Sarah Lenk

Sarahs Nachtgeschichten:Eine Ethik des Geruchs

Nachtbeobachtungen durch die philosophische Brille, mit dunklem Witz und Kritik - unsere Kolumne von Sarah Lenk.

Bild: Wiki commons

23:46 irgendwo im öffentlichen Nahverkehr. In einer Straßenbahn. Oder im Nachtbus. Es kann überall passieren, gerade am Anfang der Nacht ist eine ständige Gefahr gegeben, vor der sich niemand schützen kann.
Stell dir vor, du sitzt vergnügt im Bus, auf dem Weg zu einer Party oder nach Hause nach einem Theaterbesuch. Plötzlich betritt sie den Raum und dein gesamtes Fühlen und Denken wird eingenommen. Sie ist atemberaubend - nicht weil sie schön ist. Sondern - weil sie riecht. Olfaktorische Belästigung, die schlimmste aller sinnlichen Belästigungen.
Das zivilisierte Leben sollte einer Art sozialem Knigge folgen. Denn zivilisiertes Leben ist städtisches Leben und das geht mit einer Anhäufung von Menschen einher. Mit der man umgehen muss. Und das geht nur durch umsichtiges und am besten vernünftiges Verhalten.
Der Mensch an sich stört den anderen Menschen, so sehr er ihn auch braucht. Deshalb ist Rücksicht geboten im öffentlichen Raum, um seiner Mitmenschen nicht allzu sehr zu belästigen. Mit schwebt da eine Ethik der Sinne vor, denn diese wäre sowohl vernünftig, wie auch umsichtig.
Ganz unten steht in dieser unser Hauptsinn, das Sehen. Sind wir zwar primär auf dieses fokussiert, so ist es doch ein leichtes, seinen Blick umzulenken. Weggucken kann man immer. Daraus folgt das Recht jedes Einzelnen, verdammt noch mal so rumlaufen zu können, wie er oder sie das möchte. Hat niemanden zu interessieren - wen‘s stört, der soll weggucken.
Auf das Sehen folgt das Hören. Weghören ist schwieriger, aber machbar. Von Oropax bis hin zu neuesten technischen Errungenschaften wie dem Noise-Cancelling-Headphones gibt es da diverse Möglichkeiten. Es ist also durchaus hin und wieder erlaubt, selbst zu laut zu sein.
Was aber gar nicht geht ist Geruch. Denn man kann zwar wegsehen und weghören, aber niemals wegriechen. Es ist uns physiologisch nicht möglich, Geruch dringt sofort in uns ein. Und zwar direkt ins Gehirn, ins Unbewusste. Ohne dem Umweg über das Bewusstsein zu nehmen. Deshalb sind Gerüche so gut in der Lage, uns bestimmte Erinnerungen in den Kopf zu rufen.
Ich schreibe übrigens mit voller Absicht nicht Gestank, sondern Geruch. Denn es geht in alle Richtungen. Selbstverständlich sollte niemand stinken - das ist schon fast nicht mehr erwähnenswert. Aber es auch mit den sogenannten Wohlgerüchen nicht zu übertreiben, in den meisten Fällen - Parfum. Ein bis zwei Spritzer in die Luft und dann einmal drunter durch laufen – reicht völlig. Ein Geruch sollte erst wahrnehmbar sein, wenn ich einer Person sehr Nahe komme und sich eben nicht aus drei Meter Entfernung schon ankündigen.
Die erste Pflicht des zivilisierten Menschen ist es demnach, auch den Gebrauch von Parfum einzuschränken.
 


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