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Patrick Viol

Kommentar: Ausbeutung ist das Prinzip

Warum ein gesetzlich abgesicherter Naturschutz und bessere Arbeitsbedingungen kein Ende der Ausbeutung von Mensch und Natur bedeuten, diskutiert Patrick Viol in seinem Kommentar.
 
Bild: wiki commons

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Der Verlust der Artenvielfalt auf der einen Seite und die miesen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie auf der anderen haben etwas gemeinsam: Sie sind Resultate unserer Produktionsweise, die nicht auf der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse (von tierischen braucht man gar nicht reden), sondern auf der Anhäufung von Mehrwert durch Konkurrenz und Produktivkraftsteigerung basiert. Die Landwirtschaft auf der einen und die Fleischindustrie auf der anderen Seite arbeiten daher innerhalb eines Rahmens, der ihnen abverlangt - sofern sie nicht untergehen wollen -, aus den gegebenen rechtlichen Bedingungen so viel wie möglich rauszuholen. Intensive Flächennutzung und „Effizienz steigernde“ Arbeitsbedingungen, das heißt: Die größtmögliche Ausbeutung der Natur wie der Arbeitskräfte ist der alltägliche Arbeitsmodus. Der hat Folgen, langfristige und immer wieder ganz unmittelbare. Der Bericht der Lage zur Natur macht auf die langfristigen aufmerksam: das Artensterben. Das wiederum andere, noch nicht abschätzbare Folgen zeitigen wird. Und der durch den Zwang zur Ausbeutung der Arbeitskräfte bedingte mangelhafte Arbeitsschutz führte in großen Schlachtbetrieben nun unmittelbar zu massenhaften Ansteckungen mit Covid-19. Von denen man nur hoffen kann, dass sie nicht zu schweren Krankheitsverläufen führen.
Gegen das Artensterben wird jetzt ein Volksbegehren auf den Weg gebracht, um den Naturschutz gesetzlich zu verankern. Das zu tun, ist vernünftig, bleibt aber selbst eine kurzfristige Maßnahme. Es wird dadurch nicht das ausbeuterische Verhältnis zur Natur insgesamt verändert. Im Grunde handelt es sich dabei lediglich um ein erweitertes und verbessertes Folgenmanagment unserer für die Artenvielfalt schädlichen Produktionsweise. Das macht lediglich die Beherrschung der lebendigen Natur weniger ruinös, während es darum ginge, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur vernünftig zu gestalten. Das heißt, sich auf Natur nicht mehr bloß instrumentell zu beziehen: Ohne Angst vor ihr gut von ihr leben zu können, ohne sie zu brechen. Dazu bedürfte es aber freier, d. h. nicht ausgebeuteter Menschen. Die aber werden nicht dadurch frei, dass man bloß bessere Arbeitsbedingungen schafft, wie beispielsweise mit dem Verbot für Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie. Dadurch endet nicht die Ausbeutung der Arbeitskräfte. Dass Bundesarbeitsminister Heil glaubt, er betriebe mit dem Verbot eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Ausbeutung, verrät nur die sozialdemokratische Verkürzung seines Begriffs von Ausbeutung. Es ist wie beim Naturschutz: Ein besserer Arbeitsschutz ist zwar dringend notwendig, beendet aber keineswegs die Ausbeutung von Menschen, er gestaltet sie nur angenehmer. Ausbeutung erschöpft sich eben nicht darin, dass man schlechten Arbeitsbedingungen ausgesetzt ist. Sie liegt prinzipiell darin, dass die natürliche Fähigkeit der Menschen, mehr zu arbeiten, als sie für ihre Reproduktion benötigen, vollends in die Akkumulation von Mehrwert eingespeist wird. Ausbeutung ist, dass sich die potenziell frei verfügbare Zeit der Menschen durch die absolute Inanspruchnahme ihrer natürlichen wie gesellschaftlich gesteigerten Fähigkeit in Mehrarbeit verkehrt und ihnen dadurch eine freie Gestaltung der Welt unmöglich ist. Das heißt: Erst wenn die Menschen ihre Produktion so gestalten, dass ihnen das größtmögliche Quantum freier Zeit zukäme, dann könnte auch die lebendige Natur durchatmen.


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