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Stark unterschätzt

Seit 75 Jahren prägen die Landfrauen das Leben im Landkreis Osterholz – oft unbemerkt, aber mit starkem Einfluss auf Politik, Gesellschaft und den Alltag im ländlichen Raum.
Können viel mehr als Kuchen backen: Die KreislandFrauen des Verbands Osterholz (hier von links) Stefanie Wellbrock, Martina Rodenburg-Schade, Urte Stölting, Katrin Engelken-von Oehsen und Hanna Grube.

Können viel mehr als Kuchen backen: Die KreislandFrauen des Verbands Osterholz (hier von links) Stefanie Wellbrock, Martina Rodenburg-Schade, Urte Stölting, Katrin Engelken-von Oehsen und Hanna Grube.

Bild: Ek

Osterholz-Scharmbeck. Seit 75 Jahren prägen die Landfrauen das Leben im Landkreis Osterholz – oft unbemerkt, aber mit starkem Einfluss auf Politik, Gesellschaft und den Alltag im ländlichen Raum.

Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Situation von Frauen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit in Haushalt und Familie. Befähigung von Frauen zur Mitwirkung im öffentlichen Leben. Weiterbildung und Qualifizierung zur Sicherung der Existenz der Familie im ländlichen Raum. Erhaltung und Verbesserung der Lebenssituation.

Diese aktuellen Ziele sind so alt wie der Deutsche Landfrauenverband selbst – und noch älter. Vor 75 Jahren haben sich Frauen zum KreislandFrauenverband Osterholz (das große F ist gewollt) zusammengeschlossen, um das Leben als Frau auf dem Land attraktiver zu machen. Dieses Jubiläum wird am 19. September groß gefeiert.

 

Von den ersten Ortsvereinen bis heute

Am 14. November 1950 wurde der erste Kreislandfrauentag gegründet. Dafür schlossen sich Frauen der ersten drei Ortsvereine in Rade, Wörpedorf und Worpswede zusammen, die alle 1949 entstanden waren. Heute gehören elf Ortsvereine zum Kreisverband, der jüngste in Neu Sankt Jürgen wurde 1972 gegründet.

Über die Bezirke hinaus sind die Landfrauen im Niedersächsischen Landfrauenverband mit 62.000 Mitgliedern organisiert. Der Deutsche Landfrauenverband zählt 450.000 Mitglieder. Ungefähr jeder 186. Deutsche ist damit eine LandFrau - eine nicht zu überhörende Stimme in der Republik. „Damit sind wir der größte Bildungsträger“, sagt Martina Rodenburg-Schade.

 

Ein starkes Netzwerk

„Schon meine Großmutter und meine Mutter waren LandFrauen. Es ist schön, diese Tradition weiterzuführen“, spricht Urte Stölting für viele ihrer Verbandsschwestern. Teil eines starken Netzwerks zu sein, das Tradition bewahrt und offen für Neues ist, sei bereichernd: Betriebsbesichtigungen, Vorträge und gemeinsame Ausflüge verbinden. „Hier kann ich mich einbringen, Neues lernen und den ländlichen Raum aktiv mitgestalten.“

Die sich daraus ergebenden persönlichen Verbindungen sind stark und sollten nicht unterschätzt werden, denn so wird ein gewichtiger Teil der ländlichen Zukunft bewegt. Der Einfluss reicht bis in höchste Gremien. „Man ist sehr interessiert an unserer Meinung“, zitiert Hanna Grube die ehemalige Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbands Brigitte Scherb. Auch politische Erfolge gehen auf die Landfrauen zurück: etwa die Anhebung der Altersgrenze für das kostenlose Brustscreening oder die Unterstützung der Mütterrente.

 

Persönliche Bereicherung

Heidi Murken macht die KreislandFrauen dafür verantwortlich, dass sich ihr Blick geweitet hat: „In der Kommunikation, in der Projektplanung, in meiner Kreativität. Ich habe so viel geschenkt bekommen an Impulsen, Inspiration und jeder Menge guter Gespräche. Das ist ein Schatz, den ich nicht mehr missen möchte.“ Besonders hebt sie das Schwarmwissen hervor: „Wenn man selbst auf dem Schlauch steht: Eine LandFrau weiß immer weiter.“

Junge Frauen schließen sich heute vermehrt zusammen, beobachtet Urte Stölting: „Aktive junge Frauen vernetzen sich anders und schneller vereinsübergreifend. Wir versprechen uns viel von ihnen.“

 

Landwirtschaft und darüber hinaus

„Richtige“ Landwirtinnen sind die Landfrauen meist nicht mehr. Eine Untergruppe mit rund 80 Mitgliedern widmet sich aber weiter landwirtschaftlichen Themen wie Hofübergabe oder Homöopathie in der Rinderhaltung. Auch Themen wie Vorsorge für Frauen oder Leben auf dem Land in Uganda standen auf der Agenda. Die Vorträge sind immer offen für alle.

Stefanie Wellbrock, auf deren Hof in der Viehlander Straße das große Jubiläum am 19. September gefeiert werden wird, geht das Herz auf beim solidarischen Gedanken der Landfrauen: „Wir stießen im Internet auf die Geschichte einer Frau, deren Freundin an Unterleibskrebs erkrankte und als Folge der Behandlung immer fror.“ Diese Frau wollte der Freundin warme Socken in deren Lieblingsfarbe Grün stricken, doch konnte sie sie ihr nicht mehr fertig überreichen, da die erkrankte Freundin noch vorher verstarb. In deren Gedenken und in Solidarität mit allen Frauen riefen die Kreislandfrauen zur Grüne-Socken-Spende auf. „Wir rechneten mit so 40, 50 Paaren“, erinnert sich Martina Rodenburg-Schade. „Wir konnten über 400 Paar grüne Kuschelsocken an die Kliniken verschenken! Und wir stricken immer weiter.“

 

Kuchen bleibt wichtig

Ein Thema bei den Landfrauen ist immer wieder der berühmte Kuchen. „Wir wollen uns darauf nicht reduzieren lassen“, sind sich die Frauen einig. „Aber der Kuchen- und Tortenverkauf ist eben eine gewaltige finanzielle Unterstützung für unsere Arbeit und für andere Frauen.“ Und das sind eben diese vielen Bildungsangebote durch Vorträge und Kurse zu sozialkritischen Themen oder für aktuelle Alltagskompetenzen wie Ernährung, Finanzen oder Sicherheit und ganz besonders Gesundheit. „Unsere Vorträge starten immer mit einem gemeinsamen Essen“, sagt Katrin Engelken-von Oehsen. Das Gesellige wird sehr gepflegt durch die gemeinsamen Abende, in denen Bücher, Spiele, Kino oder Theater im Zentrum stehen oder durch viele gemeinsame Ausflüge oder durch die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen.

„Das nächste große Thema werden die Wechseljahre sein: Es betrifft ja die Hälfte der Bevölkerung, bringt durch Ausfall und Kranktage Milliarden Euro Verlust und viele Frauen ziehen sich aus dem Berufsleben zurück – also Wegfall von Fachkräften“, blickt Martina Rodenburg-Schade voraus. „Ja, ich wünsche mir, dass wir lauter werden. Wir haben so viel angepackt und angestoßen, sind an vielen Stellen beteiligt, und wir halten das für selbstverständlich und reden so wenig, eigentlich nie darüber, sodass es von außen auch gar nicht wahrgenommen wird, was die LandFrauen alles bewirken.“


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