Sitzen fünf Weiße in der Runde und reden über Rassismus
„Das Ende der Zigeunersauce: Ist das ein notwendiger Schritt?“ Diese Frage wurde vor Kurzem in der Talkrunde „Die letzte Instanz“ im WDR gestellt und diskutiert. In den darauffolgenden Tagen wurde harsche Kritik gegen den Sender laut, da zur Debatte lediglich weiße, privilegierte Prominente eingeladen wurden. Menschen, die sich in ihrem Leben vermutlich nie aktiv mit den Themen Rassismus und Antiziganismus, dem Hass gegenüber Sinti und Roma, auseinandersetzen mussten. Dieses Panel durfte dann darüber abstimmen, ob sie Wörter wie „Zigeunersauce“ und „Mohrenkopf“ für diskriminierend halten. Alle stimmten dagegen. Habe man früher doch auch gesagt. Gut, da hat man auch ganz andere Sachen noch gesagt.
Die Gäste argumentierten in erster Line damit, dass sie selbst viele ausländische Freunde hätten, die sich nie über derartige Wörter aufregen würden. An dieser Stelle wird bereits die erste Problematik deutlich. Erstens: Kann man einzelne Individuen repräsentativ für eine große Gruppe von Menschen anführen? Müssen deshalb alle, die zu dieser Gruppe gehören, unbedingt die gleiche Meinung vertreten? Das zu bejahen, wäre bereits rassistisch, weil man den Einzelnen nur als Exemplar der Gruppe begreift. Und zweitens: Sagen diese „befreundeten“ Menschen aus ehrlicher Überzeugung, dass sie rassistische Ausdrücke nicht stören, oder haben sie sich lediglich mit dem Alltagsrassismus ihrer Freunde abgefunden?
Viele Begriffe unseres heutigen Wortschatzes sind seit Jahrhunderten fest in unserem Sprachgebrauch verankert. Aber wissen wir auch immer, wo die Begriffe ihren Ursprung haben? Kennen wir die geschichtlichen Hintergründe und können sicher sagen, dass alle unsere Wörter moralisch vertretbar sind? Ich denke nicht. „Jedem das Seine“ zum Beispiel sagen viele. Hing aber am Eingangstor vom KZ Buchenwald. Wo man auch Sinti und Roma tötete, weil sie für die Nazis „Zigeuner“ waren.
Man sollte die Welt sich nicht nur wirtschaftlich und technisch fortschreiten lassen. Wir sollten auch anfangen, fortschrittlich zu denken. Ein Festhalten aber an Begriffen wie „Zigeuner“ und „Mohr“ ist alles andere als fortschrittlich. Damit werden weiterhin gezielt bestimmte Personengruppen degradiert und als unnatürlich und abweichend von der typischen Norm behandelt. Hat man ja früher auch so gemacht, nicht wahr? Zudem stehen diese Worte in einem bestimmten rassistischen Kontext.
Kein Wunder also, dass sich Menschen, die so bezeichnet werden, oder deren Großeltern aufgrund einer scheinbaren - mit diesem Worten bezeichneten - Andersartigkeit unterdrückt oder gar im KZ getötet wurden, von der Benutzung solcher Begriffe angegriffen oder verletzt fühlen. Dem größten Teil unserer Gesellschaft erscheinen solche Themen als unnötige Problematisierung. Nicht zuletzt deshalb, weil damit auch die Verbrechen ihrer Ahnen verhandelt werden. Andere werden hingegen an Zeiten zurückerinnert, in denen sie oder ihre Vorfahren gezielt von der Gesellschaft gegängelt wurden. Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges starben etliche Häftlinge in den Konzentrationslagern mit einem tätowierten „Z“ auf dem Arm, welches sie als „Zigeuner“ auszeichnen sollte.
Derartige Probleme zu verdrängen und zu ignorieren, zeugt nicht nur von Intoleranz. Am Begriff „Zigeuner“ festhalten, aber die Lage von Sinti und Roma, die in Rumänien unter übelsten Bedingungen abgegrenzt von der restlichen Gesellschaft leben müssen, ignorieren wollen - das ist Alltagsrassismus.
Den schafft man zwar nicht ab, indem man auf jedes Wort achtet, das man sagt. Das tue ich auch nicht. Das sollte aber auch nicht der Punkt der Diskussion sein. Viel eher sollten wir lernen, unserer Privilegien, die wir als Angehörige der Mehrheitsgesellschaft haben, dazu zu nutzen, Menschen zu unterstützen, die nicht gehört werden. Um gemeinsam die Gesellschaft so zu ändern, dass Rassismus der Geschichte und nicht mehr der Gegenwart angehört.