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Lena Stehr

Leben mit dem Wolf

Landkreis. Kaum ein Tier polarisiert so sehr wie der vermeintlich „böse“ Wolf, der inzwischen auch in unserer Region heimisch ist. Weil viele Landwirte in dem Wildtier eine Gefahr für ihre Nutztiere sehen, soll eine neue Verordnung bald den Abschuss von „Problemwölfen“ erleichtern.
In Niedersachsen gibt es derzeit etwa 300 bis 350 Wölfe.  Foto: Adobe Stock /AB Photography

In Niedersachsen gibt es derzeit etwa 300 bis 350 Wölfe. Foto: Adobe Stock /AB Photography

Es müsse ein Nebeneinander von Weidetierhaltung und Wolf geben, betont Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD). Dafür brauche es Rahmenbedingungen, die sich bald in einer neuen Verordnung des Umweltministeriums wiederfinden werden. „Problemwölfe“ sollen demnach künftig unkomplizierter abgeschossen werden können. Es soll dann nicht mehr für jeden einzelnen „Problemwolf“ eine Ausnahmegenehmigung nötig sein, sondern für den Abschuss auffälliger Tiere ein standardisiertes Verfahren gelten.
Die Anzahl an nachgewiesenen Wolfsterritorien wächst laut Niedersächsischem Wolfsmonitoring in Deutschland um rund 32 Prozent jährlich. Aktuell befinde sich die Population in der Phase des „exponentiellen Wachstums“ und werde weiterhin stark ansteigen.
In Niedersachsen gibt es demnach 35 Rudel mit 300 bis 350 Wölfen. Nachgewiesene Rudel gibt es unter anderem auch in Gnarrenburg, Rotenburg und Visselhövede.
 
Rund 300 Nutztierschäden
 
Rund 300 Nutztierschäden können dem Wolf laut Monitoring im Zeitraum 2019 bis heute in Niedersachsen eindeutig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden. Der Landesbauernverband fordert unter anderem deshalb auch, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen.
 
Pro und Kontra Wolf
 
Viele Argumente für und gegen den Wolf hat Heiko Ehing, Wolfsberater im Landkreis Osterholz, im Rahmen seiner Tätigkeit schon gehört. So wie seine knapp 140 Kollegen in ganz Niedersachsen, die vom Umweltministerium berufen werden. Seine Aufgabe besteht darin, mithilfe des Wolfsmonitorings die Entwicklung des Wolfes zu dokumentieren und der Bevölkerung für Fragen zum Wolf zur Verfügung zu stehen. Zudem findet eine Beratung von Nutztierhalter*innen zum Herdenschutz und im Falle eines Nutztierrisses eine Spurensicherung durch den ehrenamtlichen Wolfsberater statt. Die eigentliche Bewertung erfolgt dann durch das Wolfsbüro in Hannover.
Zu den häufigsten Kontra-Argumenten in Bezug auf den Wolf gehören laut Ehing (er selbst nimmt stets eine neutrale Position ein) unter anderem die Gefahr für Schafe, Pferde und Rinder und das Argument, dass nicht die ganze Landschaft wolfssicher mit Elektrozäunen und Netzen abgeschottet werden könne. Diese Maßnahmen würden zudem viel Geld kosten. Auch Entschädigungszahlungen seien in den Augen vieler Wolfsgegner*innen keine Lösung, da es zum einen oft sehr lange dauere, bis Zahlungen erfolgen. Zum Anderen werde erst nach eindeutigem Nachweis überhaupt gezahlt.
Für den Wolf spreche vor allem, dass er Teil des Ökosystems und somit ein wichtiges Glied in der Nahrungskette sei. Als Beute nutze er hauptsächlich Schalenwild und jage bevorzugt alte und kranke Tiere. Da Wölfe in der Regel sehr scheu seien und den Kontakt zu Menschen meiden, gehe vom Wolf keine nennenswerte Gefahr für den Menschen aus. Kritische Stimmen seien allerdings der Meinung, dass der Wolf inzwischen seine Angst vorm Menschen weitestgehend verloren habe und deshalb sehr wohl eine potenzielle Gefahr - vor allem für Kinder - sein könnte. Die drei Schlüsselfaktoren für eine Koexistenz und Akzeptanz seien ein aktives Monitoring der Tierart, gute Öffentlichkeitsarbeit und der Herdenschutz, betont Dipl. Geogr. Peter Schuette vom NABU-Landesverband. Mit gut vor Wolfsübergriffen geschützten Weidetieren sinken die Konflikte und die Akzeptanz steige.
 
Enorme Herausforderung
 
Stefan Nilles vom Wolfsbüro meint, dass die Rückkehr des Wolfes ein großer Erfolg für den Artenschutz sei, aber auch eine enorme Herausforderung für die Weidetierhaltung in Niedersachsen. Die Gesellschaft dürfe nicht die Augen vor den Problemen der Betroffenen verschließen. Vor denen, die trotz Herdenschutz tote oder - schlimmer noch - halb tote Weidetiere zu beklagen hätten.
 
Schäfer fordert Hilfe
 
Dem kann Schäfermeister Frank Hahnel aus Müncheberg in Brandenburg nur zustimmen: „Ich bin kein Wolfsfreund. Ich bin ein Freund meiner Schafe, also werde ich alle legalen Mittel ergreifen, um sie zu schützen. Die Gesellschaft hat den Wolf unter Schutz gestellt. Also wäre es doch fair, wenn die Gesellschaft mich beim Schutz meiner Herde unterstützt“, sagt er.
 
Online-Diskussion
 Die Gelegenheit, mit ihm sowie mit Ilka Reinhard vom Lupus Institut für Wolfsmonitoring und Wolfsberater Kenny Kenner zu diskutieren, haben alle Interessierten am Donnerstag, 29. Oktober, um 15 Uhr. Unter dem Titel „Wolfs- und Herdenschutz in Niedersachsen“ lädt „Die Linke“ im Landkreis Rotenburg zur Online-Konferenz ein. Die Konferenz wird aufgenommen und veröffentlicht. Den Link zur Teilnahme gibt es unter www.dielinke-nds.de.w.wolfsmonitoring.com


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