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Systemwechsel oder Agrarpolitik im Rückwärtsgang?

Europa (lst). Die 27 EU-Mitgliedsstaaten haben sich beim EU-Agrarrat in Luxemburg auf die Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) geeinigt. Uneinig sind sich hingegen Poltik und Umweltverbände in ihrer Bewertung.

Bundesministerin Julia Klöckner freue sich, dass es unter deutscher Ratspräsidentschaft gelungen sei, Europa in einer so zentralen Frage zu einen. Trotz der unterschiedlichen Agrarstrukturen der 27 Mitgliedsstaaten habe man gemeinsam eine wegweisende Entscheidung getroffen. „Die heutige Einigung ist ein Meilenstein für die Gemeinsame Agrarpolitik in Europa - sie ist ein Systemwechsel.“
Erstmals werde für alle Staaten gleichermaßen ein verpflichtender Standard für den Umwelt- und Klimaschutz eingeführt. Das sei eine fundamentaler Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit, Fairness und Wettbewerbsgerechtigkeit innerhalb der EU.
Gleichzeitig stelle man sicher, dass die Anforderungen praxistauglich und umsetzbar seien. Der dadurch entstehende Mehraufwand für die Landwirte werde honoriert. Man zeige, dass eine stärkere Umwelt- und Klimaambition zusammengehe mit Ernährungssicherung und der notwendigen Einkommensstützung für die Betriebe. Damit schaffe man die Grundlage für eine wettbewerbsfähige Nahrungsmittelproduktion in der EU, so Klöckner.
Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast ist der Ansicht, dass Europas Landwirtschaft grüner und gerechter werde, weil es um gesellschaftliche Themen wie Umweltschutz, Klimaschutz und gesunde Ernährung gehe. Das hätten Rat und Parlament beschlossen. Sie begrüße diese Vorentscheidungen. Die letzten Hürden müssten jetzt zügig in den sogenannten Trilogverhandlungen zwischen Rat, Kommission und EU-Parlament genommen werden.
Man habe dann die historische Chance, durch einen nationalen Strategieplan die Leitplanken der Gemeinsamen Agrarpolitik für die nächsten Jahre in Deutschland selbst festzulegen. Die Arbeiten am nationalen Strategieplan laufen bereits. Dabei müsse man Wirtschaftlichkeit und Ökologie vereinen. Konkrete Vorschläge für Niedersachsens Landwirte werde man aktiv in den weiteren Entscheidungsprozess einspeisen, so Otte-Kinast.
Anders sieht das der NABU. Die Einigung der EU-Agrarminister zur künftigen gemeinsamen Agrarpolitik bewertet der NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller als Armutszeugnis für den Klima- und Artenschutz.
„Die Landwirtschaftsminister haben dem Europäischen Green Deal heute eine Kampfansage erteilt. Statt Hunderttausenden Agrarbetrieben bei der Umstellung auf eine klima- und naturverträgliche Zukunft zu helfen, zementieren sie mit Steuergeldern von morgen ein schädliches Subventionssystem von vorgestern.“
Existenzielle Probleme wie die Klimakrise, Dürren und Insektensterben würden so nicht gelöst. Im Gegenteil: Die Betriebe würden allein gelassen mit unweigerlich steigenden Klima- und Umweltauflagen. Dieser Beschluss sei ein deutlicher Rückschritt gegenüber den viel zu schwachen Reformvorschlägen der Kommission.
Die ohnehin wenigen Umweltambitionen, mit denen Julia Klöckner die deutsche Ratspräsidentschaft angetreten habe, seien in den Verhandlungen stark aufgeweicht worden. Aus Angst vor Konflikten mit Interessenverbänden habe die Ministerin den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht - zulasten von Natur und Klima, so Miller.
Nach bisherigen Informationen werde es bei den Bedingungen für den Erhalt von Subventionen keine Fortschritte dahin gehend geben, dass Betriebe nicht-produktive Flächen für die Biodiversität zur Verfügung stellen müssen. Das allerdings wäre der entscheidende Schlüssel, um bestäubenden Insekten und Vögeln zu helfen.
Zwar habe Bundesagrarministerin Julia Klöckner ein Mindestbudget für die sogenannten Öko-Regelungen (Eco-Schemes) von 20 Prozent durchgesetzt, ohne jedoch konkrete Vorgaben zur Wirksamkeit der Maßnahmen zu machen. Im ungünstigsten Fall sollten diese zudem erst ab 2025 greifen, so Miller. Das wäre viel zu spät und deutlich zu wenig für eine echte Trendwende in der Agrarpolitik.


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