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Monika Hahn

Gemeinsam sprechen statt Grübeln

Interviewreihe zu Psyche, Gesellschaft und Krise - Teil IV: Wo bekomme ich Hilfe.

Monika Hahn hat ein Interview mit dem Psychologen Klaus Henner Spierling und dem Sozialpädagogen und Sozialarbeiter Andreas von Glahn geführt.

Monika Hahn hat ein Interview mit dem Psychologen Klaus Henner Spierling und dem Sozialpädagogen und Sozialarbeiter Andreas von Glahn geführt.

Das Thema psychische Gesundheit erfährt aktuell viel Öffentlichkeit - die Europäische Union hat 2023 zum Jahr der psychischen Gesundheit erklärt. Also genau das Jahr, indem sich die Gesellschaft in einer tiefen Krise befindet und psychische Erkrankungen vermehrt registriert werden. Zum Zusammenhang von Psyche und krisenhafter Gesellschaft hat Monika Hahn ein Interview mit dem Psychologen Klaus Henner Spierling und dem Sozialpädagogen und Sozialarbeiter Andreas von Glahn geführt, das wir in mehreren Teilen abdrucken. Im letzten vierten Teil geht es um die therapeutische Versorgung und Soforthilfe.

 

 

Warum ist es so schwer, einen Therapieplatz zu bekommen? Fachkräftemangel oder Finanzierungsprobleme?

 

Spierling: Beides ist teilweise richtig, wobei die Finanzierungsprobleme nicht losgelöst von der Frage der Zugangssteuerung und der Art der Angebote zu trennen ist. Stichwort: Prävention lohnt. Wie lassen sich die vorhandenen Mittel optimal einsetzen? Niederschwellig angeordnete Beratungsstellen können in präventive Angebote vermitteln und so wichtige Funktionen übernehmen.

Darüber hinaus spüren wir deutlich den Fachkräftemangel in den Kliniken wie teilweise auch in der ambulanten Versorgung.

 

Von Glahn: Dennoch habe ich tagtäglich mit vielen Menschen zu tun, die dringend therapeutische Hilfe benötigen und auf einen Therapieplatz warten. Häufig sind das wenig mobile Menschen, denen es aus verschiedenen Gründen schwerfällt, Zugang zu therapeutischer Versorgung zu bekommen, weil sie die Orte nicht erreichen oder ihnen die Kraft und Ausdauer fehlt, lautstark um einen Platz zu bitten. Das erleben wir überall im sozialen Bereich. Die Schwächsten erreichen wir nicht.

 

Wie kann ich herausfinden, ob ich selbst Hilfe in Anspruch nehmen sollte?

 

Spierling: Dazu empfehle ich das Gespräch mit den Hausärzten. Ob es sich einfach um ein Stimmungstief oder Anzeichen einer Erkrankung handelt, lässt sich am besten im gemeinsamen Gespräch klären. Wichtig ist dabei auch die Dauer der Probleme und der damit verbundene Leidensdruck. Zu klären ist, ob es eher eine Reaktion auf vorübergehende äußere hohe Belastungen ist und ob ich auf diese selbst einwirken kann? Das gemeinsame Gespräch hilft hier mehr als eigenes Grübeln.

 

Von Glahn: An dieser Stelle möchte ich eine Lanze für die Hausärzte brechen. Zwar arbeiten sie unter extremen Zeitdruck, aber das sind diejenigen, die die Menschen täglich sehen, und langjährige Patienten einschätzen können. Die Hausärzte sind Fachärzte der Allgemeinmedizin und Experten aus Erfahrung. Sie sind die erste Adresse, wenn es darum geht einzuschätzen, ob weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen ergriffen werden müssen und sind dabei immer konfrontiert mit einer Erwartungshaltung seitens der Patienten.

 

Wo finde ich Hilfe?

 

Spierling: Auf der Internetseite des Bündnisses gegen Depression finden sich Kontaktadressen und lokale Anlaufstellen, die jeweils aktuell gehalten werden (https://buendnis-row.de/), ebenso auf der Website unseres Projektes Kidstime für Familien mit psychisch erkrankten Elternteilen, das aktuell eine Bundesförderung erhält (www.kidstime-netzwerk.de). Grundsätzlich kann der Sozialpsychiatrische Dienst des Landkreises eine gute Anlaufstelle in Krisensituationen zur Initiierung weiterer Hilfen sein, bei Kindern und Jugendlichen Angebote des Jugendamtes.

 

Was halten Sie von unterstützenden Onlineangeboten?

 

Spierling: Man muss sicherlich jede Initiative und jedes Onlinetool einzeln beurteilen - dabei gibt es gute Beispiele wie ifightdepression (https://ifightdepression.com) von der Deutschen Depressionshilfe. Grundsätzlich stehe ich solchen begleitenden Programmen positiv gegenüber - solange diese seriös gestaltet sind und keine Therapie ersetzen sollen. Der persönliche Kontakt aber ist durch nichts zu ersetzen. In ihrer größten Not greifen die Menschen zum Telefon, um mit jemandem zu sprechen.

 

Was kann ich vielleicht als kleinen Beruhigungssatz oder Stimmungsaufheller als Soforthilfe verinnerlichen?

 

Spierling: Als kleine Hilfe empfehle ich gerne Bewegung. Sport und körperliche Aktivität hilft oft unmittelbar stimmungsaufhellend. Ansonsten ist auch diese Frage letztlich sehr individuell. Ich empfehle gerne Achtsamkeit und Selbstbeobachtung gerade in den guten Phasen, um vielleicht - ähnlich wie der Mäuserich Frederick in der Geschichte im Sommer Sonnenstrahlen und Farben für den Winter sammelt. Wenn wir uns daran ein Beispiel nehmen, dann können wir alle ein paar nützliche Impulse, Ideen und vielleicht auch ein nachsichtiges Lächeln sammeln, wenn wir es am meisten brauchen.

 


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