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Gästepflege statt Geldverdienen: Über die Situation in der Gastronomie

Osterholz-Scharmbeck (pvio/jm). Die Corona bedingten Auflagen unter Vorbehalt erschweren die Wiedereröffnungen in der Gastronomie. Der ANZEIGER hat sich mit dem Hotelier Carsten Rohdenburg und dem Gastwirt Jürgen Bohling unterhalten.

Nein, es werde keinem gelingen, „zurzeit wirtschaftlich zu arbeiten“, so Carsten Rohdenburg, der erste Vorsitzende des DeHoGa Kreisverbandes Osterholz-Scharmbeck und Inhaber des Land-gut-Hotels Rohdenburg. Darum ginge es aber derzeit auch gar nicht. Die Öffnungen nach dem Shutdown erlauben, erste Schritte zu wagen und wieder sichtbar zu werden. Vor allem aber gehe es darum, die Mitarbeiter*innen wieder aus der Kurzarbeit zu holen. Damit auch sie wieder eine „Perspektive bekommen,“ so Rohdenburg.
Das wünscht sich auch Jürgen Bohling, der Betreiber des Schützenhofs in Hüttenbusch. Er hat vier Festangestellte, die seit März in Kurzarbeit sind. „Das wird auch noch bis Juni so bleiben“, sagt Bohling. Solange keine großen Veranstaltungen abgehalten werden dürfen. Bis dahin muss er versuchen, mit der Bedienung von 22 Gästen über die Runden zu kommen.
Das Land sieht die Möglichkeit für große Veranstaltungen - wenn überhaupt - erst nach dem August. Für Bohling sind sie das Hauptgeschäft. Schützenfeste und Erntefeste spielen für sein Jahresgeschäft eine große Rolle. Die fallen dieses Jahr aber alle aus. Das bedauert auch Rohdenburg. „Der Wermutstropfen liegt darin, dass noch nicht alle Kolleginnen und Kollegen von der Öffnung mit Auflagen profitieren können. Ich denke hier an die Saalbetreiber, die sich auf Familienfeiern und Feste spezialisiert haben.“
 
Zusätzliche Belastungen
 
Derzeit hält Bohling sich mit einem Drive-In-Lösung über Wasser. Aber das liefe nicht einmal auf ein „Plus-Minus-Null-Geschäft“ hinaus. So tue lediglich das Minus etwas weniger weh. Daran wird sich auf absehbare Zeit auch nicht viel ändern. Rohdenburg macht diesbezüglich auf eine Schwierigkeit aufmerksam, die mit den Lockerungen einhergehe. „Alle werden zunächst mehr Kosten als Einnahmen haben. Zum einen, weil wir die Nachfrage auf Dauer gar nicht einschätzen können und zum anderen, weil wir durch die Auflagen mehr Mitarbeiter brauchen, um diese umzusetzen“, erklärt Rohdenburg.
Die Maßnahmen sind in der Tat umfangreich. Und die Gastwirte sind dazu verpflichtet, zu kontrollieren, ob sie von den Gästen und den Mitarbeiter*innen eingehalten werden. Dass nur noch die Hälfte an Gästen kommt, heißt nicht, dass es weniger stressig in den Lokalen zugehen wird. Es kommen vielmehr Belastungen hinzu, wie die Gastronomie-Gewerkschaft NGG warnt. Problematisch sei auch, dass die Lockerungen unter Vorbehalt erfolgen. Ändern sich innerhalb der nächsten zwei Wochen die Infektionszahlen nach oben, werden sie zurückgenommen. „Bei allem Verständnis ist das keine Grundlage, die eine sichere Perspektive für die Unternehmer bietet. Wir benötigen langfristige Sicherheit, um uns vorbereiten zu können“, so der DeHoGa-Vorsitzende.
 
Unterschiedliche Erfahrungen
 
Trotz der Schwierigkeiten der letzten Wochen und der neuen, die mit den Auflagen einhergehen, fühle sich Rohdenburg von der Politik verstanden: „Wir haben hier in Niedersachsen sehr schnell den Kontakt zur Politik gesucht und sind gerade bei Wirtschaftsminister Althusmann auf viel Verständnis gestoßen. Dass Ministerpräsident Weil vor allen anderen Ländern die Öffnung unserer Branche signalisiert hat, zeigt, dass sich die niedersächsische Politik sehr viele Gedanken über unsere Branche gemacht hat.“ Bohlings Erfahrung sieht dagegen etwas anders aus. Er wartet immer noch auf die sogenannte „Soforthilfe“. Rohdenburg hat Verständnis, wenn solche Kollegen sich allein gelassen fühlen oder wütend seien. „Weil sie weder ein noch aus wissen.“ Von seinen Beschäftigten fühle sich Bohling hingegen unterstützt. Erst letzte Woche haben sie ihn mit einem kleinen Autokorso vor dem Schützhof überrascht und ihm ein aufbauendes Ständchen gesungen. „Einfach weil er der beste Chef der Welt ist“, wie seine Angestellte Sabine Schwalm erklärt. Auf ihn könne man sich immer verlassen. Das könnten auch die Kund*innen. Das Hygienekonzept stehe. Und werde auch peinlichst eingehalten. Das bestätigt auch Jana Lindemann vom Landkreis: „Viele Gastronomen wollen auf Nummer sicher gehen, das ist sehr vorbildlich.“
Bohling hofft, dass sich die Kund*innen von den neuen Regeln beim Gaststättenbesuch nicht abhalten lassen.
 
Dringende Hilfe
 
Das sollten sich auch nicht tun. Denn allen sollte klar sein, sagt Rohdenburg, wenn es den kleinen Betrieben jetzt nicht gelingt, etwas anzuziehen, werden sie schließen müssen. So „brechen ganze touristische Infrastrukturen zusammen, was uns als Ferien- und Urlaubsland langfristig schaden wird“, erklärt der Hotelier.
Aber nicht nur seien die Gäste gefragt. Rohdenburg appelliert vor allem an die Politik. „Überleben können wir nur, wenn Betriebe Zuschüsse erhalten. Gelder, die sie nicht zurückzahlen müssen. Wir benötigen dringend einen Rettungsfonds in Form von verlorenen Zuschüssen. Weitere Kredite hätten den Effekt, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen noch mehr verschulden und dann in den nächsten Jahren auch nicht wieder auf die Beine kommen.“ Die Umsätze, die man jetzt erwirtschaftet hätte, könne man nicht nachholen. Niemand, der diese Woche nicht ins Restaurant geht, geht dafür in der nächsten zweimal, sagt Rohdenburg. Und von den Bars, den Kneipen und Diskotheken war bisher noch gar nicht die Rede. Viele von ihnen werde es im nächsten Jahr nicht mehr geben. Sie müssen weiterhin geschlossen bleiben.


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