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Lena Stehr/Jörg Monsees

Impfstart im Landkreis

Osterholz-Scharmbeck. Mobile Teams sind in Pflegeeinrichtungen unterwegs. Bundesweit ist unterdessen eine Debatte über Fehler beim Impfstart entbrannt.
Rita Schreiber-Witte gehörte zu den ersten Bewohner:innen des Landkreises, die gegen das Coronavirus geimpft wurden.  Foto: eb

Rita Schreiber-Witte gehörte zu den ersten Bewohner:innen des Landkreises, die gegen das Coronavirus geimpft wurden. Foto: eb

Seit Montag wird auch im Landkreis gegen das Coronavirus geimpft. Zwei mobile Impfteams besuchen im ersten Schritt die Pflegeeinrichtungen im Kreisgebiet, um Bewohner:innen und Personal zu impfen. Bundesweit ist unterdessen eine Debatte über Fehler beim Impfstart entbrannt.
„Mit den ersten Schutzimpfungen gegen das Coronavirus im Landkreis Osterholz machen wir einen bedeutsamen Schritt in der Bekämpfung der Corona-Pandemie“, freut sich Landrat Bernd Lütjen. Der Impfstart gebe Hoffnung und Zuversicht, dass in einiger Zeit weniger harte Einschränkungen notwendig seien, um ältere und vorerkrankte Menschen zu schützen. „Wir sind aktuell mit zwei mobilen Impfteams im Kreisgebiet unterwegs, die die rund 1.300 Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen und die dort rund 1.400 tätigen Mitarbeitenden nach und nach impfen sollen“, erklärt der Landrat weiter. Ein mobiles Impfteam besteht aus einem Arzt, einer medizinischen Fachkraft und einer Verwaltungskraft.
 
„Ich habe gar nichts gemerkt“
 
Die ersten Einsätze der beiden dreiköpfigen Teams fanden am Montag parallel in Osterholz-Scharmbeck und Meyenburg statt. Marcus Braun, der in dem Schwaneweder Ortsteil mit seiner Frau das Haus am Schwanenberg leitet, berichtet von einem reibungslosen Ablauf. „Das war viel Vorbereitung für uns, es hat sich aber am Ende gelohnt. Es ist supergelaufen mit dem Impfteam“, sagt der Diplom-Pflegewirt. Vorab wurden Einverständniserklärungen und Aufklärungs- und Anamnesebögen zur Impfung ausgehändigt und vor dem Impftermin ausgefüllt und unterschrieben wieder eingesammelt. So konnte am Montag direkt mit den Impfungen begonnen werden. Knapp vier Stunden habe die Aktion im Haus am Schwanenberg gedauert, erzählt Marcus Braun.
„26 von 28 Bewohnern wurden bei uns geimpft“, sagt Braun. Eine Bewohnerin habe den Impftermin verpasst, weil sie im Krankenhaus lag, eine weitere schwer demente Bewohnerin wollte sich nicht impfen lassen. Insgesamt bekamen 47 Personen den Impfstoff verabreicht, darunter auch Marcus Braun und seine Frau. „Wir wollten mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt er. Während die Bewohner:innen den Impfstart herbeisehnten und auf baldige Lockerungen der Besuchsregeln hofften, habe es beim Personal schon eher Vorbehalte und Ängste, etwa vor allergischen Reaktionen gegeben, berichtet Braun.
Außer Müdigkeit habe es aber keine erkennbaren Nebenwirkungen gegeben, erzählt Braun zwei Tage nach der Impfung. „Einige Mitarbeiter waren am nächsten Tag etwas angeschlagen. Ich habe gar nichts gemerkt, die Bewohner auch nicht.“ Am 25. Januar soll das mobile Impfteam in Meyenburg die zweite Dosis verabreichen. „Danach sollten wir innerhalb von sieben Tagen immun sein.“
 
Start im Impfzentrum wieder abgesagt
 
Der Landrat hofft, dass auch bald das Impfzentrum in der Stadthalle in Osterholz-Scharmbeck öffnen kann. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten des Impfstoffes hat das Land seinen kurzfristig geplanten Start vorerst abgesagt. „Von unserer Seite aus ist alles vorbereitet. Wir warten nun auf ein Zeichen des Landes zu möglichen Terminvereinbarungen und Impfstofflieferungen“, erklärt Lütjen, denn die Terminvereinbarungen seien ausschließlich online und telefonisch über das Land möglich.
 
Niedersachsen bislang Schlusslicht
 
Das Land Niedersachsen hat inzwischen mehr als 50.000 Impfdosen ausgeliefert (Stand: 7. Januar) und wollte im Laufe der vergangenen Woche noch ca. 10.000 weitere Dosen an die Impfzentren ausliefern. Jedes Impfzentrum habe damit laut Gesundheitsministerin Dr. Carola Reimann eine Lieferung mit mindestens 975 Impf-Dosen erhalten. Auch in den benachbarten Landkreisen Rotenburg und Cuxhaven wurde allerdings bislang in den Zentren noch niemand geimpft, da zunächst mobile Teams in den Alten- und Pflegeheimen starteten.
Wenn der Schutz der Heimbewohner:innen hergestellt sei, werde das Land im Laufe der kommenden Woche alle Bürger:innen über 80 Jahren per Brief anschreiben und über das Impfprozedere informieren. Ab dem 28. Januar werde dann das Anmeldeportal freigeschaltet.
Die Geschwindigkeit, mit der geimpft werden könne, hänge im Wesentlichen von der Verlässlichkeit und dem Umfang der Lieferungen des Impfstoffes ab, so Reimann.
Am 4. Januar wurden in Niedersachsen 3.271 Impfungen durchgeführt, am 5. Januar 6.499 Impfungen und am 6. Januar 7.444 Impfungen. Im bundesweiten Vergleich belegte Niedersachsen Mitte vergangener Woche mit 1,9 Impfungen pro 1.000 Einwohner:innen noch den vorletzten Platz, nur Thüringen (1,7) schnitt schlechter ab.
Ein Grund dafür könnte der stockende Nachschub von Impfstoff sein. So habe Niedersachsen Ende 2020 15.000 Dosen weniger als angekündigt erhalten, eine Lieferung über 63.000 Dosen sei sogar komplett entfallen, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Die nächste Impfstofflieferung für Niedersachsen über 63.000 Dosen war für den 8. Januar angekündigt. Danach soll erst wieder am 18. Januar Impfstoff eintreffen.
 
Streit auf Bundesebene
 
Auf Bundesebene hat der Impfstart einen heftigen Streit ausgelöst. Nicht nur die Opposition wirft der Bundesregierung vor, bei der Vorbereitung versagt zu haben. Auch aus der SPD kommt Kritik: Deutschland stehe schlechter da als andere Länder und es sei zu wenig Impfstoff bestellt worden, bemängelte etwa SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Außerdem sei die Strategie im Vorfeld mit den Bundesländern nicht ausreichend abgestimmt worden. Teile der SPD forderten gar einen Untersuchungsausschuss, Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) schickte einen umfassenden Fragenkatalog an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er möchte Details über die Impfstoff-Bestellung der EU erfahren und außerdem wissen, ob der Gesundheitsminister versucht habe, zusätzliche Lieferungen für Deutschland zu bekommen.
 
Zulassung für Moderna
 
Die Schwierigkeiten beim Impfstart liegen mitunter daran, dass bisher nur das Vakzin von Biontech/Pfizer in der EU zugelassen war. Entsprechend hoffen die Verantwortlichen, demnächst Impfstoffe mehrerer Hersteller einsetzen zu können. Inzwischen hat die Europäische Kommission auch dem Impfstoff des US-Herstellers Moderna die Zulassung erteilt. Die Wirksamkeit des Moderna-Impfstoffs liegt offenbar bei gut 94 Prozent. Biontech und Pfizer hatten die Wirksamkeit ihres Vakzins auf 95 Prozent beziffert. Beide Impfstoffe basieren auf einer neuen Technologie, der sogenannten Boten-RNA (mRNA), die den menschlichen Zellen die Information zur Produktion von Proteinen und damit zur Bekämpfung der Krankheitserreger vermitteln soll. Deutschland rechnet in den ersten Wochen mit mindestens 1,5 Millionen Dosen vom Moderna-Impstoff. Insgesamt hat sich Deutschland über die EU 50 Millionen Impfdosen dieses Herstellers gesichert. Zusammen mit den Dosen von Biontech und Pfizer werde die Bundesrepublik laut Gesundheitsminister Jens Spahn mehr als 130 Millionen Dosen erhalten.
 
Der Rest der Welt muss warten
 Weitaus düsterer sieht es derweil im sogenannten globalen Süden aus. Das Problem sind einerseits die finanziellen Mittel - die Impfstoffe von Biontech und Moderna sind die teuersten. Andererseits haben sich die reicheren Staaten große Teile der Produktion gesichert. Die Weltgesundheitsorganisation hatte sich um eine gerechte Verteilung der ersten Impfstoffe bemüht. Gemessen an der Bevölkerungszahl erhalten die wohlhabenden Staaten des Westens dennoch anteilsmäßig deutlich mehr Impfstoff-Dosen, als der Rest der Welt. In Südafrika ist es deshalb schon zu Protesten gekommen. Dort verbreitet sich eine Mutation des Coronavirus trotz sommerlicher Hitze rasant, das Land ist seit Ende Dezember im Lockdown mit Ausgangssperre ab 21 Uhr. Viele Krankenhäuser sind voll, Verhandlungen über Impfstoff-Bestellungen soll es erst ab Februar geben. Das Klima ist in Südafrika eine zusätzliche Herausforderung, nicht überall kann eine ausreichende Kühlung der Impfstoffe gewährleistet werden. Deshalb setzt die Regierung ihre Hoffnungen in Impfstoffe anderer Hersteller wie AstraZeneca, die nicht so stark gekühlt werden müssen und möglicherweise auch nur in einer Dosis verabreicht werden können.


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