

Landkreis. Demokratie ist kein Naturzustand, sondern muss gelernt und gelebt werden. Sie beginnt nicht erst im Parlament, sondern in Familien, Vereinen und Schulen. Gerade an Schulen soll politische Bildung die Grundlage schaffen, damit junge Menschen Institutionen verstehen, Verfahren nachvollziehen und die eigene Stimme einordnen können.
So erschöpft sich politische Bildung nicht in der Beantwortung der Fragen: Wie funktioniert eine Wahl? Was ist ein Parlament? Welche Aufgaben und Befugnisse hat eine Regierung? Auch nicht in der Kenntnis der Bundeskanzler und der komplizierten Gesetzgebungsverfahren. Demokratiebildung beginnt viel unmittelbarer, wenn Schülervertreter gewählt werden.
Mangelnde Beteiligungsmöglichkeiten
Nach den Sommerferien wählen Schüler ihre Klassensprecher, diese bestimmen wiederum eine Vertretung für die gesamte Schule. Die Schülervertretung (SV) vertritt die Anliegen gegenüber Lehrkräften und Schulleitung – und bringt sie über Kreis- und Landesschülerräte auch in die Politik ein. In der Theorie wirkt das wie ein durchdachtes Modell, das junge Menschen früh an Verfahren und Verantwortung heranführt. In der Praxis aber sind die Einflussmöglichkeiten begrenzt. Diese Begrenzung hat der Landesschülerrat zum Start des neuen Schuljahres kritisiert.
Er beanstandet, dass die Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung für Schüler im Land verbesserungswürdig seien. Zwar gebe es gesetzliche Vorschriften, die beispielsweise die Beteiligung an Gesamtkonferenzen oder Strukturen für SV-Arbeit vorsehen, in der Praxis gebe es aber oft Probleme. Der Vorsitzende Matteo Feind kritisiert, dass die Schülerschaft bei Abstimmungen zu wenig Mitspracherecht habe: „Wenn 150 Lehrkräfte mitentscheiden dürfen, aber nur 20 Schüler:innen, dann kann niemand ernsthaft von demokratischer Mitbestimmung sprechen. Das Verhältnis ist weder gerecht, noch zukunftsfähig.“
Deswegen fordert der Landesschülerrat zum einen den Ausbau von Strukturen und Ressourcen für Schülervertretungen, zum anderen eine Überarbeitung der Gremienstruktur und eine gerechtere Verteilung der Stimmverhältnisse bei schulischen Konferenzen. Wenn Schüler den Schulalltag so selbst mitbestimmen können, fördere das auch das die Demokratiebildung, so die Landesschülervertretung
Strukturen ausbauen
Auch in der Region fordern Schülervertretungen mehr Mitspracherecht für Schüler. Es sei zu sehr auf bloß interne Angelegenheiten der Schulen begrenzt. Man wünsche sich aber eine stärkere Einbindung in die politischen Prozesse auf Kreisebene, erklärt Julius Mackenberg, Sprecher des Kreisschülerrats Osterholz. Trotzdem seien die bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten wie Schülervertretungen und der Kreisschülerrat eine gute Grundlage: „Insgesamt sehen wir die Beteiligung im Landkreis als wertvoll an, aber mit Potenzial für mehr Einfluss und Wirkung“, so der Gymnasiast.
In Bremervörde sei man ebenfalls gut aufgestellt, was die Repräsentation der Schülerschaft in der Schule angehe, teilt der Schülerrat des Gymnasiums Bremervörde mit. Auch auf Landkreisebene sei der Kreisschülerrat eine wertvolle Institution, um Schüler untereinander, mit dem Landesschülerrat und der Politik zu vernetzen. Trotzdem müsse man auch in Zukunft an der Demokratiebildung in Schulen arbeiten: „Die Mitgestaltung und die aktive Gestaltung von demokratischen Werten an Schulen bleibt immer im Wandel und muss gemeinsam weiterentwickelt werden“, findet Schülersprecherin Merle Drost.
Dauerauftrag Demokratie
Die Beispiele zeigen: Demokratiebildung ist mehr als Unterrichtsstoff. Sie erfordert Räume, Strukturen und die Bereitschaft, junge Menschen wirklich ernst zu nehmen. Wenn Schüler erleben, dass ihre Stimme Gewicht hat, lernen sie mehr über Demokratie als aus jedem Lehrbuch. Schulen sind eben nicht nur Orte der Wissensvermittlung, sondern auch die ersten Parlamente des Lebens – und genau dort entscheidet sich, wie tragfähig die politische Kultur von morgen sein wird.