Kein Abi zweiter Klasse Digitalisierung und geschärfte Profile am Beruflichen Gymnasium
Osterholz-Scharmbeck (jm). „Es herrscht leider immer noch das Denken, das sei ein Abitur zweiter Klasse“, bedauert Wilhelm Windmann, Schulleiter der Berufsbildenden Schulen (BBS) in der Kreisstadt. Er spricht vom Beruflichen Gymnasium, der Oberstufe an den BBS. „Das führt wie jede andere Oberstufe zur allgemeinen Hochschulreife“, stellt Windmann richtig. Um das Bildungsangebot für angehende Abiturienten weiter zu verbessern, beschäftigte sich das Leitungsteam in den vergangenen Jahren vor allem mit Profilbildung und Digitalisierung.
„Unsere Besonderheit ist, dass wir eng am Berufsleben orientiert sind. Über die allgemeinbildenden Inhalte hinaus vermitteln wir Berufsspezifisches“, erklärt Wilhelm Windmann zur Schulform des Beruflichen Gymnasiums. Genau genommen gibt es gleich drei Gymnasien an den BBS: Die Oberstufe ist in die Bereiche Wirtschaft, Technik und Gesundheit und Soziales gegliedert. Im elften Jahrgang werden die Schülerinnen und Schüler noch im Klassenverband unterrichtet, danach geht es, wie in jeder Oberstufe üblich, im Kurssystem weiter.
Europe & Business oder Sportökonomie
Die Schüler im elften Jahrgang entscheiden sich mit der Wahl ihrer Fachrichtung auch für ein besonderes Profil. „Wir haben die Profilierung in den letzten Jahren vorangetrieben“, berichtet Schulleiter Windmann. Wer sich für das Berufliche Gymnasium Wirtschaft anmeldet, hat etwa die Wahl zwischen den Profilen „Europe & Business“ oder „Sportökonomie“. Ersteres umfasst eine zweite Fremdsprache, bilingualen Unterricht in Volkswirtschaftslehre und ein Auslandspraktikum in Frankreich. Das Sportprofil beinhaltet nicht nur mehr Sportunterricht - der Sport wird in verschiedenen Fächern beispielsweise als Wirtschaftsfaktor und Kulturgut beleuchtet.
Gesundheit und Soziales
In den anderen beiden Fachbereichen wird den Elftklässlern die Qual der Wahl erspart: Es gibt jeweils ein Profil in jedem Fachbereich. Wer sich für Gesundheit und Soziales entscheidet, wählt automatisch den Schwerpunkt Sozialpädagogik. Das Profil bietet nicht nur angehenden Pädagogik- oder Psychologiestudenten Vorteile. Eine Ausbildung zum Erzieher kann nach dem Abschluss in der halben Zeit absolviert werden - besonders hilfreich, da die vierjährige Ausbildung unbezahlt ist. Die Techniker unter den BBS-Abiturienten landen in der elften Klasse im Profil Mechatronik.
Technische Berufe
Grundlagen der Elektro- und Informationstechnik werden hier von ganz praktischen Übungen ergänzt. Dank der Nähe zu den hauseigenen Werkstätten in der Produktionsschule dürfen die Klassen beispielsweise im Rahmen eines Langzeitprojektes ein motorisiertes Go-Kart bauen.
Thema Digitalisierung
Neben der Profilbildung hat das Thema Digitalisierung die BBS lange beschäftigt. „Wie bekommen wir es hin, dass die Jugendlichen im Umgang mit den digitalen Medien kompetent werden?“, fragten sich Windmann und die Bereichsleiter der Oberstufe. „Unserer Überzeugung nach geht das nur, indem sie täglich damit arbeiten.“ Deshalb ist die Anschaffung eines Tablets für die Abiturienten seit zwei Jahren Pflicht. Wer jetzt an Apple-Hochglanz-Produkte mit Preisen im vierstelligen Bereich denkt, sei beruhigt: Die BBS haben sich für ein Android-Gerät entschieden, das für rund 200 Euro zu haben ist. Denn es sei wichtig, dass das Gerät auch zu Hause zum Arbeiten zur Verfügung stünde. Die Vorteile liegen auf der Hand: weniger Papierkram; keine vergessenen Zettel; wer fehlt, bekommt die Arbeitsmaterialien trotzdem über den schuleigenen Server. Das Tablet ersetzt sowohl den Taschenrechner als auch das Wörterbuch. „Wir begreifen es einfach als Handwerkszeug, das mir erlaubt, Aufgaben effizienter zu erledigen“, sagt Windmann. Wissenschaftliches Arbeiten und der sorgfältige Umgang mit Quellen sind in diesem Zusammenhang natürlich auch ein Thema. Letztlich sei der digitalisierte Unterricht auch für die Lehrkräfte eine neue Situation, schließlich könnten die Schüler nun alle Inhalte unmittelbar überprüfen. Um reibungsloses Arbeiten mit den neuen Geräten zu ermöglichen, wurde auch die Infrastruktur aufgerüstet. Gigabit-Leitungen gewährleisten, dass alle 300 Schüler gleichzeitig in dem Schulnetzwerk arbeiten können. Falls es mal technische Probleme gibt, hält die BBS auch Ersatzgeräte bereit. „Das kommt aber erstaunlich selten vor“, berichtet Lehrer und Bereichsleiter Rainer Müller aus dem Unterricht mit seinen Schülern.