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Marcel Foltmer

40 Jahre AIDS: Eine Geschichte vom Kampf gegen Krankheit und Stigma

Die Geschichte des Immunschwäche-Virus (HIV) und der AIDS-Erkrankung ist noch nicht zu Ende erzählt, aber sie hält nach vier Jahrzenten einige Fortschrittserzählungen bereit.
In den 80er und 90er Jahren forderte die Krankheit etliche Tote. Seit Beginn der Epidemie sind 36,3 Millionen Menschen an den Folgen von Aids gestorben.

In den 80er und 90er Jahren forderte die Krankheit etliche Tote. Seit Beginn der Epidemie sind 36,3 Millionen Menschen an den Folgen von Aids gestorben.

40 Jahre - solange ist es her, dass die Krankheit AIDS das erste Mal erfasst wurde. Und vor ebenso langer Zeit wurden in Deutschland die ersten HIV-Infektionen festgestellt, nachdem im Jahr 1981 die ersten Fälle in den USA bekannt wurden. Zunächst verbreitete sich die Krankheit unter homosexuellen Männern, was mit deren Stigmatisierung einherging. In der westlichen Welt ist die Bedrohung durch die Krankheit, die durch das HI-Virus ausgelöst wird, in den letzten vier Jahrzehnten stark zurückgegangen, im globalen Süden, vor allem in Afrika, ist sie jedoch weiterhin extrem hoch. Heute leben laut der Deutschen Aidshilfe circa 91.000 Menschen in Deutschland mit HIV, bei einem Großteil ist das Virus nicht mehr nachweisbar. Doch was bedeutet das, und was ist die Geschichte hinter all dem?
 
Ausbrüche in den USA
 
„Schwulen-Krankheit“ oder „Homo-Seuche“ - kurz nach der Entdeckung der Krankheit wurden ihr viele Namen gegeben. Ihre homophobe Ausrichtung erhielten sie, weil die Krankheit zunächst vor allem unter jungen homosexuellen Männern amerikanischer Großstädte ausgebrochen war.
Man hatte es zunächst mit überdurchschnittlich vielen Fällen der Lungenkrankheit „PCP“ und des Kaposi-Sarkoms, einer seltenen Krebserkrankung, die sich vor allem auf der Haut zeigt, zu tun. So meldete die New York Times am 3. Juli 1981: „Seltener Krebs bei 41 Homosexuellen festgestellt“.
Schnell wurde vermutet, dass eine Krankheit dahintersteckt, die das Immunsystem schwächt, der im Sommer 1982 der Name „Acquired Immune Deficiency Syndrome“, also AIDS, zu Deutsch „Erworbenes Immunschwäche-Syndrom“ gegeben wurde. Zuvor hieß die Krankheit für kurze Zeit „Gay-Related Immune Deficiency“, also etwa „Schwulenbezogene Immunschwäche“. Doch als sich zunehmend auch heterosexuelle Menschen ansteckten, ließ man diesen Namen - zumindest von wissenschaftlicher Seite - fallen. Das HI-Virus, das die Krankheit auslöst, wenn die Infektion nicht behandelt wird, wurde erst ein Jahr später in Frankreich entdeckt.
 
Eine Krankheit - ein Stigma
 
Dass der Krankheit von Medizinerinnen zunächst ein Name gegeben wurde, der sie direkt mit Homosexuellen in Verbindung brachte, war sicherlich einer der Gründe, wieso ihr direkt ein Stigma anhing. Aber auch der Umgang der Medien mit dem neuen Virus leistete seinen Teil an der Stigmatisierung. So titelte Bild, dass es sich um eine „Homosexuellen-Seuche“ handelte, der Spiegel sprach immer wieder von der „Schwulenpest“. Damit wurde die Bevölkerung zwar aufgeschreckt, ihr wurde aber auch ein falsches Bild vermittelt: Schließlich kann sich jede:r mit dem Virus anstecken.
Aber auch Politiker machten Stimmung gegen HIV-Infizierte. So beispielsweise ganz prominent der bayrische Staatssekretär Peter Gauweiler (CSU), der Ende der 80er unter anderem eine Melde- und Testpflicht für HIV-Infizierte forderte und nicht müde wurde, auszudrücken, dass er nicht will, dass „ein HIV-Infizierter, der sich in den Finger geschnitten hat, meine Semmelknödel in der Gastwirtschaft herstellt oder im Salat rummischt.“
Selbst wenn so gewesen wäre, und Gauweiler hätte einen Semmelknödel mit einem Bluttropfen des HIV-Infizierten gegessen - mit HIV hätte er sich so nicht angesteckt. Ebenso wenig wie von Oralverkehr eine Ansteckungsgefahr ausgeht. Dafür ist die Mundschleimhaut zu stabil. Auch wenn Blut oder Sperma in den Mund gelangt ist das Infektionsrisiko bei fast Null.
Der Hauptübertragungsweg ist ungeschützter Anal- und Vaginalsex. Denn Sperma, Vaginalflüssigkeit und Menstruationsblut enthalten bei einer unbehandelten HIV-Infektion sehr viele Viren. Die Schleimhäute im Enddarm, am Gebärmutterhals und in der Vagina sind sehr empfindlich und können HIV leicht aufnehmen, ebenso die Innenseite der Vorhaut und die Harnröhre. Aber auch über Blut kann das Virus weitergegeben werden. Dies geschieht unter anderem durch die gemeinsame Verwendung von Spritzen beim Drogenkonsum. Am Anfang der Epidemie wurden Menschen auch durch Blutkonserven infiziert. Seit 1885 werden Blutspenden aber getestet. Weitere Übertragungswege waren Schwangerschaft und Stillen, weswegen schnell auch Kinder betroffen waren.
 
Aufklärung als Ausweg
 
In den 80er und 90er Jahren forderte die Krankheit etliche Tote. Seit Beginn der Epidemie sind 36,3 Millionen Menschen an den Folgen von Aids gestorben. Bekannte Opfer sind unter anderem Freddy Mercury, Sänger der Band Queen sowie der Schöpfer der Muppets, Jim Henson. Von hier an sollte es noch Jahre dauern, bis wirksame Medikamente entwickelt werden, eine Impfung gegen das Virus gibt es aufgrund seiner Komplexität bis heute nicht.
Trotzdem begann ein gesellschaftlicher Wandel. Zum einen im Verhältnis zu HIV-Infizierten. Manche Teile der Gesellschaft fingen, ihnen mehr Akzeptanz und Solidarität entgegen zu bringen. Bewirkt wurde der Wandel vor allem durch Aktivisten der Schwulenbewegung und durch die Gründung von Organisationen, wie der Deutschen Aidshilfe. Bekannte deutsche Aktivisten sind z. B. der Regisseur Rosa von Praunheim, der 1985 das erste AIDS-Benefiz organisierte und den Film Ein Virus kennt keine Moral drehte, und der Sexualwissenschaftler Martin Dannecker, der sich mit der Schrift Der homosexuelle Mann im Zeichen von Aids habilitierte und sich seit den 80er Jahren für ein lebendiges Sexleben auch von HIV-Infizierten engagiert.
Zum anderen wurde mehr Aufklärungsarbeit über die Krankheit und über Safer Sex seitens des Staates geleistet. Wodurch die Ausbreitung der Krankheit zurückgedrängt werden konnte.
 
Ein fast normales Leben
 
Heute ist eine Infektion mit dem HI-Virus gut unter Kontrolle zu bekommen. Mithilfe einer Kombinationstherapie verschiedener Medikamente kann die Krankheit zwar nicht geheilt werden, trotzdem sind Patientinnen symptomfrei. Und mehr noch: Durch die Therapie wird das Virus so weit zurückgedrängt, dass es im Blut nicht mehr nachweisbar ist, wodurch auch eine Übertragung beim Sex nicht mehr möglich ist.
Zudem gibt es inzwischen sogar ein Medikament, das vorbeugend verhindert, sich mit dem HI-Virus anzustecken, die sogenannte „PrEP“. Die Kosten hierfür werden für Menschen mit erhöhtem HIV-Ansteckungsrisiko von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Trotz all dieser Fortschritte, durch die die Krankheit in der westlichen Welt stark zurückgedrängt und beherrschbar gemacht wurde, ist der globale Süden noch immer stark von der Krankheit betroffen. Fehlende Aufklärung und unzureichende medizinische Versorgung machen das Virus vor allem in afrikanischen Ländern zu einer der häufigsten Todesursachen.
 
Die Lage in Deutschland
 
Und in Deutschland? Hier ist die Lage sehr gut: die Therapie wirkt vor allem bei frühen Diagnosen gut, weiterhin geht die Deutsche Aidshilfe von gerade einmal 2.000 Neuinfektionen 2020 in Deutschland aus. Wer hierzulande heutzutage HIV-positiv ist, kann also ein nahezu ganz normales Leben führen.
Nahezu, denn die Diskriminierung von HIV-Infizierten - wenn auch nicht mehr so ausgreifend wie vor 40 Jahren - hält nach wie vor an.


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