

Hambergen. Im Landkreis erinnern mittlerweile über 60 Stolpersteine an das tragische Schicksal zahlreicher Kriegsopfer. Nachdem man am Anfang mit ersten Gedenktafeln in Ritterhude und Lilienthal begann, wurden die kleinen Mahnmale ab Mai 2020 auch in Osterholz zugelassen. Am Donnerstag, 8. Mai, verlegte die Stolperstein-Initiative einen neuen Erinnerungsstein für das NS-Opfer Heinrich Kück. Musikalisch begleitet wurde die Zeremonie von sanften Gitarrenklängen, eindringlichen Texten und der starken Stimme von Andrea Türk.
Ein Mahnmal für Heinrich Kück
Die Gruppe um Vorsitzenden Manfred Bannow hatte den 8. Mai bewusst als Datum der Verlegung gewählt. „Zum Tag des Gedenkens und der Mahnung kommen wir heute – genau 80 Jahre nach der Befreiung und dem Ende des Zweiten Weltkrieges – zusammen, um an die damaligen Opfer zu erinnern“, erklärte die Initiative. Mit jedem Stein setze man auch ein Zeichen gegen den politischen Rechtsruck, ergänzt Klaus Sass. „Vor allem bei dem, was heute in der Welt passiert, gilt es, an Not und Elend zu erinnern, das unzählige Menschen haben erleiden müssen“, mahnte der stellvertretende Osterholzer Bürgermeister.
Vom Maurerlehrling zum KZ-Häftling
Aus Wiedergutmachungsakten und Todesanzeigen des Verstorbenen rekonstruierten Bannow und seine Mitstreiter:innen das Schicksal eines jungen Mannes, dessen Lebensweg vor über 100 Jahren begann.
Heinrich Kück wurde am 19. Februar in Heißenbüttel geboren, besuchte die Volksschule und begann eine Maurerlehre beim Bauunternehmen Stehnke. 1936 wurde er zum Arbeitsdienst und später zum Artillerieregiment in Bremen eingezogen. Mit der Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit und kompromisslosen Verordnungen wurde das „Dritte Reich“ kriegstüchtig gemacht – durch inneren Zwang und eine strikte Disziplin der Truppe.
Die Mechanik des NS-Militärsystems
„So wurde unter anderem die Aufstellung von sogenannten Sonderformationen, sprich Strafabteilungen, beschlossen, um unzuverlässige Elemente aus der regulären Truppe zu entfernen“, erläutert Bannow. Heinrich Kück wurde als angeblich unzuverlässig eingestuft, wegen Disziplinlosigkeit verurteilt und in eine Strafabteilung der Wehrmacht in der Lüneburger Heide versetzt. Von dort wurde der junge Mann zunächst ins KZ Sachsenhausen, im Mai nach Dachau überstellt.
„Hier wurde Heinrich Kück am 3. Mai mit 24 Jahren ermordet“, berichtet Bannow. Kücks letzter freiwillig gewählter Wohnsitz war ein kleines Haus in der Osterholzer Karlstraße 31. Eine Messingtafel auf dem Gehweg erinnert nun an seinen Leidensweg.
Gegen das Vergessen – auch in Hambergen
„Verschwörungstheorien und Fake News gab es auch ohne Internet – erfunden durch rechte Politiker nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg“, erklärt der Vorsitzende der Stolperstein-Initiative.
Mit der Dolchstoßlegende schufen rechte Kreise einen nationalen Mythos, der revolutionären Kräften und linken Streiks die Schuld an der Niederlage des „im Feld unbesiegten“ Heeres zuschrieb. „Aufgrund derartiger Gedanken erfanden führende Militärstrafrechtler die Sonderformationen, die später auch Kücks tragischen Leidesweg ebneten“, so Bannow.
Die Verlegung erster Stolpersteine in Hambergen plant die Initiative für Freitag, 11. Juli.