Lena Stehr

Der Kampf ums Wasser

Zuwenig Regen, Grundwasser sinkt, Gärten verbrennen, Wälder leiden und Großunternehmen schlagen zu - der Klimawandel schürt Konflikte ums Trinkwasser.

Der Klimawandel schürt Konflikte ums Trinkwasser

Der Klimawandel schürt Konflikte ums Trinkwasser

Bild: Freepik

Weil es zu wenig regnet, sinken die Grundwasserstände. Und während Wasserversorger deshalb für einen sparsamen Umgang mit Trinkwasser appellieren und die Bundesregierung eine Nationale Wasserstrategie beschlossen hat, macht mancher Großkonzern ein Geschäft mit der Ressource schlechthin.

20 Milliarden Kubikmeter Wasser wurden laut Umweltbundesamt im Jahr 2019 in Deutschland verbraucht. Davon fallen 44,2 Prozent auf den Energiesektor. Bergbau und verarbeitendes Gewerbe entnahmen zusammen 26,8 Prozent - genauso viel die öffentliche Wasserversorgung. 2,2 Prozent wurden für die Beregnung landwirtschaftlicher Flächen genutzt.

Dass der „Hahn immer voll ist“ und jederzeit sauberes und günstiges Trinkwasser zur Verfügung steht, ist für viele selbstverständlich. Doch der Klimawandel führt unter anderem dazu, dass es auch in der Elbe-Weser-Region zu wenig regnet und dass die Grundwasserstände (fast drei Viertel unseres Trinkwassers stammen aus dem Grundwasser) dadurch sinken.

 

Lage in der Natur ist angespannt

 

So seien nach einem überdurchschnittlich feuchten Frühjahr die letzten größeren Niederschläge im Raum Rotenburg (Wümme) am 22. Mai gemessen worden, im Landkreis Osterholz am 5. Mai, sagt Bettina S. Dörr vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Im Mai fehlten somit bereits im Schnitt 35 l/m², üblich seien monatliche Mengen von 50 – 60 l/m². Im Juni fiel bisher kein einziger Tropfen, der normale Durchschnitt beträgt um die 70 l/m². Die Lage in der Natur - insbesondere auch die Situation an kleinen Bächen - sei angespannt, zumal mit ausreichenden Niederschlägen in nächster Zeit nicht zu rechnen sei, so Dörr. Auswirkungen einer länger andauernden Dürreperiode würden sich aber erst im Spätsommer/Herbst zeigen.

Auch in Bezug auf das Grundwasser würden sich die Auswirkungen einer veränderten klimatischen Wasserbilanz mit einer gewissen Verzögerung zeigen, sodass Extremwerte der Grundwasserstände derzeit lediglich vereinzelt zu verzeichnen seien.

 

Appell zum sparsamen Umgang mit Trinkwasser

 

Und auch wenn das NLWKN aktuell keine negativen Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung feststelle und die Landkreise Rotenburg und Osterholz bisher die Wassernutzung nicht beschränken müssen, appellieren die Wasserversorger in der Region und auch der Landkreis Osterholz für einen sparsamen und nachhaltigen Umgang mit dem Trink­wasser, um damit eventuel­len Engpässen vorzubeugen. Bei lang anhaltender Trockenheit und Hitze könne es, insbesondere in den Nachmittags- und frühen Abendstunden, zu Engpässen und Druckschwankungen bzw. Druckreduzierungen in der Wasserversorgung kommen. Auf die Beregnung von Rasen in Gärten und auf Spiel- und Sportplätzen sollte verzichtet werden. Hier verbrauche ein üblicher Rasensprenger bis zu 800 Liter Wasser pro Stunde. Der durchschnittliche Verbrauch pro Person liege bei rund 127 Liter Trinkwasser pro Tag.

Zudem sollten Gartenbesitzer:innen Regentonnen nutzen und prüfen, ob Platz für eine Regenwasserzisterne vorhanden ist. Der Rasen sollte nicht zu kurz gemäht werden und vor der Befüllung eines Pools sollte man sich die Frage stellen, ob dieser enorme Wasserverbrauch notwendig sei oder der Besuch im Freibad und Badesee nicht sogar mehr Spaß machen könne.

 

Förster in Sorge

 

Arne Riedel, Leiter des Forstamtes Harsefeld, der für rund 11.500 Hektar Landeswald im Elbe-Weser-Dreieck verantwortlich ist, zeigt sich besorgt angesichts der anhaltenden Trockenheit. Die Kulturen mit den neu gepflanzten Bäumen würden momentan nach Wasser lechzen. Und selbst wenn es in einer Woche Regen gebe, werde vermutlich ein Teil der Pflanzen ausfallen. Viele Eichen leiden zudem am Fraß von unterschiedlichsten Schmetterlingsraupen, die sich bei den Temperaturen sehr wohl fühlen, so Riedel. Außerdem seien die Eichen schon geschwächt durch die Trockenheit der letzten Jahren. Auch hier sei mit Ausfällen zu rechnen. „Sollten wir im Sommer aber ausreichend Niederschläge bekommen, kann sich die Situation bei allen Baumarten wieder entspannen“, sagt der Forstamtsleiter.

Welche Auswirkungen die Trockenheit auf Flora, Fauna, Gewässer und Böden in der Wümmeregion hat, wird Thema beim Wümmetag am 22. Juni sein. Unter dem Titel „Praxisbeispiel Wümme - Wassermanagement in Zeiten der Wetterextreme“ wollen die Stiftung NordWest Natur, der Unterhaltungsverband Untere Wümme und das NLWKN mit Fachleuten und Interessierten in Fischerhude diskutieren.

 

Nationale Wasserstrategie

 

Auch die Bundesregierung hat sich das Thema Wasser auf die Fahnen geschrieben und will mit einer im März beschlossenen Nationalen Wasserstrategie die Trinkwasserversorgung in Deutschland gewährleisten und das Grundwasser schützen.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die den Entwurf vorgelegt hatte, wolle dafür sorgen, dass „auch in Zukunft jederzeit für jeden Bürger bezahlbares, sauberes Wasser aus dem Hahn“ komme. Konkret beinhaltet die Nationale Wasserstrategie ein Aktionsprogramm mit rund 80 Maßnahmen um das Wassermanagement moderner zu gestalten. Unter anderem soll mit Verbundnetzen und Fernleitungen Wasser aus nassen Regionen Deutschlands in trockene Gegenden gebracht werden.

Außerdem soll es einen Paradigmenwechsel bei der Stadtentwicklung geben. Mit mehr Grün und weniger versiegelten Flächen sollen Städte demnach so gestaltet werden, dass mehr Wasser gespeichert werden kann.

 

Wasserversorgung wichtiger als ökonomische Interessen

 

Kritik an der Wasserstrategie kommt von der Bürgerbewegung Campact e. V. mit Sitz in Verden/Aller. Die Strategie sei im Vergleich zum Ursprungsentwurf regelrecht entkernt – auch durch Lobbyarbeit der Industrie. So sei etwa nicht mehr die Rede davon, dass nur so viel Grundwasser entnommen werden dürfe, wie natürlich neu gebildet werden könne.

In vorherigen Entwürfen sei zudem klar der Vorrang für die Trinkwasserversorgung definiert worden. In dem neuen Papier stehe nun die Ergänzung, dass auch die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln dauerhaft sichergestellt werden solle. Darunter fallen auch Getränkehersteller. Campact weist in diesem Zusammenhang unter anderem darauf hin, dass Aldi Nord, Red Bull und der Fruchtsafthersteller Rauch kürzlich mehrere Mineralwasserbrunnen in Bayern, Hessen und Brandenburg gekauft haben - auch in Regionen, in denen der Grundwasserspiegel seit Jahren sinke. Campact befürchtet ähnliche Zustände wie in den französischen Kleinstädten Vittel und Volvic, wo Nestlé und Danone seit Jahren Wasser abpumpen und es für die Menschen nicht mehr ausreichend Wasser gebe.

Eine nachhaltige Wasserstrategie müsse sicherstellen, dass die öffentliche Versorgung von Haushalten mit Trinkwasser Vorrang habe, betont die Bürgerbewegung. Es brauche gesetzliche Regeln, die garantieren, dass Unternehmen den Menschen nicht das Trinkwasser wegkaufen.

Welche Konflikte uns im Kampf ums Wasser, die „Ressource Nummer 1“ laut Umweltforscher Dr. Carsten Rinke, noch bevorstehen, bleibt abzuwarten. Hoffen sollte man aber, dass der amerikanische Autor T.C. Boyle unrecht hat. Er beschreibt in seinem neuen Roman „Blue Skies“, wie die Klimakatastrophe zum Ende unserer Zivilisation führt und meint: „Wir sind als Spezies erledigt.“


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