Ernte-Solidarität fair gestalten: Mindestlöhne und Hygiene bei Unterstützung der Landwirtschaft
Die Corona-Pandemie bedingt einerseits, dass frisches Obst und Gemüse derzeit stark gefragt sind. Andrerseits verursache sie jedoch einen immensen Mangel an Erntehelfer*innen. Saisonkräfte aus Rumänien oder Bulgarien dürfen nur bedingt einreisen - zu wenige, um eine reibungslose Ernte zu garantieren, wie die Gewerkschaft IG BAU mitteilt.
In dieser Situation sei eine „Ernte-Solidarität gefordert“, so Inge Bogatzki von der Agrar-Gewerkschaft. „Wer aus dem Landkreis Rotenburg an der Wümme zupacken kann, sollte das jetzt tun. Es ist die Chance, Geld nebenbei zu verdienen und die Zeit sinnvoll zu investieren. Spargel, Spinat, Porree - das April-Gemüse wartet nicht“, sagt die Gewerkschafterin.
Beim Anpacken ginge es aber nicht nur darum, das reife Obst und Gemüse zu ernten, sondern auch ums Pflanzen und Säen. Karotten, Blumenkohl, Radieschen, Zwiebeln, Kopfsalat, Kohlrabi & Co. müssten jetzt auf die Felder. „Durch die Corona-Krise ist die Landwirtschaft auf etwas angewiesen, was es schon lange nicht mehr gab: darauf, dass alle vor Ort mit anpacken. Auf ein ‚Pflanzen und Ernten - zu fast 100 Prozent made by Kreis Rotenburg an der Wümme ‘“, sagt Bogatzki von der IG BAU Land Bremen und Umzu. Allerdings dürfe das nicht um jeden Preis geschehen, warnt die Agrar-Gewerkschaft: Lohn und vor allem auch Hygienestandards seien wichtig.
Faire Bezahlung und Zulage
Viele würden zunächst ohne Vorkenntnisse kommen, was die Arbeit in der Landwirtschaft angeht: „Laien werden die professionellen Handgriffe erst lernen müssen“, so die Gewerkschafterin. Hier bräuchten beide etwas Geduld - die Helfer*innen, aber auch die Landwirt*innen. Aber, so Bogatzki: „Die aktuelle Situation darf nicht dazu führen, dass Menschen bei der Erntearbeit auf den Feldern über den Tisch gezogen werden.“ Wer von der Solidarität profitiert, müsse auch fair bezahlen und die nötigen Infektions- und Arbeitsschutzmaßnahmen gewährleisten. Für Ernte unerfahrene Schüler*innen, Student*innen oder Flüchtlinge gelte der gesetzliche Mindestlohn von 9.35 Euro pro Stunde. Zusätzlich fordert die IG BAU für Saisonarbeiter*innen genauso wie für die Stammbelegschaften in Agrarbetrieben eine Erschwerniszulage. „Immerhin setzen sich die Beschäftigten in der Phase der Corona-Pandemie bei ihrer Arbeit auch einem gewissen gesundheitlichen Risiko aus“, so Inge Bogatzki. Landwirte in der Region sollten eingearbeitete Saisonkräfte daher „mit einem Lohn nicht unter 11 Euro pro Stunde vom Feld gehen lassen.“
Mobiles WC reicht nicht aus
Neben der fairen Bezahlung sei die Einhaltung der Hygieneregeln unerlässlich. Daher müssen die Landwirt*innen auch draußen Möglichkeiten fürs regelmäßige Händewaschen und Desinfizieren sicherstellen. „Das bedeutet, dass die Toilette am Feldrand einen Wasseranschluss braucht. Das sonst übliche Mobil-WC reicht hier nicht. Denn ohne Wasser - kein Händewaschen“, macht die Gewerkschafterin deutlich. Ebenso sei auch auf dem Feld unerlässlich, in die Armbeuge zu niesen oder zu husten.
Zum Schutz der Gesundheit gehöre aber auch die Einhaltung der Arbeitszeiten. Acht stunden täglich sollten die Regel sein. Die mancherorts erlaubten zwölf Stunden pro Tag seien gesundheitlich nicht vertretbar. Überlastung und mangelnde Erholung schwächt das Immunsystem. Zudem sei es dringend empfohlen, sich einen Arbeitsvertrag aushändigen zu lassen, damit man bei der Arbeit versichert sei.
Einzelzimmer statt Sammelunterkünfte
Wenn Pflanz- und Erntehelfer in Unterkünften untergebracht werden, dann seien dabei Einzelzimmer notwendig. „Die Corona-Pandemie bedeutet das Aus der sonst üblichen Sammelunterkünfte. Denn dort gilt das gleiche wie auf den Feldern: Der Abstand von mindestens 1,5 Metern ist Pflicht. Besser ist eine ganze Zollstocklänge: Also 2 Meter Abstand vom Nebenmann“, erklärt die IG BAU-Bezirksvorsitzende. Zudem müssten Sozial- und Sanitärräume alle zwei Tage fachmännisch gereinigt werden.
Keine Sammelfahrten
Ebenfalls untersagt sind Sammelfahrten von Feld zu Feld. Keinesfalls dürften Neun-Mann-Bullis voll besetzt zum Einsatz kommen. Das wäre ein Ansteckungsherd auf vier Rädern. Erntehelfer*innen sollten möglichst alleine und mit dem eigenen Pkw, Motorroller oder Fahrrad zur Feldarbeit fahren. Dafür müsse ihnen der/die jeweilige Landwirt/in eine Entschädigung bezahlen.
Die Gefahr ist überall
„Die Corona-Gefahr lauert überall. Pflanz- und Erntehelfer dürfen das bei ihrem Einsatz unter freiem Himmel nicht vergessen. Es ist die Pflicht der Arbeitgeber, die Arbeitsplätze und Unterkünfte so einzurichten, dass die Hygienestandards einfach einzuhalten sind. Wer Fragen und Probleme hat, sollte sich an die IG BAU oder an das örtliche Gesundheitsamt wenden“, so Inge Bogatzki.
Wichtige Hygieneregeln für die Arbeit in der Landwirtschaft hat die Agrar-Gewerkschaft IG BAU online gestellt: www.igbau.de/Ploetzlich-Erntehelfer.html. Wer sich aus dem Landkreis Rotenburg an der Wümme als Pflanz- oder Erntehelfer*in bewerben möchte, findet Jobs und weitere Infos unter www.agrarjobboerse.de.
Stellenangebote gibt es auch auf dem Portal „Das Land hilft“ vom
Bundeslandwirtschaftsministerium: www.das-land-hilft.de (weiter: „Zur Plattform“).