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Patrick Viol

Gregor Gysi in Garlstedt: Kapitalismus kann keinen Frieden

Garlstedt. Die Weltordnung stehe vor ihrem Verfall, stellte die Bundeskanzlerin auf der Münchener Sicherheitskonferenz fest. In der Lucius D. Clay Kaserne erklärt Gregor Gysi, warum das so sei, und dass Nationalismus und Aufrüstung keine Lösungen für die Probleme darstellten. Fast 700 Menschen hören ihm zu.

Der Feind im eigenen Land
 
Obwohl es um das geopolitische Thema: „Die Weltordnung in Scherben?“ gehen sollte, beginnt Gysi seinen Vortrag mit der Analyse der Gründe, warum Menschen in Deutschland die AfD wählen. Im Publikum herrscht Verwunderung, bei manchen Ungeduld. Doch schnell wird klar: Gysi begreift die AfD, das Aufbranden nationalistischer, rassistischer Bewegungen als ein Symptom der weltpolitischen Lage. Er beginnt somit seine Analyse der Weltpolitik - frei nach Karl Liebknecht, dem sozialistischen Antimilitaristen und Weggefährten von Rosa Luxemburg - mit dem Feind im eigenen Land.
Während Liebknecht in seiner 1915 gegen den Weltkrieg verfassten Flugschrift den deutschen Imperialismus angreift, geht es Gysi um den nationalen Egoismus als eine falsche Reaktion auf den globalisierten Neoliberalismus. Eine „Gegenreformation“, wie Gysi sie nennt, die gleichwohl die Grundlage des Neoliberalismus, den Kapitalismus, unangetastet lässt, dafür aber mit einer allgemeinen Aufrüstung und Rassismus einhergehe.
 
Weltumspannende Konzerne
 
Die Welt sei nicht nur durch die Digitalisierung, sondern vor allem durch international agierende Konzerne und den keine Nationalschranken mehr kennenden Finanzmarkt zusammengewachsen. Für Gysi besteht das Problem hierbei darin, dass der ökonomischen Weltmacht der Konzerne keine handlungsfähige politische Weltmacht gegenüberstehe, die sie im Sinne der der Bedürfnisse der Menschen reguliere. Gysi bringt es wie folgt auf den Punkt: „Es gibt nur noch global zu bearbeitende Probleme. Doch die maßgeblichen politischen und ökonomischen Machtzentren dieser Welt lehnen globale Lösungen ab, ja zum Teil sogar eine globale Verständigung über diese Probleme.“
 
Nationaler Egoismus
 
Die Macht von Wirtschaftsbossen sei größer als die von Regierungen. Aber anstatt den „Primat der Politik“ zurückzuerobern, „fehlt der Politik der Mut zum wirklichen Handeln“. Sie setzte stattdessen in vielen Ländern auf nationalen Egoismus, das heißt Gysi zufolge zum Beispiel, das eigene Land durch Steuersenkungen für Konzerne attraktiv zu machen. Und ihre Bevölkerung mit nationalistischer Ideologie bei Laune zu halten. Die erzeuge aber stets Hass auf andere. Anstatt also global zu regulieren, werde national versucht, „die Früchte von Konzernen abzugreifen.“ Eine kurzfristige Lösung, zu einem hohen Preis, so der Abgeordnete.
 
Die Zeche bezahlt der Mittelstand
 
Zu bezahlen habe ihn der Mittelstand. Vor allem er würde vom Steuerverzicht getroffen und müsse „letztlich die Gesellschaft finanzieren“, so Gysi. Das schüre Wut aber eben auch dauerhafte Verunsicherung. Die nutze letztlich die AfD aus. Sie versuche, die Menschen durch Antworten auf die soziale Frage an sich zu binden. Doch ihre Antworten verblieben in nationaler Ideologie.
Die soziale Frage aber sei eine, die heute nur noch aus der Perspektive der Menschheit richtig beantwortet werden kann, so Gysi. Ganz konkret heißt das für ihn: „Abschaffung der Armut und wirkliche Gleichstellung der Geschlechter“, und zwar weltweit. Beides reduziere zudem die vermeintliche Notwendigkeit von Aufrüstung, da sie terroristischen und nationalistischen Bewegungen die Grundlage ihrer Mobilisierung nähme. Der Versuch, Konflikte militärisch zu lösen, so zeige ein Blick in den Nahen Osten, mache sie meist nur schlimmer. Gysi verweist auf Afghanistan und Lybien zeigt.
 
Kapitalismus verändern
 
Seine Lösungen, so Gysi, ließen sich nicht im heutigen Kapitalismus umsetzen. Kapitalismus bringe zwar eine effiziente Wirtschaft, eine effektive Wissenschaft und eine liberale Kultur hervor, aber Frieden - sozialen wie politischen - den könne Kapitalismus einfach nicht. Nicht nur konzentriere er von sich aus Reichtum in den Händen weniger, auch verdiene er am Krieg viel zu gut. - Das kritisierte auch schon Karl Liebknecht. Frieden war für ihn nur im Sozialismus möglich. Für Gysi sei es der demokratische Sozialismus.
Solange man aber keine radikale Änderung des Kapitalismus vornehmen kann oder möchte, so könne man zumindest anfangen, die öffentliche Daseinsfürsorge politisch zu regulieren und dafür zu sorgen, dass man zumindest seine Mieten bezahlen kann, so Gysi realistisch.
Das Publikum - zivil wie uniformiert - konnte auf Gysis Ausführungen nur mit begeistertem und lang anhaltendem Klatschen reagieren.


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