Lena Stehr

„Die Vereinbarungen laufen ins Leere“

Niedersachsen. Während die Landwirtschaftsministerin und das Landvolk nach einem Jahr eine positive Bilanz ziehen, kommt von den Grünen und dem Landkreis Kritik an der Umsetzung des Niedersächsischen Wegs.

Vor einem Jahr haben Vertreter:innen aus Landwirtschaft, Naturschutz und Politik mit dem Niedersächsischen Weg eine in dieser Form bundesweit einmalige Vereinbarung getroffen. Das Papier verpflichtet die Akteur:innen, konkrete Maßnahmen für einen verbesserten Natur-, Arten- und Gewässerschutz umzusetzen. 120 Millionen Euro stehen dafür für dieses Jahr im Haushaltsplan des Landes.
 
Intensiver Umsetzungsprozess
 
Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast zog jetzt eine positive Bilanz und zeigt sich zufrieden mit dem Arbeitsfortschritt. Man sei in einen intensiven Umsetzungsprozess eingetreten und habe wichtige Meilensteine bereits erreicht, so zum Beispiel die verstärkte Umstellung der landeseigenen Domänen auf ökologischen Landbau und die Einrichtung eines Wildnisgebiets im Solling. Andere Maßnahmen, etwa die Konzipierung von Agrarumweltmaßnahmen zum Moorbodenschutz, befänden sich auf einem guten Weg.
 
Wegweisend für andere Länder
 
Ina Janhsen, Präsidentin des Landfrauenverbands Weser-Ems bezeichnet den Niedersächsischen Weg als „wegweisend“ für andere Länder, weil hier wirklich alle Interessen berücksichtigt und miteinander in Einklang gebracht würden. Kernstück sei die Zusicherung für Landwirt:innen, dass Naturschutzleistungen auch honoriert würden.
Bei den konkreten Maßnahmen sei man ein gutes Stück weitergekommen. Zum Beispiel bei den Regelungen zu Gewässerrandstreifen mit Abweich- und Ausgleichmaßnahmen, die eine praxistaugliche Bewirtschaftung zuließen.
 
Insektenschutzpaket konterkariert den Weg
 
Allerdings drohten viele Einigungen im Niedersächsischen Weg nun durch das Insektenschutzpaket des Bundes konterkariert zu werden, so Jahnsen. Im Kern sehen die Pläne pauschale Auflagen und Verbote in Schutzgebieten sowie an Gewässern und Unterschutzstellungen vor. In Niedersachsen würden nach Berechnungen des Landvolks Niedersachsen bis zu 160.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche und weit mehr als 100.000 Hektar private Waldfläche von gravierenden Bewirtschaftungsbeschränkungen betroffen sein. Damit werde massiv in die Arbeitsweise und die Gestaltungsmöglichkeiten der Landwirt:innen in den betroffenen Gebieten eingegriffen.
 
Extrem komplizierte Regelungen
 
Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit des Niedersächsischen Weges äußert der Landkreis Osterholz auf ANZEIGER-Nachfrage und spricht damit wohl vielen Kommunen aus der Seele. Die offenkundig schwierige Konsensfindung zwischen den Vertragspartner:innen habe Regelungen hervorgebracht, die teils extrem kompliziert seien und die ausführenden Naturschutzbehörden vor große Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung stellen, sagt Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann.
Ein Beispiel seien die mehrfach im Gesetz verankerten Zulässigkeitsfiktionen. Danach gelten bestimmte, potenziell für den Naturschutz negative Maßnahmen der Landwirtschaft als erlaubt, wenn nicht innerhalb von zehn Arbeitstagen seitens der Unteren Naturschutzbehörden interveniert wird. Diese Verfahrensweise sei zwar für die Landwirt:innen günstig werde von den Unteren Naturschutzbehörden aber oft nicht zu leisten sein.
 
Alle Betroffenen einbeziehen
 
Das Land habe nun erste Arbeitsgruppen mit den Kommunalen Spitzenverbänden und einigen Unteren Naturschutzbehörden gebildet, um die Umsetzung des Gesetzes zu konkretisieren. Damit der „Niedersächsische Weg“ erfolgreich beschritten werden könne, wäre es allerdings notwendig, Diskussions- und Austauschformate aller Beteiligter und Betroffener zu finden.
 
Vereinbarungen laufen ins Leere
 
Deutlicher in ihrer Kritik an der Umsetzung des Niedersächsischen Weges werden die Grünen. „Die Vereinbarungen für mehr Artenschutz laufen völlig ins Leere“, kritisiert der Landesvorsitzende Hans-Joachim Janßen. Bestandsbedrohte Wiesenvögel wie beispielsweise Kiebitz und Uferschnepfe seien in dieser Brutsaison nicht besser geschützt als in den Jahren zuvor.
Die Grünen-Kreistagsabgeordnete Dörte Gedat aus Schwanewede stellt dem Land ebenfalls ein schlechtes Zeugnis aus. Nach anfänglich schnellem Handeln komme die Politik nun bei der konkreten Umsetzung der Gesetze nicht voran. „Die Unteren Naturschutzbehörden warten auf Personal und Handlungsrichtlinien. Passiert ist bisher aber nichts“, sagt Gedat, die seinerzeit auch das „Volksbegehren „Artenvielfalt. Jetzt!“ unterstützt hatte, ohne das aus ihrer Sicht der Niedersächsische Weg gar nicht realisiert worden wäre.
Die Grünen-Politikerin fordert nun vor allem einen konkreten Fahrplan und deutlich mehr Engagement vom Land.


UNTERNEHMEN DER REGION