

Worpswede. Der Barkenhoff in Worpswede wird erneut Schauplatz eines außergewöhnlichen Theaterstücks. Die Cosmos Factory zeigt auf kleiner Bühne das Projekt „Rilkes Requiem für Paula“ – eine etwa 40 Minuten dauernde Inszenierung, gewidmet der tiefen Freundschaft zwischen Rainer Maria Rilke und Paula Modersohn-Becker. Ausgangspunkt ist eines der bedeutendsten und komplexesten Werke des in Prag geborenen Dichters: das in freiem Versmaß geschriebene Gedicht „Requiem für eine Freundin“, das Rilke ein Jahr nach dem Tod seiner Freundin 1908 in Paris vollendete.
Eine besondere Künstlerfreundschaft
Paula Modersohn-Becker und Rainer Maria Rilke lernten sich im Sommer auf dem Barkenhoff kennen. Er kam gerade von einer Russlandreise, sie war aus Paris zurückgekehrt. Regisseur und Darsteller Oliver Peuker beschreibt die beiden als „internationale Weltbürger“ – es sei eine der „interessantesten Künstlerfreundschaften des 20. Jahrhundert“ entstanden.
Als Paula Modersohn-Becker am 20. November im Alter von nur 31 Jahren im Kindbett starb, traf das Rilke tief. Am darauffolgenden Allerseelentag vollendete er sein „Requiem für eine Freundin“ – eine poetische Auseinandersetzung mit Tod, Verlust und der Leere, die ihre Abwesenheit hinterließ. „Rilke hatte das Gedicht innerhalb von zwei Tagen geschrieben. In jeder Zeile merkt man, wie sehr er Paula Modersohn-Becker kannte und wie nah sie sich waren. Insgesamt ist das Gedicht eine unglaublich große Wertschätzung gegenüber einer seiner besten Freunde“, sagt Peuker.
Poesie der Trauer
Das Stück erlaubt nicht nur einen Einblick in Rilkes persönliche Trauer, sondern macht Erfahrungen von Schmerz, Abschied und innerem Ringen auch für heutige Zuschauer:innen nachvollziehbar. Die Inszenierung bleibt nah am Text, weicht aber ins Atmosphärische aus – als würde der Dichter aus einem Zwischenreich zu uns sprechen.
Theater im Strohballenhaus
In insgesamt 24 Vorstellungen plant Oliver Peuker, Rainer Maria Rilke in einem „theatralen Ritual“ zwischen Diesseits und Jenseits lebendig werden zu lassen. Unterstützt wird er dabei von seiner Tochter Anouk Falkenstein, die als Regieassistentin agiert.
Vom 18. Juli bis 10. August wird „Rilkes Requiem für eine Freundin“ freitags, samstags und sonntags jeweils um 17 und 18 Uhr im Strohballenhaus am Barkenhoff aufgeführt. Das 2004 aus natürlichen Materialien errichtete Haus bietet nur 22 Zuschauer:innen Platz – ein intimer Rahmen, den die gewölbten Wände akustisch wie atmosphärisch verstärken.
Eintrittskarten kosten 18 Euro und sind erhältlich bei der Tourist-Information Worpswede, Bergstraße 13, oder per E-Mail unter tickets@cosmosfactory.de. Die Abendkasse öffnet jeweils um 16.30 Uhr, der Einlass erfolgt unmittelbar zum Vorstellungsbeginn. Ein pünktliches Erscheinen ist erforderlich – ein Nacheinlass ist nicht möglich.
Aus dem Requiem:
Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist:
die Freiheit eines Lieben nicht vermehren
um alle Freiheit, die man in sich aufbringt.
Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies:
einander lassen; denn daß wir uns halten,
das fällt uns leicht und ist nicht erst zu lernen.
Bist du noch da? In welcher Ecke bist du? –
Du hast so viel gewußt von alledem
und hast so viel gekonnt, da du so hingingst
für alles offen, wie ein Tag, der anbricht.
Die Frauen leiden: lieben heißt allein sein,
und Künstler ahnen manchmal in der Arbeit,
daß sie verwandeln müssen, wo sie lieben.
Beides begannst du; beides ist in Dem,
was jetzt ein Ruhm entstellt, der es dir fortnimmt.
Ach du warst weit von jedem Ruhm. Du warst
unscheinbar; hattest leise deine Schönheit
hineingenommen, wie man eine Fahne
einzieht am grauen Morgen eines Werktags,
und wolltest nichts, als eine lange Arbeit, –
die nicht getan ist: dennoch nicht getan.