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Benjamin Moldenhauer

Funktionierendes Atmosphärenkino

Woher nimmt „Roter Himmel“ seine Leichtigkeit? Benajmin Moldenhauer hat den neuesten Film von Christian Petzold gesehen.

Regisseur Christian Petzold konnte mit „Roter Himmel“ viele Kritiker:innen überzeugen.

Regisseur Christian Petzold konnte mit „Roter Himmel“ viele Kritiker:innen überzeugen.

Das deutsche Kino tut sich immer wieder schwer mit Gefühlsausdrücken. Wie es generell mit dem Genrekinol so seine Probleme hat. Christian Petzold hat mit seinem Film „Roter Himmel“ in diesem Jahr dann allerdings einen wirklichen Emotionsbolzen in die Kinolandschaft gestellt. Ein Film, der zwischen den Registern wechselt, als wäre es nichts: vom Buddy-Movie zur Sommerromanze, zur Komödie und zum Melodram und wieder zurück.

Auf der Plotebene passiert eigentlich wenig: Die zwei Freunde Leon (Thomas Schubert) und Felix (Langston Uibel) fahren ins Sommerhaus an der Ostsee. Leon will das Manuskript seines zweiten Romans überarbeiten, Felix einfach Ferien machen. Es gibt noch einen unverhofften Gast, Nadja (Paula Beer), und ihren Liebhaber Devid (Enno Trebs). Leon ist genervt und unter Stress, ein Verlegerbesuch kündigt sich an. Schlafen kann auch niemand, die einen nicht, weil sie Sex haben, die anderen, weil sie durch die Wände zuhören müssen. Felix beginnt, sich für Devid zu interessieren, und das Verhältnis zwischen Leon und Nadja bleibt bis kurz vor Filmende ungeklärt. Man hätte aus dieser Ausgangslage ein drückendes Beziehungsdrama machen können. Zumal das Ferienhaus zunehmend von Waldbränden eingeschlossen wird, langsam und unbemerkt, während der Druck innerhalb des disparaten Quartetts mehr und mehr steigt. Christian Petzold, der auch das Drehbuch geschrieben hat, gelingt es allerdings, seine Bilder und die Dialoge so zu gestalten, dass bis zum dann allerdings schrecklichen Ende eine schwebende sommerliche Leichtigkeit alles durchzieht.

Diese Leichtigkeit transportiert sich über die Bilder. „Roter Himmel“ ist einer der eher raren deutschen Filme der Nachkriegszeit, die als Atmosphärenkino funktionieren.Mit Bildern brütender Hitze und Sommerfrischearchitektur. Regulärerweise sind die Kulissen in deutschen Filmen nicht viel mehr als das, Kulissen, durch die dann die Figuren schreiten und Sätze aufsagen. Oft in einem eher aus dem Theater kommenden Duktus, was wiederum mit der Schauspielschulentradition in diesem Land zu tun hat. Niemand kann wirklich nuscheln.

Die Gefühls- und Stimmungsregister in „Roter Himmel“ wechseln immer wieder, wie gesagt, ohne dass man es als Bruch erleben und oftmals in derselben Szene. Von schlimmem Fremdschämen hin zum Drama, von schreiend komischen Momenten zu tiefer Trauer. „Roter Himmel“ entzieht sich einer eindeutigen Genre-Architektur, indem er mit einer großen Selbstverständlichkeit, Genreversatzstücke nimmt, um sie dann so umzubauen, wie der Film es eben braucht. Auf seinen Wegen erzählt „Roter Himmel“ mittels einer sehr speziellen Figurenkonstellation sehr Grundlegendes: über die Liebe, über kreative Prozesse, über Queerness, über Krankheit und am Ende dann über den Tod.

„Roter Himmel“ läuft am 18. Juli im Filmpalast Schwanewede.


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