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Insolvenz- statt Donauwelle?

Landkreis Osterholz/Rotenburg (Wümme). Bei den bisherigen Entlastungen fallen Handwerksbäckereien aus dem Raster. Die Branche sieht sich zusätzlich durch gestiegene Personal- und Materialkosten unter Druck gesetzt.
Nicht die Heizung, sondern der Ofen verursacht die meisten Energiekosten in einer Handwerksbäckerei. Entlastungen gab es bisher nicht.

Nicht die Heizung, sondern der Ofen verursacht die meisten Energiekosten in einer Handwerksbäckerei. Entlastungen gab es bisher nicht.

Der Zentralverband fordert einen Rettungsschirm für Handwerksbäckereien. Viele Unternehmen seien aktuell durch Verteuerungen in Schwierigkeiten, die Bäckereien treffe es dabei besonders hart. In den drei größten Kostenbereichen sei es zeitgleich zu enormen Preissteigerungen gekommen: Die Anhebung des Mindestlohns führe teilweise zu Personalkostensteigerungen von über 20 Prozent. Mehl und andere Rohstoffe seien in den letzten Monaten um bis zu 80 Prozent teurer geworden. Obendrauf kommen die gestiegenen Energiekosten. Handwerksbäckereien arbeiteten hauptsächlich mit Gasöfen, hier sei eine Verdreifachung – im schlimmsten Fall eine Verzehnfachung – der Preise zu erwarten. Beim Strompreis rechnet der Zentralverband mit einer Verdoppelung bis Verdreifachung. Die Gasumlage verschärfe die Situation zusätzlich.
 
Mehlpreis hat sich verdoppelt
 
Die Bäckereien vor Ort kennen diese Sorgen nur zu gut. Wolfgang Rohde, Inhaber der gleichnamigen Landbäckerei mit Standorten in Gnarrenburg, Beverstedt, Bremervörde und Selsingen, liefert konkrete Zahlen: „Vor der Krise habe ich für 100 Kilo Mehl 28 Euro gezahlt. Vor einem halben Jahr habe ich einen Vertrag mit einem Preis von 56 Euro unterschrieben. Nächstes Jahr soll ich 68 Euro zahlen!“ Noch dramatischer sei der Strompreis gestiegen. Rohde zahlt im Vergleich zu vor der Krise demnächst das Fünffache für eine Kilowattstunde, sagt er.
Andreas Rolf-Pissarczyk ist Geschäftsführer der Bäckerei Rolf, die im Landkreis Osterholz und in Bremen rund 350 Mitarbeiter:innen beschäftigt. Gestiegene Personalkosten sind für ihn ebenso ein Thema wie die Energiekosten. Beim Strom habe er noch Glück gehabt und frühzeitig einen neuen Vertrag unterschrieben, erzählt Rolf-Pissarczyk. Trotzdem zahlt er jetzt das Vierfache. Auch die Miete für viele Filialen sei erhöht worden, berichtet er.
 
Kein Spielraum für Preiserhöhungen
 
Bereits im September seien tausende Betriebe und Arbeitsplätze gefährdet, warnt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks und fordert schnelle und unbürokratische Hilfen. Denn Spielraum für Preiserhöhungen, um die gestiegenen Kosten an die Kundinnen weiterzugeben, gebe es für Handwerksbäckereien im Konkurrenzkampf mit der Industrie nicht. Wolfgang Rohde kann das bestätigen: „Wir haben vor drei Monaten eine Preiserhöhung gemacht. Wenn wir im Oktober noch eine machen sollen, brechen uns die Kunden weg.“ Kredite seien in dieser Krise ebenfalls keine Option, heißt es vom Zentralverband. Die Kostenlast verschiebe sich damit nur in die Zukunft, außerdem gebe es bei Lebensmitteln keinen Nachholeffekt. Das Brot, das in der Krise nicht gekauft wurde, wird hinterher nicht doppelt gekauft.
 
Öfen verursachen die höchsten Kosten
 
Bei den bisherigen Entlastungen für Betriebe sind die Handwerksbäckereien aus dem Raster gefallen. Vom Energiekostendämpfungsprogramm konnten Bäcker:innen nicht profitieren, weil ihre Branche nicht auf der Liste der Klima-, Umwelt- und Energiehilferichtlinien (KUEBLL-Liste) zu finden ist. Viel geholfen hätte es vermutlich ohnehin nicht: Förderfähig waren lediglich Heizkosten in energieintensiven Industrien. In den Bäckereien sind jedoch die Öfen der größere Kostenfaktor.
Der Zentralverband fordert eine spürbare Entlastung für die Branche und nennt etwa eine Deckelung des Strompreises oder Ausnahmen von der Gasumlage und der CO2-Abgabe als geeignete Mittel. Zur Finanzierung müsse die Schuldenbremse ausgesetzt werden, meint der Spitzenverband. Strom und Gas müssten vergünstigt werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, solle auch eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken nicht ausgeschlossen werden, so der Verband.
Die Bäckereibetriebe in Norddeutschland haben am Donnerstag mit einer gemeinsamen Aktion auf ihre Situation aufmerksam gemacht. In vielen Filialen blieb das Licht aus. Das Motto: „Heute das Licht und morgen der Ofen?“ Die Bäckereien Rolf und Rohde haben sich daran beteiligt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck empfahl unterdessen den Bäckerinnen, sie könnten ja auch ihre wirtschaftliche Tätigkeit einstellen und später vielleicht die Brötchenproduktion wieder aufnehmen, wenn die Zeiten besser sind um eine Insolvenzwelle zu verhindern. Dafür weht über ihn derzeit ein Shitstorm hinweg.


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