Von Brunnenbau bis CIA-Operationen
Washington. Trump befeuert mit der Schließung von USAID nicht nur eine humanitäre Katastrophe, sondern vollzieht auch den offenen Bruch mit dem Anspruch, US-Entwicklungshilfe diene jemals etwas anderem als knallharten Eigeninteressen.
Was der US-Präsident im Wahlkampf noch als vage Ankündigung formulierte, setzte er wenige Wochen nach Beginn seiner zweiten Amtszeit um: Die Vereinigten Staaten beenden nach mehr als sechs Jahrzehnten die Arbeit ihrer zentralen Entwicklungsbehörde USAID.
Am 20. Januar ordnete Trump per Dekret zunächst einen 90-tägigen Stopp der Entwicklungszusammenarbeit an, um alle Programme „auf Effizienz und Vereinbarkeit mit der US-Außenpolitik“ zu prüfen. Anfang März kündigte Außenminister Marco Rubio an, rund 83 Prozent der mehr als 6.200 USAID-Programme würden gestrichen, für den Rest sei in Zukunft das US-Außenministerium zuständig. „Ab dem 1. Juli wird USAID offiziell keine Auslandshilfe mehr leisten“, sagte Rubio am 1. Juli. „Diese Programme werden künftig vom Außenministerium verwaltet, wo sie mit mehr Rechenschaftspflicht, Strategie und Effizienz durchgeführt werden.“ Die Regierung begründete den Schritt mit mangelnder Zielerreichung und der Unterstützung „ineffizienter und politisch gesteuerter Projekte“; künftig solle jede Hilfsmaßnahme „den nationalen Interessen dienen“.
USAID war in den vergangenen Jahren für einen Großteil der bilateralen Entwicklungshilfe der Vereinigten Staaten verantwortlich, etwa 6,2 Milliarden US-Dollar allein im Bereich globale Gesundheit im Jahr 2023 – rund 73 Prozent der US-Mittel in diesem Sektor. Nach Regierungsangaben werden etwa 1.000 Projekte fortgeführt, eine detaillierte Liste liegt bisher nicht vor. Kritiker befürchten, dass mit der Schließung nicht nur einzelne Vorhaben, sondern ganze Hilfsstrukturen wegbrechen.
Studie warnt vor Millionen zusätzlichen Todesfällen
Hilfsorganisationen warnen vor gravierenden humanitären Folgen der Schließung von USAID: Nach einer neuen Studie im Fachblatt „The Lancet“ könnten die abrupten Kürzungen und eine vollständige Abwicklung der Programme bis 2030 weltweit mehr als 14 Millionen zusätzliche Todesfälle verursachen – darunter rund 4,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Für 2025 allein beziffern die Wissenschaftler die Mehrsterblichkeit auf etwa 1,78 Millionen Menschen; in den Folgejahren wäre mit durchschnittlich über 2,4 Millionen zusätzlichen Todesfällen pro Jahr zu rechnen. Die Autoren stützen ihre Prognose auf eine breit angelegte Auswertung von 133 Ländern mit Paneldaten von 2001 bis 2021: In dieser Zeit war höheres USAID-Engagement mit einem Rückgang der altersstandardisierten Gesamtsterblichkeit um 15 Prozent und der Kindersterblichkeit um 32 Prozent verbunden; insgesamt seien so rund 91,8 Millionen Todesfälle verhindert worden, davon gut 30 Millionen bei Kindern unter fünf Jahren. Besonders ausgeprägt seien die Effekte bei HIV/Aids (minus 65 Prozent Sterblichkeit), Malaria (minus 51 Prozent) und vernachlässigten Tropenkrankheiten (minus 50 Prozent) gewesen; deutliche Rückgänge zeigten sich auch bei Tuberkulose, Durchfallerkrankungen, Mangelernährung, Atemwegsinfektionen sowie bei Mütter- und Perinatalsterblichkeit.
Ein Teil dieser Wirkung erklärt sich der Studie zufolge nicht nur durch direkte Gesundheitsprogramme, sondern auch durch Verbesserungen sozialer Determinanten wie Bildung, Wasserversorgung, Sanitärversorgung und Armutsbekämpfung, die USAID in großem Umfang mitfinanziert habe. Die Forschenden betonen, die zu erwartenden Einschnitte könnten in vielen armen Ländern einem Schock „in der Größenordnung einer globalen Pandemie oder eines größeren bewaffneten Konflikts“ gleichkommen.
Deutschland kann die Lücke nicht schließen
„Die Mittelkürzungen sind dramatisch“, sagt auch Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger; Teams vor Ort müssten bereits abwägen, welchen Kindern noch geholfen werden könne – mit absehbar tödlichen Folgen, wenn Therapien und Nahrungsmittelhilfen abrupt wegbrechen. Zudem warnt Friedrich-Rust, kurzfristige Einsparungen verschärften die Not langfristig und forderte europäische Regierungen auf, Lücken zu schließen, die durch das Wegfallen US-amerikanischer Gelder entstehen. Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan erklärte: „Über sechs Jahrzehnte hat USAID weltweit Menschen aus größter Armut befreit, Krankheiten zurückgedrängt, ganze Regionen stabilisiert und Demokratien gestärkt. Die Auflösung schmerzt nicht nur alle, die sich für Solidarität und Menschlichkeit in der Welt einsetzen, sie hat dramatische Folgen.“ Zugleich mahnte sie, weder Deutschland noch Europa könnten die Lücke vollständig füllen, „aber wir müssen das Schlimmste verhindern“.
Entwicklungshilfe von der CIA
Die Auslandshilfe der USA war so gestaltet, dass sie auch heimischen Wirtschaftsinteressen diente. Der bereits 1933 verabschiedete „Buy American Act“ verpflichtet Bundesbehörden – und damit auch USAID –, bei Beschaffungen in erster Linie in den Vereinigten Staaten produzierte Waren zu kaufen. Für Entwicklungsprojekte bedeutete das oft, dass Hilfsgüter, Fahrzeuge oder technische Anlagen nicht lokal beschafft, sondern aus den USA importiert werden mussten. Kritiker bemängelten, dies verteuere Projekte, verhindere den Aufbau regionaler Märkte und mache Empfängerländer von US-Lieferketten abhängig – während es zugleich amerikanischen Herstellern Absatzmärkte sicherte.
Dass USAID in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur Brunnen gebohrt, Impfstoffe verteilt und Schulen gebaut hat, sondern immer wieder auch als verlängerter Arm der US-Außenpolitik diente, ist historisch belegt. Schon in den 1960er Jahren, kurz nach der Gründung im Kalten Krieg, flossen Gelder und Personal der Behörde in Programme wie CORDS in Vietnam, das zivile Aufbauhilfe mit militärischer Aufstandsbekämpfung und Geheimdienststrukturen verknüpfte. Das berüchtigte Office of Public Safety, das innerhalb von USAID Polizeikräfte in verschiedenen Ländern ausbildete, wurde in Wirklichkeit von der CIA betrieben. Es geriet wegen seiner Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen in die Kritik und wurde 1974 eingestellt. USAID war in dieser Zeit auch indirekt an Drogenschmuggel beteiligt.
Später tauchte die Behörde immer wieder in Berichten über verdeckte Einflussnahme auf – mal diskret, mal offenkundig. Ein besonders plastisches Beispiel ist das Projekt „ZunZuneo“ in Kuba: Eine Art heimlich aufgebautes „kubanisches Twitter“, zunächst mit unpolitischen Inhalten, sollte im Jahr 2010 schleichend zu einem Werkzeug werden, um Proteste gegen die Regierung zu organisieren.
Lobbyismus für Arbeitsmarktreformen
Auch in der Ukraine zeigte sich jüngst, wie eng Hilfen mit politischen Bedingungen verknüpft sein können. Die Auslandshilfe der Vereinigten Staaten agierte hier, wie man es sonst von Lobbyisten gewohnt ist: Während des russischen Angriffskriegs unterstützte USAID nicht nur humanitäre Versorgung und Infrastruktur, sondern war – wie die taz berichtete – direkt an der Ausarbeitung von Gesetz Nr. 5371 beteiligt, das Arbeitsbeziehungen in kleinen und mittleren Unternehmen neu regelt. Offiziell ging es um „Vereinfachung“ und Bürokratieabbau, faktisch jedoch erleichtert das Gesetz den Abschluss von Individualverträgen und schwächt Kollektivverträge – in einer Zeit, in der die Gewerkschaften durch Krieg und Arbeitslosigkeit stark geschwächt sind. Kritiker wie der Arbeitsrechtler Vitali Dudin sprechen von einem „Teil einer neoliberalen Transformation“, die unter dem Deckmantel von Reformen vorangetrieben werde. Zugleich kündigte die ukrainische Regierung an, auch Privatisierungen massiv zu beschleunigen.
Großzügigkeit gehört der Vergangenheit an
Dass solche wirtschaftspolitischen Weichenstellungen mitten im Krieg mit Unterstützung von USAID erfolgten, zeigt: Die Behörde versuchte seit je her, wirtschaftliche und politische Strukturen weltweit im Sinne US-amerikanischer Interessen zu beeinflussen. Unter Trump soll dieses Unterfangen im Außenministerium jetzt noch konsequenter umgesetzt werden - und auf Projekte reduziert, die diesen Nutzen nachweislich erfüllen. Die neue Regierung macht keinen Hehl daraus, dass es ihr mehr um handfeste Interessen und weniger um Werte geht. Außenminister Marco Rubio stört sich etwa daran, dass von USAID finanzierte Hilfsorganisationen ihre Arbeit als „charity“ vermarktet hätten. Gleichzeitig hätten jene Staaten, die am meisten von der „Großzügigkeit“ der USA profitierten, etwa bei UN-Resolutionen am häufigsten gegen den größter Geberstaat der Entwicklungszusammenarbeit gestimmt. Das return on investment blieb sozusagen aus. Und Wohltätigkeit - die in den USA schon in zurückhaltender Form schnell des Kommunismus verdächtigt wird - passt nicht ins Programm.

Eigeninteresse statt Erkenntnisinteresse: Heinzelmännchentheater -

Kein Platz zum Wachsen
Ensemble Luccian aus Moldawien tritt in Meyenburg auf
