Kinderbuchheldin wird 75
Vor 75 Jahren, am 21 Mai 1944, am zehnten Geburtstag ihrer Tochter Karen, schickt Astrid Lindgren eine Abschrift und einen Brief an den Bonnier Verlag. Das Manuskript einer Geschichte von einem Mädchen, das heute jeder kennt: Pippi Langstrumpf.
Ihre Geschichte wird abgelehnt, aber Lindgren ist nicht entmutigt, sie schreibt weiter. So gewinnt Lindgren mit ihrem Buch „Britt-Mari“ den zweiten Preis beim Preisausschreiben des schwedischen Verlages „Rabén und Sjögren“. Die Bibliothekarin und Märchensammlerin Elsa Elenius ist von Lindgrens Werk angetan. Sie ermutigt Astrid Lindgren dazu, mit ihrem Werk „Pippi Langstrumpf“ an einem Wettbewerb des Verlages teilzunehmen. Mit einer überarbeiteten Version ihres Buches hat sie schließlich Erfolg: 1945 gewinnt sie mit „Pippi Langstrumpf“ den Kinderbuch-Wettbewerb des Verlages „Rabén und Sjögren“. Am 1.September des Jahres 1945 erscheint „Pippi Langstrumpf“ erstmals als Buch, es folgen die Bände „Pippi geht an Bord“ und „Pippi in Taka-Tuka-Land“.
1949 holt der Hamburger Verleger Friedrich Oetinger das Buch „Pippi Langstrumpf“ nach Deutschland, wo die Bücher bis heute insgesamt über 8,6 Millionen mal verkauft wurden. Insgesamt in 77 Sprachen werden Pippis Geschichten übersetzt.
Eine Heldin wird geboren
Im Herbst 1941 liegt Astrid Lindgrens Tochter Karin mit einer Lungenentzündung im Bett. Sie bittet ihre Mutter, ihr eine Geschichte zu erzählen. Sie soll damals gesagt haben: „Bitte, erzähl mir von Pippi Langstrumpf.“
Und Astrid Lindgren beginnt zu erzählen. Eine besondere Geschichte, mit einer noch außergewöhnlicheren Hauptfigur. Pippi Langstrumpf, die mit ihren neun Jahren allein in der Villa Kunterbunt lebt, zusammen mit dem Affen „Herr Nilsson“ und dem Pferd „Kleiner Onkel“. Ein Mädchen mit fünf Vornamen und feuerroten Zöpfen, die wild vom Kopf abstehen.
Und Pippi kann noch viel mehr. Sie kann ein großes Pferd ganz alleine tragen, hat einen Koffer voller Goldstücke und ist sogar stärker, als der stärkste Mann der Welt. Und doch ist sie auch das lebensfrohe Mädchen, das ihren ganzen Kopf in die Waschschüssel zum Haare waschen steckt und lieber ihre Füße als den Kopf auf das Kopfkissen legt. Die Hauptfigur Lindgrens ist frech, furchtlos und vor allem für die beiden Kinder Thomas und Annika eine gute Freundin.
Pippi ist einfach anders, deshalb ist es auch kein Wunder, dass sie von den Erwachsenen im Buch nicht besonders gemocht wird und sie schon damals singt: „Ich mach‘ mir die Welt - widdewidde wie sie mir gefällt.“ Auch verkörpert Pippi ein Bild, das zu damaligen Zeit undenkbar ist. Ein Mädchen, das ganz alleine ohne Eltern lebt, wild und stark wie ein Junge ist, Traditionen und Regeln ablehnt und sich nahezu unverschämt gegenüber den Erwachsenen verhält.
Dies sorgt anfangs für Kritik. Der schwedische Literaturkritiker Professor John Landquist bezeichnet Pippi, in der Zeitung Aftonbladet, als „kein normales Kind“ Für ihn erinnere Pippi Landstrumpfs Verhalten an die „Phantasien eines Irren“.
Eine bedeutende Geschichte
Doch Pippi Langstrumpfs Geschichte begeistert Generationen. Bereits meine Oma, meine Mama und auch ich haben das Buch gelesen sowie die Filme, die ab 1969 nach Deutschland kommen, gesehen. Doch seit Erscheinen der Film ist viel Zeit vergangen. Die schwedische Schauspielerin Inger Nilsson, die die Titelrolle verkörpert, ist heute 61 Jahre alt. Doch trotzdem ist die Geschichte immer noch bedeutend. Sogar die Mehrheit meiner Freundinnen ist in ihrer Kindheit mit Pippi Langstrumpf in Berührung gekommen.
Es ist vor allem aber Astrid Lindgren selbst, dessen Leben heute begeistert. Es ist das Leben einer jungen Frau, die sich den Normen der damaligen Zeit widersetzt, sich die Haare kurz schneidet und mit 18 Jahren einen unehelichen Sohn bekommt. Eine, die sich schon früh durchschlagen muss und einen unkonventionellen Weg wählt. Später wird sie zu den berühmtesten Kinderbuchautoren zählen. Doch die Bekanntheit Lindgrens ist verdient, denn ich finde, es ist schon eine wahnsinnige Leistung, ein Buch zu schreiben, dessen Hauptfigur auch nach 75 Jahren fast jeder kennt und dessen Geschichte nicht mehr aus dem Kinderzimmer wegzudenken ist.
Villa Kunterbunt
Manchmal spielte sie Villa Kunterbunt.
Dann fühlte sie sich wieder wie ein kleines Mädchen.
Sie lief dann schreiend herum,
aß zu viel Schlagsahne,
entdeckte Dinge,
die ihr so neu vorkamen,
als hätte sie das Leben gerade erst herangespült.
In der Villa Kunterbunt konnte sie schreien
und aus der Reihe tanzen.
Einen eigenen Zirkus erfinden.
Und sie musste nicht bezahlen,
weder mit Sorgen,
noch mit der Vernunft.
(Gedicht von Amelie Nobel)