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Kinder im Krisenmodus

Die Krise ist ein Brennglas für die Jugendliche Psyche. Eltern können mit offenen Ohren, Stabilität und Geborgenheit helfen.

Jugendliche haben ihre Zukunft noch vor sich. Doch Zukunftsängste schränken sie in ihrer Entwicklung ein.

Jugendliche haben ihre Zukunft noch vor sich. Doch Zukunftsängste schränken sie in ihrer Entwicklung ein.

Niedersachsen.  Corona, Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekrise, der Konflikt im Nahen Osten, die zunehmend verheerenden Folgen des Klimawandels: Besonders der Nachwuchs leidet unter dem Krisenmodus - und auch im neuen Jahr ist noch kein Ende in Sicht. Eine forsa-Umfrage im Auftrag der Käufmännischen Krankenkasse Hannover (KKH) zeigt, dass gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die psychische Belastung deutlich zugenommen hat. So haben 47 Prozent der Eltern von elf- bis 14-Jährigen und 43 Prozent der Eltern von 15- bis 18-Jährigen das Gefühl, dass ihr Kind in den vergangenen ein bis zwei Jahren häufiger oder stärker psychisch belastet war. Bei den 6- bis 10-Jährigen ist der Anteil mit 33 Prozent dagegen etwas geringer.

Knapp ein Viertel der Eltern, deren Kind gestresst oder seelisch belastet ist, gibt an, dass allgemeine Zukunftsängste wie etwa der Klimawandel oder gesellschaftliche Veränderungen ihrem Nachwuchs zu schaffen machen –-Jugendlichen und jungen Erwachsenen eher als Kindern im Grundschulalter (15- bis 18-Jährige: 28 Prozent, 11- bis 14-Jährige: 23 Prozent, 6- bis 10-Jährige: 15 Prozent).

 

Die Krise als Brennglas für die junge Psyche

 

Junge Menschen haben die meiste Zeit ihres Lebens noch vor sich, deshalb beschäftigen sie sich besonders intensiv mit der eigenen Zukunft. „Die Sorge darum verursacht eine starke emotionale Belastung. Kinder und Jugendliche haben in dieser angespannten Zeit den Eindruck, dass überhaupt nichts mehr sicher ist“, sagt KKH-Psychologin Franziska Klemm. Viele machen sich heute schon Sorgen, ob sie später einmal von ihrem Gehalt gut leben können oder wie lange die Erde noch bewohnbar bleibt. Solche Ängste schränken Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung ein und hinterlassen das Gefühl, sich nicht richtig entfalten zu können. Die mangelnde Lebenserfahrung verunsichert den Nachwuchs zusätzlich. Hinzu kommt, dass gerade Jugendliche in der Entwicklungsphase zum Erwachsenwerden bereits eine Fülle an Herausforderungen und Aufgaben körperlicher und sozialer Art zu bewältigen haben. „Da wirkt die Dauerkrise wie eine Art Brennglas für die Psyche“, erläutert Klemm. Ängste und Selbstzweifel sind die Folge.

 

Gefühle ernst nehmen, Gefühle teilen

 

Doch wie kann der Nachwuchs dem Krisenmodus entkommen und wieder Vertrauen fassen? . Der erste und wichtigste Schritt ist, miteinander zu sprechen. Dabei sollten Eltern nicht versuchen, Themen wie die Klimakrise oder politische Konflikte zu verharmlosen. „Seien Sie ehrlich und lassen Sie auch eigene Gefühle zu, ohne dabei zu emotional zu werden. Sie können beispielsweise sagen: Ich kann mir vorstellen, dass du Angst hast, mir geht es ähnlich“, erläutert Franziska Klemm. Auf diese Weise lernen Kinder und Jugendliche, dass Emotionen erlaubt sind und dass sie Situationen häufig schon richtig einschätzen können. „Auf jeden Fall sollten Eltern die Gefühlsäußerungen ihrer Kinder ernst nehmen“, betont die KKH-Expertin. Wenn der Nachwuchs Fragen stellt, sollten Eltern diese auch beantworten, aber keinesfalls ungefragt Informationen aufdrängen, die vor allem jüngere Kinder noch gar nicht richtig einordnen und verarbeiten können.

 

Fake News erkennen, Alternativen finden

 

Für Heranwachsende sind soziale Netzwerke die Informationsquelle schlechthin. Doch nicht alles, was bei Instagram & Co. gepostet wird, ist auch wahr. Daher ist es besonders wichtig, Jugendliche dabei zu unterstützen, sogenannte Fake News von echten Nachrichten zu unterscheiden und alternative seriöse Informationsquellen zu finden. So können Eltern anhand von Beispielen den Unterschied zwischen Meinungen und Fakten erläutern und gemeinsam mit ihren Kindern erörtern, welche Absichten hinter Fake News stecken und wie sie sich verbreiten. Auch ein gemeinsamer Faktencheck ist sinnvoll: Wo wurde der Beitrag veröffentlicht? Wer hat ihn geschrieben? Gibt es die erwähnten Personen und Institutionen wirklich? Berichten auch andere bekannte und seriöse Kanäle darüber?

Jüngeren Kindern sollten Eltern auf keinen Fall ungefilterte Nachrichten vorspielen. Stattdessen sollten sie darauf achten, dass der Nachwuchs altersgerecht aufbereitete Podcasts und seriöse Kinderkanäle nutzt. „Dabei reicht es aus, sich einmal am Tag gemeinsam zu informieren. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass es nicht rund um die Uhr online sein muss. Pausen sind wichtig und sogar notwendig, um die Flut an Informationen auch zu verarbeiten“, rät Franziska Klemm.

 

Stabilität geben, positive Erlebnisse schaffen

 

Abgesehen von offenen Gesprächen und begleitetem Medienkonsum brauchen Kinder und Jugendliche besonders in Krisenzeiten vor allem eines: Stabilität und das Gefühl, dass ihr Leben trotzdem normal weitergeht. Hilfreich ist es deshalb, den Alltag so gut wie möglich zu strukturieren, Termine einzuhalten und regelmäßig gemeinsame Zeit und positive Erlebnisse einzuplanen, beispielsweise beim gemeinsamen Abendessen, bei Ausflügen oder Spieleabenden. Dadurch grenzen Familien den eigenen Lebensbereich ab, tanken Kraft und schaffen Kindern und Jugendlichen einen sicheren Raum, der trotz äußerer Konflikte bestehen bleibt. „Besonders Jugendliche brauchen häufig das Gefühl, etwas tun zu können, für andere oder auch für sich selbst“, sagt Franziska Klemm. Die Psychologin rät daher Eltern, ihren Nachwuchs bei der Auswahl entsprechender Aktivitäten zu unterstützen. Mit Blick auf das Thema Klimawandel könne das etwa die Recherche nach beruflichen Perspektiven im Bereich der erneuerbaren Energien sein.

Das Meinungsforschungsinstitut forsa hat im Auftrag der KKH 2.003 Personen im Alter von 25 bis 69 Jahren mit 6- bis 18-jährigen Kindern deutschlandweit sowohl telefonisch als auch online repräsentativ im August 2023 befragt.


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