Luisa Mersmann

Anstoß für Gerechtigkeit

Die Fußball-Europameisterschaft der Frauen ist angepfiffen – doch während das Spiel auf dem Platz an Tempo und Strahlkraft gewinnt, steht die Gleichberechtigung weiterhin im Abseits.

Wenn bei der Fußball-Europameisterschaft auf dem Platz der Anpfiff ertönt, geht es längst nicht mehr nur um Frauen, die sich mal in einem „Männersport“ ausprobieren wollen. Der Frauenfußball ist mittlerweile ein internationales Großereignis. Der Weg dorthin war jedoch ein jahrzehntelanger Kampf gegen Vorurteile, Verbote und mangelnde Förderung.

Verbote und Vorurteile

Fußball und Frauen - das passt einfach nicht zusammen. So war zumindest jahrelang der Gedanke vieler Menschen und auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) teilte diese Meinung. Im Jahr 1955 wurde den Frauen offiziell verboten Fußball zu spielen. Trainingsverbote und abwertende Berichterstattung waren die Folge. In einem Jahrbuch der DFB aus dem Jahr 1955 hieß es: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“

Doch die Frauen ließen sich nicht aufhalten und kämpften für ihr Recht, Fußball zu spielen. In kleinen Vereinen, auf Wiesen oder Hinterhöfen trainierten sie heimlich. Erste inoffizielle Mannschaften gründeten sich. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung waren Ende der 1960er Jahre rund 60.000 Frauen und Mädchen aktiv im Fußball tätig.

Der Druck auf den DFB wuchs und auch die Befürchtung, dass die Frauen einen eigenen Fußball-Verband gründen würden, stand im Raum. So beschloss der DFB 1970, das Verbot aufzuheben. Doch von einer Gleichberechtigung waren die Frauen noch immer weit entfernt. Ein absurdes Regelwerk des DFB machte es ihnen nicht gerade leichter. So durften sie beispielsweise keine Stollenschuhe tragen und die Spielzeit wurde auf zwei Mal 30 Minuten begrenzt, da Sportmediziner noch immer davon ausgingen, Frauen würde keine 90 Minuten durchhalten.

Der schwere Weg zur Anerkennung

Die erste Deutsche Frauenfußball-Meisterschaft fand im Jahr 1974 statt. Am Ende gewann die TuS Wörrstadt den ersten Meistertitel der Frauen. Ein weiterer Durchbruch war, dass das 3:0 von Bärbel Wohlleben in der Sportschau als „Tor des Monats“ ausgezeichnet wurde und somit Geschichte schrieb.

Im Jahr 1989 qualifizierten sich die deutschen Frauen erstmals zur Europameisterschaft und holten prompt den Titel. Der Gewinn: ein Kaffeeservice der Marke „Villeroy & Boch“ für jede Spielerin. Zum Vergleich - die Männer erhielten bei ihrem EM-Sieg 1980 eine Siegprämie von jeweils 25.000 DM und zusätzlich einen Juweliergutschein im Wert von 2.500 DM.

Trotz dieses Unterschiedes kämpften sich die Spielerinnen Schritt für Schritt ins Rampenlicht. Im Jahr 2003 holten sich die DFB-Frauen den ersten Weltmeistertitel, 2007 folgte der zweite WM-Sieg. Die mediale Aufmerksamkeit wuchs stetig an.

Steigende Begeisterung

Heutzutage spielen in Deutschland über eine Million Frauen und Mädchen Fußball - so viele wie nie zuvor. Viele Vereine fördern den Nachwuchs, die Mädchenmannschaften wachsen und auch die Medien schenken dem Frauenfußball immer mehr Beachtung. Einige Top-Vereine wie der VfL Wolfsburg und der FC Bayern München investieren gezielt in ihre Frauenteams.

Doch trotz aller Erfolge ist die Gleichstellung noch nicht erreicht. Die Unterschiede in Gehalt, Infrastruktur und medialer Präsenz zwischen Frauen- und Männerfußball sind weiterhin gravierend. Doch nicht nur, dass der Frauenfußball nicht die angemessene Aufmerksamkeit bekommt, die er eigentlich verdient hat. Aufmerksamkeit bekommt der Sport noch immer durch Hasskommentare und Witzeleien im Internet.

Ein Vergleich ist nicht notwendig

Bei jedem größeren Fußball-Event der Frauen beginnt der Vergleich mit dem Männerfußball von vorn. Aber sollte man Frauenfußball überhaupt mit dem männlichen Pendant vergleichen? Wieso ist dies beim Fußball ein so „wichtiges“ Thema? In anderen Sportarten werden Frauen auch nicht so direkt mit Männern verglichen. Allein schon die biologischen Gegebenheiten lassen einen direkten Vergleich nicht zu.

Bei den Diskussionen um die Gehälter fordern die Fußballerinnen oft selbst nicht die gleiche Bezahlung wie die Männer. Hauptsächlich geht es um eine faire Bezahlung. Abseits der Prämien für internationale Spiele reicht das normale Gehalt für viele nicht einmal zum Leben oder für das Leben nach der Fußballkarriere. Viele Fußballerinnen arbeiten oder studieren nebenbei, um ihren Alltag finanzieren zu können.

Neben diesen Gegebenheiten schaffen die Frauen es trotzdem, sportliche Höchstleistungen zu bringen. Vor allem auch, weil sie es müssen, um in der Medienwelt nicht unterzugehen und ein wenig Anerkennung zu erlangen.

Es geht beim Thema Gleichstellung also nicht um eine komplett gleiche, aber faire Behandlung. Es geht um Gerechtigkeit und die nötige Wertschätzung dafür, was die Frauen täglich leisten. Denn sie sind diejenigen, die nach einer Schwangerschaft oder während der Periode auf dem Platz stehen und Bestleistungen vollbringen.

Am Ende geht es vielleicht gar nicht um Frauenfußball, sondern einfach um Fußball. Um Menschen, die eine Leidenschaft für einen Sport teilen und dabei sollte es um Respekt und Anerkennung gehen.


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