Westertimke: Christengemeinde wird Corona-Hotspot
Landkreis. Der Landkreis Rotenburg ermittelt nach einem Corona-Ausbruch in einer freichristlichen Gemeinde in Westertimke auf Hochtouren. Viele Einrichtungen sind nun von den Quarantänemaßnahmen betroffen.
Dem unüberlegten Verhalten einer freichristlichen Gemeinschaft in Westertimke ist es zu verdanken, dass die Corona-Neuinfektionszahlen im Landkreis rasant gestiegen sind. In einer Pressekonferenz informierten Landkreisvertreter darüber, wie mit der kritischen Situation umgegangen wird.
Der neue Infektions-Cluster hatte sich nach einer Veranstaltung der kleinen Gemeinde in Westertimke gebildet. 57 der insgesamt 68 aktuellen Corona-Fälle sind diesem Infektionskern zuzuschreiben, so der Stand Anfang der Woche.
600 Abstriche genommen
„Unsere Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Allein in der letzten Woche haben wir rund 600 Abstriche vorgenommen“, berichtete dazu Landkreisdezernent Dr. Torsten Lühring. Während der ersten Welle im Frühjahr sei es nach Lührings Worten vor allem um Reiserückkehrer aus damaligen Corona-Hotspots gegangen.
„Jetzt haben wir ein Ausbreiten in zahlreiche Einrichtungen. Die Quarantänemaßnahmen haben erhebliche gesellschaftliche Auswirkungen.“ Viele Eltern stünden kurz nach Wiedereröffnung der Kitas und Schulen erneut vor dem Problem, die Betreuung ihrer Kinder organisieren zu müssen.
Schulen und Kitas betroffen
Betroffen sind insgesamt zehn Schulklassen in den Grundschulen Tarmstedt, Rhade, dem Kivinan-Bildungszentrum in Zeven sowie der KGS Tarmstedt. Hier wurde der gesamte neunte Jahrgang ins Homeschooling geschickt, da nach Lühring nahezu alle Lerngruppen vom Virus betroffen seien. Ebenfalls von Quarantänemaßnahmen betroffen sind die Kitas Heeslingen, Hassendorf, Tarmstedt und Lebenshilfe Rotenburg.
Schwellenwert noch nicht erreicht
„Wir sind noch unter dem kritischen Schwellenwert von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner. Mit 33 sind wir aber auf einem absoluten Hochstand für den Landkreis“, gibt Landkreisdezernentin Heike von Ostrowski zu bedenken. Sie ruft die Bürger auf, weiterhin wachsam und diszipliniert zu sein, um dem Ansteigen der Fallzahlen entgegentreten zu können.
Gesang im Gottesdienst
Wie Carmen Menzel, Leiterin des Gesundheitsamtes, berichtete, habe man zunächst die Information gehabt, dass bei der Christengemeinde Westertimke eine private Grillveranstaltung stattgefunden habe. Tatsache sei jedoch gewesen, dass über mehrere Tage mit einer Vielzahl von Menschen in einem Raum über längere Zeit Gottesdienste abgehalten wurden, in deren Verlauf gemeinsam gesungen wurde.
Dabei, so die Leiterin des Gesundheitsamtes, entstünden mehr als 300 Mal so viele virusübertragende Aerosole, wie beim normalen Atmen. In diesem Zusammenhang erinnerte Carmen Menzel an vergangene Superspreader-Events in Bremerhaven und Frankfurt, wo es nach gemeinsamen Singen in Glaubensgemeinschaften zu massiven Ausbrüchen gekommen war. Die Problematik sei also bekannt gewesen.
Von der Gefahr angeblich nichts gewusst
Inzwischen sei man im Gespräch. Vertreter der Gemeinde hätten nach Worten Menzels ihr Bedauern geäußert. Man habe nicht von der Gefahr durch das Singen gewusst. Daher sei es auch nicht, wie beispielsweise bei den großen evangelischen und katholischen Landeskirchen, bewusst im Rahmen des Hygienekonzeptes eingeschlossen gewesen.
Bis dahin sei die Zusammenarbeit mit der Christengemeinde „nicht einfach, da sich die Glaubensgemeinschaft sehr mit Informationen zurückgehalten hat“, so Menzel. Die Folge waren gegenseitige Vorwürfe zwischen Landkreis und Christengemeinde.
„Es gab vonseiten der Gemeinde ein Hygienekonzept“, stellte Carmen Menzel klar. Dieses habe sich aber nur auf die Regelung von Laufwegen und Ausgängen bezogen. „Das gemeinschaftliche Singen war nicht inkludiert. Das ist aus unserer Sicht unzureichend.“
Zusammenkünfte bis 11. Oktober verboten
Für die Christengemeinde in Westertimke heißt das zunächst, dass der Landkreis alle Zusammenkünfte bis mindestens zum 11. Oktober verboten hat. Außerdem muss ein deutlich nachgebessertes Hygienekonzept vorgelegt und genehmigt werden. Nach wie vor wird auch ein Bußgeldverfahren gegen die Gemeinschaft geprüft.
Sollte sich die Zahl der Infizierten weiter erhöhen, seien Kontakteinschränkungen und eine Erweiterung der Maskenpflicht denkbar, so Heike von Ostrowski. Dies mache allerdings nur in den Gemeinden Sinn, die von steigenden Zahlen betroffen seien - nicht aber landkreisweit.„Wir wollen die Menschen sensibilisieren, nachzudenken und von sich aus dazu beizutragen, das Infektionsgeschehen zu begrenzen“, hofft Dr. Torsten Lühring auf die Einsicht der Bürger*innen.