Patrick Viol

Gefährliche Missachtung: Fehlende Daten über Frauenkörper können lebensbedrohlich werden

Datenerhebungen z. B. für technische und medizinische Entwicklungen missachten Frauenkörper. Das kann mitunter fatale Folgen haben. Bezeichnet wird das als Gender Data Gap.
Mit der Renaissance wurde der Mensch an sich männlich und zum Maß aller Dinge. Zum Nachteil von Frauen.

Mit der Renaissance wurde der Mensch an sich männlich und zum Maß aller Dinge. Zum Nachteil von Frauen.

Am 1. März fand der Equal Care Day, am 8. März der internationale Frauenkampftag und am 10. März der Equal Pay Day statt - allesamt feministische Tage, um auf die reale Ungleichbehandlung von Männern und Frauen und die Ungerechtigkeit im Geschlechterverhältnis hinzuweisen.
Frauen leisten mehr unbezahlte notwendige Fürsorge-Arbeit in Familien und Partnerschaften als Männer. Und auf dem Arbeitsmarkt werden sie für gleiche Arbeit schlechter bezahlt und sind zudem täglich sexistischer Gewalt ausgesetzt. In Familien, Partnerschaften, in Clubs und auf der Straße.
Doch nicht alle Anliegen der Frauenbewegung zielen auf eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Mit dem Gender Data Gap wird zwar z. B. bei technischen Entwicklungen eine gleiche Berücksichtigung von Männern Frauen gefordert. Aber bei der Berücksichtigung von Frauen eine Rücksicht auf die physiologische Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen. Oder anders gesagt: Mit dem Gender Data Gap wird die Tatsache kritisiert, dass sich Entwicklungen in der Forschung, der Technik, dem Design und der Medizin fast ausschließlich am männlichen Körper orientieren. Und das kann zum Teil schwere negative Folgen für Frauen haben.
 
Was ist der Gender Data Gap?
 
Der Begriff steht in einer Reihe mit anderen „Gender-Gaps“, also Lücken in der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, und stammt aus den Genderstudies. Beim Gender Data Gap handelt es sich um eine Lücke bei Datenerhebungsverfahren, die gesellschaftlich, politisch oder medizinisch relevant sind, die zu Ungunsten eines bestimmten, in den meisten Fällen des weiblichen Geschlechts ausfällt.
 
Tödliche Missachtung
 
Michael Ahmadi, Sozioinformatiker an der Uni Siegen, erklärt, dass z. B. bei der Entwicklung von Smartwatches und den dazu gehörigen Gesundheitsapps „vergessen wurde“, Menstruationszyklen zu integrieren. „Da fehlt dann etwas“, so Ahmadi.
Oder, dass Frauen in Großraumbüros oder Schulklassen eher frieren als Männer, liege daran, dass die Durchschnittstemperatur von Räumen am Kälteempfinden von Männern orientiert ist. Und da ihnen aufgrund größerer Muskelmasse nicht so schnell kalt wird, frieren Frauen eher in großen Räumen mit einem zentralen Wärmesystem.
Das Übersehen weiblicher Körper kann in anderen Bereichen auch lebensgefährlich werden. Zum Beispiel bei der Konstruktion von Automobilen. Frauen sind zwar weniger in Autounfälle verwickelt als Männer, werden dabei aber häufiger schwer oder tödlich verletzt. Das liegt daran, dass Crashtest-Dummies in der Regel dem durchschnittlichen Männerkörper nachempfunden sind. So würden laut Ahmadi vor allem Airbags für Frauen gefährlich.
Gefährlich wird die Orientierung an Männerkörpern auch in der Medizin. So würden lauf Caroline Criado Perez z. B. Medikamente primär an Männern getestet. Dass dazu führt, dass Nebenwirkungen für Frauen gar nicht erforscht wurden. Das könne dazu führen, dass manche Medikamente gar nicht wirken, andere im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden.
Ein anderes Beispiel aus der Medizin: Auch wird der männliche Körper als Referenz für Diagnosen von Symptomen genommen, obgleich sich ein Herzinfarkt bei Frauen ganz anders zeigt als bei Männern. Das heißt auch, dass Medizinstudent:innen, da diese Orientierung am Männerkörper auch in die Lehrbücher eingeht, bezüglich Frauenkörper unzureichend und falsch geschult werden. Was in einem akuten Fall zu einer Fehldeutung von Symptomen und mitunter zum Tod führen kann.
 


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