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Ulrich Evers

Gegen Sprach- und Hilflosigkeit - Kidstime: Neues Angebot für Kinder psychisch erkrankter Eltern

Bremervörde. Kinder, deren Eltern von psychischen Erkrankungen betroffen sind, sind eine seit Jahrzehnten übersehen Hochrisikogruppe. Sie sind meist selber erhöht anfällig, entsprechende Auffälligkeiten zu entwickeln. Um diesem Problem entgegenzuwirken, bietet die Begegnungsstätte Tandem-Treff in der Ritterstraße 19 ab Februar die Kidstime Workshops.
„Kidstime ist ein Projekt, das mich schon lange fasziniert hat“, sagt dazu Andreas von Glahn, Vorsitzender von Tandem e.V.. Bei Kindern psychisch erkrankter Eltern führe die Situation oft zu großer Hilflosigkeit und Überforderung. „Das geht an die Substanz. Wir wollten endlich was für diese Kinder machen. Da ist eine große Not“, so von Glahn weiter. Es müssen nach seinen Worten aber auch die nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen, um ein solches Projekt professionell begleitet in Angriff nehmen zu können.
Die Gesamtkosten des ganzjährigen Workshops für 2019 belaufen sich auf rund 15.700 Euro in Bremervörde. 10.000 Euro werden durch Fördermittel des Landkreises abgedeckt. Weitere Unterstützung haben bereits die Robert-Enke-Stiftung und der Lions-Club zugesagt. Andreas von Glahn zeigt sich deshalb sehr zuversichtlich, was die Restfinanzierung des Projektes angeht.
„Allein im Landkreis Rotenburg sprechen wir von rund 5.000 bis 6.000 betroffenen Kinder“, erklärt Psychologe Henner Spieling, der das Kidstime-Projekt mit initiiert hat. „Solche Kinder zeigen meist schulische Schwierigkeiten, habe Kontaktprobleme oder sozial-emotionale Probleme. Diese Kinder sind oft die vergessenen Angehörigen.“
Die Kidstime-Workshops wurden in den 90er-Jahren in England entwickelt und haben 2014 ihren Weg nach Rotenburg gefunden. Mit den Workshops sollen vor allem drei Bedürfnisse betroffener Kinder befriedigt werden. Zum einen gilt es, ihnen zu erklären, dass sie keine Schuld an der Erkrankung der Eltern haben. „Wir distanzieren sie damit von Schuldgefühlen. Wir machen ihnen klar, dass psychische Erkrankungen komplexe Systeme sind, in die sie selbst nicht verstrickt sind“, so Henner Spieling. Zum zweiten gelte es im Rahmen der Workshops stabile Ansprechpartner zu bieten, die möglichst nicht in der Therapeutenrolle sind. „Und drittens ermöglichen wir den Zugang zu anderen Kindern, die in ähnlichen Situationen sind. Oftmals trauen sich solche Kinder gar nicht, Freunde mit nach Hause zu bringen“, erklärt der Psychologe weiter. Die Folge sei Isolation und fortschreitende Tabuisierung.
Kidstime verstehe sich dabei nicht als therapeutisches Angebot. „Es ist ein soziales Event, mit dem wir dafür sorgen wollen, dass die Kinder später nicht selber zur Therapie müssen“, erläutert die systemische Kinder- und Jugendtherapeutin Kerstin Stöltzel, die das Projekt mit betreut.
Kidstime bedeutet konkret, dass einmal im Monat, sechs bis zwölf Familien zu einem Gruppentreffen zusammenkommen. Nach einem rund 30-minütigem Seminaranteil, in dem es vor allem um die Erklärung psychischer Erkrankungen gehen soll, trennen sich Kinder und Erwachsene in zwei Gruppen. Für die Kids gibt es ein rund einstündiges spielerisches Angebot, an dessen Ende jedes Mal ein von den Kindern selbst gedrehter Film stehen soll. Er wird im Anschluss den Eltern gezeigt. Doch vorher kommt für alle gemeinsam ein Pizzaessen.
Die Kidstime-Workshops beginnen im Februar und finden jeweils am letzten Samstag im Monat von 16 bis 19 Uhr im Dietrich-Bonhoeffer-haus, Brackmannstraße 5a statt. Wer sich dafür interessiert, kann sich telefonisch unter der Rufnummer 04761 / 72177 oder per E-Mail unter info@tandem-brv.de informieren und anmelden.


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