Schulstart mit gemischten Gefühlen
Im Spätsommer 2020 befinden wir uns noch immer mitten in der Corona-Pandemie, die Infektionszahlen steigen. Der Start ins neue Schuljahr ist deshalb kein gewöhnlicher und wird von vielen mit gemischten Gefühlen erwartet. Zudem kommen gerade viele aus dem Urlaub, was die Infektionsgefahr erhöht.
Fest steht, dass ab Donnerstag wieder alle Schüler*innen täglich im Klassenraum zusammensitzen und lernen werden - ohne Mindestabstand und ohne Masken. Das hat ein Fachaustausch zwischen dem Niedersächsischen Kultusministerium, dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sowie dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt in der vergangenen Woche ergeben.
Für ein Maximum an Bildung im Präsenzunterricht
„Wir alle möchten den Kindern und Jugendlichen ein Maximum an Bildung im Präsenzunterricht anbieten“, begründet Gaby Willamowius, Staatssekretärin im Niedersächsischen Kultusministerium, die Entscheidung. Bereits vor den Sommerferien hatte Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne erklärt, das kommende Schuljahr auf der Basis größtmöglicher Normalität planen zu wollen. Hierfür wurde das „Szenario A: Eingeschränkter Regelbetrieb“ entwickelt. Der Unterricht findet demnach in voller Klassenstärke statt, auf Mindestabstand wird verzichtet.
Eingeführt werden dafür feste Lern- und Bezugsgruppen („Kohortenprinzip“).
Die Maskenpflicht gilt außerhalb von Unterrichts- und Arbeitsräumen, wenn der Mindestabstand von anderthalb Metern zwischen den Kohorten nicht eingehalten werden kann. Hygieneregeln bleiben bestehen.
„Lehrer sind sich ihrer Verantwortung bewusst“
Rüdiger Heitefaut, Geschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Niedersachsen, hält das „Szenario A“ durchaus für umsetzungsfähig und betont die Wichtigkeit des Präsenzunterrichts insbesondere für schwächere Schüler*innen, die während des Shutdowns nicht erreicht werden konnten.
Obwohl es in der Lehrerschaft durchaus auch Unsicherheiten gebe, freue sich die große Mehrheit auf den Schulstart.
„Die Lehrer sind sich ihrer Verantwortung gegenüber den Schülern bewusst“, sagt Heitefaut. Schon vor den Ferien sei dies deutlich geworden. So hätten rund 18 bis 19 Prozent der Lehrkräfte von Zuhause arbeiten können, weil sie zu einer Corona-Risikogruppe gehören. Nur sechs bis acht Prozent hätten aber von diesem Recht Gebrauch gemacht.
Wichtig sei nun, dass die Gesundheitsämter die Situation genau im Blick behalten und dass die Schulen die Schutzmaßnahmen konsequent umsetzen. Jede Schule erarbeitet dafür ihr eigenes Konzept.
Vom Land fordert der GEW-Geschäftsführer zudem, genügend Lehrerstellen auszuschreiben und auch zu besetzen. Die Corona-Pandemie habe den ohnehin herrschenden Lehrermangel noch zusätzlich verstärkt. Zu diesem Thema wolle sich die GEW in der kommenden Woche noch gezielter äußern.
Schulleiter mit gemischten Gefühlen
Gemischte Gefühle vor dem Schulstart habe Oliver Heckmann, Schulleiter der Findorff-Grundschule in Osterholz-Scharmbeck. Er fragt sich unter anderem, wie die Lehrer*innen die geforderten Mindestabstände zu den Schüler*innen einhalten sollen. Im Grundschulbereich sei das besonders schwierig, insbesondere im Hinblick auf die Erstklässler, für die ohnehin alles neu sei und die intensiv angeleitet werden müssten.
Die Angst, dass sich jemand mit dem Corona-Virus infizieren könnte, wenn die Schule wieder voll besetzt ist, schwinge mit. Mit Hochdruck werde deshalb in diesen Tagen an einem Konzept gearbeitet, um das Risiko so klein wie möglich zu halten. Der Landkreis hat als Schulträger unter anderem die Schulen vermehrt mit mobilen Seifenspendern und Einmalhandtüchern ausgestattet.
Schwierige Vereinbarkeit von Theorie und Praxis
Ralf Pochciol, Rektor der Grundschule Bremervörde, ist zunächst einmal froh, dass alle Schüler*innen wieder in die Schule kommen können. Auch wenn das bedeute, dass der „entspannte Schulalltag“ mit jeweils immer nur der Hälfte aller Schüler*innen im Schulgebäude dann natürlich vorbei sei.
Der vor den Ferien entwickelte Hygieneplan gelte weiter. Im Neubau werde es weiter ein Einbahnstraßenprinzip geben, in der Außenstelle gibt es unterschiedliche Eingänge für die verschiedenen Klassen. Alle Schüler*innen müssen zudem regelmäßig ihre Hände waschen und haben nicht alle zur gleichen Zeit Pause, damit sich die unterschiedlichen Kohorten nicht mischen.
Hier räumt Pochciol aber ein, dass die Schule natürlich nicht sicherstellen könne, dass das Kohortenprinzip auch außerhalb des Schulgebäudes eingehalten werde. Auch die regelmäßige Belüftung der Klassenräume könnte sich in der Praxis schwierig gestalten, wenn es zum Herbst wieder kälter wird, so der Schulleiter. Problematisch sieht Ralf Pochciol zudem die Schülerbeförderung, denn in den Bussen werde es im Herbst sicher voll werden.
Einschulung unter Coronabedingungen
Die Einschulung der Erstklässler läuft übrigens in allen Schulen ähnlich ab. So seien in diesem Jahr keine großen Feiern geplant, die einzelnen Klassen werden zeitversetzt im kleinen Rahmen in den Schulen begrüßt. Begleitet werden dürfen sie nur von ihren Eltern und teilweise von Geschwisterkindern.
Gesundheitsämter entscheiden
Staatssekretärin Willamowius appelliert: „Die Regeln zum Schutz vor der Ausbreitung des Coronavirus müssen konsequent angewandt werden.“ Und Reiserückkehrende aus Risikogebieten sind verpflichtet, sich auf Sars-CoV-2 testen lassen. Zudem empfiehlt der Osterholzer Landrat nach der Reiserückkehr auch aus Nicht-Risikogebieten, zwei Wochen soziale Kontakte zu meiden. Schwierig nur für Schüler*innen, wenn sie kurz vor dem Schulstart aus dem Urlaub gekommen sind.
Die Entscheidung über mögliche Maßnahmen aufgrund des sich entwickelnden Infektionsgeschehens (und damit über einen Wechsel zurück zur Schule im Wechselmodell oder zum Shutdown) trifft übrigens immer das jeweilige Gesundheitsamt, jedoch in enger Zusammenarbeit mit der Schule. „Gibt es in einer Schule einen positiven Fall, werden im Rahmen des Kontaktpersonenmanagements die Kontaktpersonen ermittelt. Es wird in jedem Einzelfall genau geprüft, welche Maßnahmen getroffen werden müssen. Ein positiver Fall bedeutet nicht immer gleich eine komplette Schulschließung oder die Verhängung einer Quarantäne für die gesamte Schule“, wie Christine Huchzermeier vom Landkreis Rotenburg erklärt. Zudem gebe es umfangreiche anlassbezogene Testungen, sodass nach einem postiven Fall der Unterricht wieder schnell aufgenommen werden kann. Die Abwägungen der zu treffenden Maßnahmen nach dem Einzelfall sieht auch das Osterholzer Gesundheitsamt vor, wie die Sprecherin des Landkreises Osterholz Jana Lindemann mitteilt.