „Der Schuh des Manitu“ heute eigentlich nicht mehr sein dürfe. Schwulen- und Tuntenwitze, Gags über amerikanische Ureinwohner, Frauenfiguren, gegen die noch Heinz Erhardt wie eine feministische Ikone gewirkt hätte – alles das hätte heute, so muss man Michael Herbig wohl verstehen, auf der Leinwand keinen Platz mehr.

Die Phantasien, die mit der Idee einer „Cancel Culture“ von links einhergehen, blinken in „Das Kanu des Manitu“ immer wieder mal auf. Zum Beispiel in einem Running Gag, wenn Abahachi sich die Verwendung des Wortes „Indianer“ wiederholt verbittet. Oder im unfreiwillig todtraurigen Abspannsong von Stefan Raab, „Weil wir so supergeil drauf sind“, in dem es irgendwie um Veganer und Birkenstock-Sandalen geht.

Unbeirrt weiter machen wie bisher

Die den „Schuh des Manitu“ in jedem Bild bestimmende Verkrampftheit hat sich durch all das nicht verstärkt, schon der erste Teil von 2001 war in seinem grundlosen Willen zur Fröhlichkeit und zu dem, was wohl als irgendwie anarchischer Unsinn wahrgenommen werden sollte, vor allem zäh. Heute wollen wir lustig sein. Im von jeder Wahrnehmung der Welt außerhalb des Kinos unbeirrten Beharren darauf, einfach so weiterzumachen, als wäre nichts, und dieselben leblosen Gags einfach noch einmal zu erzählen – 2001 war das doch immerhin sehr erfolgreich –, ist „Das Kanu des Manitu“ dann aber auch wieder ein faszinierend stählerner Film. Als hätten drei Deutsche sich zusammengesetzt, um sich zu überlegen, wie man das nationale Klischee, der deutsche Humor sei ein einziges Trauerspiel, mit aller Wucht bestätigen könnte. So gesehen stimmt an den Manitu-Filmen dann wieder alles.


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