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Patrick Viol

Was tun bei Kindwohlgefährdung?!

Schwanewede. Sozialpädagogin der Schwaneweder Begegnungsstätte bietet kreative Möglichkeit zur Einübung in den Umgang mit schweren Situationen.

Bei einer Kindeswohlgefährdung sieht der Landkreis eine klare Vorgehensweise vor. Marion Deike von der Begegnungsstätte Schwanewede hat anhand der Vorgaben für pädagogische Fachkräfte ein Rollenspiel zur Einübung in die schwierige Situation entwickelt.
Daniel hat die Begegnungsstätte in Schwanewede immer gerne besucht. Er trifft sich hier mit anderen Jugendlichen. Zusammen abhängen, Blödsinn reden. Seit Kurzem ist er entweder still oder aggressiv. Als er vor der Jugendgruppe etwas erzählen will, beginnt er zu stottern. Brian, ein anderer aus der Gruppe, zieht ihn deshalb auf. Mobbt ihn. Daniel hält die Situation nicht mehr aus. Er rennt weg. Marion, die anwesende Sozialpädagogin, kennt Daniel so eigentlich nicht. Sie spricht ihn an, doch er blockt ab. Macht dicht. Sie berät sich mit ihrer Kollegin Ines, sie weihen Leiter Jürgen ein und beschließen das Verhalten von Daniel zwei Wochen lang zu beobachten und zu dokumentieren. Daniels Verhalten wird auffälliger, auch der Umgang mit Brian tut Daniel nicht gut. Dann einige blaue Flecken an Daniels Körper. Ines und Marion suchen das Gespräch mit der Mutter. Es stellt sich heraus, dass die Situation zu Hause Daniel gefährdet. Die Mutter ist überfordert. Sie und Daniel werden vom Vater geschlagen - Schnitt.
 
Rollenspiel gegen Missbrauch
 
So ähnlich sieht das Rollenspiel aus, dass Marion Deike, Sozialpädagogin in der offen Jugendarbeit in der Begegnungsstätte Schwanewede, mit ihrer Kollegin Ines Bäcker anhand der vom Landkreis herausgegebenen Mappe „Kinderschutz in den Kindertageseinrichtungen im Landkreis Osterholz“ erarbeitet hat. Daniel und Brian sind eigentlich die Buftis in der Begegnungsstätte und unterstützen schauspielerisch das Rollenspiel. „Ich find‘ das Konzept sehr positiv“, sagt Brian, der in Wirklichkeit nicht pöbelig, sondern zuvorkommend wirkt. Im Kollektiv Lösungen für schwierige Fälle zu finden, sei eine gute Idee. „In der Begegnungsstätte haben wir die freie Zeit durch Corona konstruktiv genutzt“, so Einrichtungsleiter Jürgen Stegmann.
Das Rollenspiel soll laut Deike pädagogischen Fachkräften dabei helfen, sich in Situationen einzuüben, die eine Kindeswohlgefährdung vermuten lassen. Unter Kindeswohlgefährdung fällt körperlicher und seelischer Missbrauch wie sexuelle Gewalt gegenüber dem Kind als auch häusliche Gewalt unter dem Elternpaar.
 
Gefährdungseinschätzung
 Vermuten Sozialpädagogen in der Kinder- und Jugendarbeit eine Gefährdung des Kindes, sieht der Gesetzgeber für Einrichtungen mit Schutzauftrag klare Regeln zu deren Einschätzung vor, die er im Sozialgesetzbuch unter dem Paragrafen 8 a festgehalten hat. Bei den ersten Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung - und das Stottern, das Mauern oder aggressive Verhalten von Daniel im Rollenspiel sind solche Anzeichen - sieht der Gesetzgeber ein Verfahren vor, das auf „drei Säulen aufgebaut ist“, wie Deike informiert. Der erste Schritt sei die kollegiale Beratung unter den pädagogischen Kolleg*innen, der zweite die gemeinsame Beobachtung des Kindes und die Dokumentation seines Verhaltens über die nächsten zwei Wochen und zuletzt, sofern sich das auffällige Verhalten nicht geändert hat, müsse das Gespräch mit den Eltern gesucht werden, um gemeinsam eine „positive Prognose“ zu entwickeln. Erst wenn diese scheitert, müsse die pädagogische Fachkraft des Landkreises bzw. das Jugendamt hinzugezogen werden. „Es geht hierbei also um die subtilen Fälle. Kommen Kinder mit offenen Verletzungen zu uns, verständigen wir natürlich sofort das Jugendamt und die Polizei“, erklärt Stegmann. Das von Deike entwickelte Vorgehen ziele in der praktischen Arbeit darauf ab, die Gefährdung des Kindes mit den Eltern bzw. dem Elternteil gemeinsam abzuwenden, sodass das Kind nicht aus der Familie genommen werden müsse. Darüber hinaus bieten Deike und Bäcker ihr Konzept auch anderen Fachkräften als Weiterbildung an.


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