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Eva Kairies

Auslandseinsatz im Irak - Oberstleutnant berichtet von Clans und Ehrgefühl

Osterholz-Scharmbeck. Die Europa-Union Kreisverband Osterholz e.V. veranstaltete einen Vortrag Oberstleutnant Jörg Struckmeier. Der berichtete in einem Bildervortrag von seinem Einsatz im Irak und den - auch kulturell bedingten - Schwierigkeiten vor Ort.
Teilweise erschütternde Erfahrungen machte Oberstleutnant Jörg Struckmeier (links) im Irak. Neben ihm der Vorsitzende der Europa-Union Marcus Oberstedt  Foto: ek

Teilweise erschütternde Erfahrungen machte Oberstleutnant Jörg Struckmeier (links) im Irak. Neben ihm der Vorsitzende der Europa-Union Marcus Oberstedt Foto: ek

Seit 2010 lebt Oberstleutnant Struckmeier in Osterholz-Scharmbeck, der Garnisonsstadt der Logistikschule der Bundeswehr. Im Sommer 2018 erreichte die Schule der Befehl, ein logistisches Ausbildungsteam zu stellen. „Darauf meldete sich kein Logistiker. Also wurde ich als Pionier dorthin befohlen, um mit Kollegen das MTTLog, also das Military Training Team Logistics zu bilden, für einen Schuleinsatz in Bagdad.“
Akribische Vorbereitung
Die von der Bundeswehr bereitgestellte Literatur habe er akribisch durchgearbeitet, um sich bestmöglich auf Land und Leute, auf die Geschichte, Religion und die Ethnien Iraks und Kurdistans vorzubereiten. Sogar zu einer „sehr sehr netten“ irakischen Familie, die in Osterholz-Scharmbeck wohnt, knüpfte Struckmeier im Vorfeld Kontakt und lernte, dass im Irak-Kurdistan keine homogene Staatsform vorzufinden sei. Dort herrschen eher einzelne Clans und die Ehre spiele eine größere Rolle als das Gesetz.
Das Camp Taji
Die Umsetzung des sehr gut vorbereiteten Lehreinsatzes wäre aber schon beim Eintreffen seines MTTLogs torpediert worden: „Wir sind als Team nicht geschlossen in den Einsatz gefahren, sondern mit der zeitlichen Differenz von zwei Monaten.“ Struckmeier erreichte im Januar letzten Jahres das Camp Taji, das 2003 von den US-Amerikanern eingerichtet wurde. „Es ist kein schönes Lager, mit merkwürdiger Sandlehmstraße.“ Hier sollten vier Monate lang kriegserfahrene irakische Soldaten logistisch ausgebildet werden. „Die Kompetenz, die wir mitbrachten, wurde von der arabischen Seite nicht so genutzt“, wie der deutsche Oberstleutnant es loyal auszudrücken versuchte. Kritik der Befehlshabenden an den Lehrgangsteilnehmern, die bei der uneinheitlichen Uniform begann, perlte ab, berichtete Struckmeier. Die Frage, ob sich die Investition der Bundeswehr von 250.000 US-Dollar, die dieser Lehrgang monatlich für die Nutzung der amerikanischen Base kostete, lohnte, beantwortete Struckmeier so: „Der vierwöchige Lehrgang, also 16 Tage à fünf Stunden wurde so nicht genutzt. Effektiv unterrichteten wir vielleicht 2,5 Stunden.“ Es gebe in der arabischen Welt eben sehr viel mehr Feiertage. „Doch es hat ihnen Spaß gemacht“, ergab eine Evaluation.
Sexismus und Antisemitismus
Erschüttert habe ihn der Umgang des irakischen Kommandeurs mit den europäischen Soldatinnen: „Grenzwertig“, urteilte er. Und die direkten antisemitischen Äußerungen des irakischen Kommandeurs habe Struckmeier „alles aus dem Gesicht fallen lassen“. Eine weitere Erfahrung machte Struckmeier mit den Give-Aways wie Aufkleber, Fahnen oder Stiften: „Damit konnte man Politik machen.“ Doch mehr als das Camp Taji hatte er dort nicht sehen können. Das Verlassen war nicht gestattet. „Mein Team unterrichtete weiter, ich dagegen wurde abberufen nach Erbil, Kurdistan, um dort das von Deutschland finanzierte Peschmerga-Hospital zu übergeben.“ Die Peschmerga sind die Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistans. Sie haben u.a. gegen den IS gekämpft. In Erbil konnte Struckmeier endlich mehr von Land und Leuten sehen. „Dort war es sicherer als in Frankfurt um halb elf nachts.“
Das Peschmerga-Krankenhaus
Die Faszination für das Zweistromland, der Wiege der Menschheit, litt ein wenig unter dem Eindruck des Militärhospitals, das mindestens 30 Kilometer draußen im Nichts läge, „gebaut von den Deutschen auf dem Gebiet des millionenschweren Bazrani-Clans.“ Nur deren Häuser seien in Sichtweite gewesen. Es könnte einen der Verdacht beschleichen, dieses 5-Millionen-Dollar-Hospital sei nach rund anderthalb Jahren Bauzeit mehr das Privatkrankenhaus für die Clan-Funktionäre - „keine Peschmerga weit und breit“, so Struckmeier.
Die gänzlich andere Mentalität der Menschen machte Struckmeiers Auslandseinsatz zu einem echten Abenteuer, an das er gern im März dieses Jahres anschließen möchte. „Ich werde eine Dienstaufsicht nach Jordanien begleiten und vier Tage in Irakisch-Kurdistan vor Ort sein.“


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