Nadine Schilling

Erfolgreiche Brut der Wiesenweihe - Greifvogelart profitiert von Schutzmaßnahmen

Landkreis (eb). Erstmals seit über 10 Jahren war in diesem Sommer wieder eine Brut der Wiesenweihe im Landkreis Osterholz erfolgreich. Die stark gefährdete Greifvogelart brütete zuletzt unregelmäßig in Feuchtwiesen der Hammeniederung. Heute werden von Wiesenweihen häufig auch Getreideäcker zur Brut genutzt - so auch in diesem Jahr im Deichvorland des Hammelwarder Sandes, einem Teilgebiet des EU-Vogelschutzgebietes „Unterweser“.

Zunächst hatten die Ornithologen Frank Bachmann und Jonas Linke gar nicht an ein Brutvorkommen gedacht: „Im April und Mai ziehen die Vögel jedes Frühjahr entlang der Weser auf dem Weg von ihren Überwinterungsgebieten südlich der Sahara zu ihren Brutgebieten durch“, erklärt Linke von der Biologischen Station Osterholz. Umso bemerkenswerter war Anfang Mai dann die Beobachtung einer Futterübergabe zwischen Männchen und Weibchen und das Verbleiben des brutverdächtigen Paares in einem Getreideacker. „Als wir dann den Verdacht einer Brut hatten, haben wir sofort den Flächeneigentümer und die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises informiert“, berichtet der Naturschutzbeauftragte des Landkreises, Frank Bachmann. In der Folge übernahmen die Vogelschützer Jonas Linke und Christopher Witte als „Wiesenweihenbetreuer“ in enger Kooperation mit dem Landwirt Peter Wahls die Betreuung des Brutpaares und die Koordination der Schutzmaßnahmen.
Wiesenweihen sind Bodenbrüter und bauen kein großes und auffälliges Nest, wie das bei anderen Greifvögeln wie dem Seeadler oder Mäusebussard der Fall ist. Die drei bis fünf Eier werden überwiegend durch das Weibchen bebrütet, welches in dieser Zeit vom Männchen versorgt wird. Nach ca. 28 Tagen schlüpfen die Jungvögel, diese Nestlinge sind nach weiteren vier Wochen schließlich flugfähig. Anschließend werden sie noch 10 bis 14 Tagen durch das Weibchen gefüttert, bevor sie schließlich selbstständig sind. Selbst bei frühem Brutbeginn Mitte Mai sind die Jungen oft noch nicht flügge, wenn im Juli die Ernte einsetzt.
Elektrozaun als Schutzmaßnahme
Bei der Ernte wurde eine Fläche von 50x50 m um das Wiesenweihen-Nest ausgespart. Für die Verzögerung der Bewirtschaftung wurde dem Landwirt eine finanzielle Anerkennung zur Honorierung der freiwilligen Schutzmaßnahmen vom Landkreis Osterholz gezahlt. Die von der Ernte ausgesparte „Rettungsinsel“ wurde anschließend mit einem Elektrozaun aus der Geflügelhaltung eingezäunt. Dieser sollte einen Schutz des Nestes und der Jungvögel insbesondere vor nachtaktiven Beutegreifern wie Füchsen und Mardern sicherstellen.
Weibchen musste Jungvögel alleine versorgen
Bereits Mitte Juni verschwand kurz vor dem Schlupf der Küken das Männchen, vermutlich infolge eines Unfalls oder durch Prädation (Erbeutung durch Fressfeinde). Somit musste das Weibchen die geschlüpften Jungvögel alleine versorgen. „Junge Wiesenweihen haben einen immensen Futterbedarf und müssen mehrere kleine Säugetiere oder Vögel am Tag fressen“, erklärt Ornithologe Jonas Linke. „Die Nahrungsverfügbarkeit ist in diesem Sommer jedoch auch außerordentlich gut, überall finden sich Kleinsäuger wie Feldmäuse“, weiß auch der kooperierende Landwirt Wahls zu berichten. Bis Ende Juli wurden insgesamt vier junge Wiesenweihen beobachtet, die nach ca. 35 Tagen im Nestumfeld flügge (flugfähig) wurden.
Erfolgreiche Kooperation
Die erste erfolgreiche Brut einer Wiesenweihe im Landkreis Osterholz seit über 10 Jahren ist das Ergebnis einer gelungenen und reibungslosen Kooperation zwischen ehrenamtlichem und behördlichem Naturschutz sowie dem betroffenen Landwirt. Denn nur über gemeinsame Projekte kann es gelingen, die gefährdeten Arten der Feldflur zu schützen und ihre Lebensräume zu erhalten. Bleibt zu hoffen, dass die jungen Wiesenweihen ihren ersten Langstreckenflug über die Sahara gut überstehen und in den nächsten Jahren selbst brüten - vielleicht ja sogar im Landkreis Osterholz.
Hintergrund: Starke Gefährdung, strenger Schutz
Die Wiesenweihe ist eine in Niedersachsen und Deutschland stark gefährdete und streng geschützte Greifvogelart. In den letzten Jahren wurden immer wieder einzelne Wiesenweihen im Landkreis beobachtet, allerdings stets ohne einen konkreten Brutverdacht oder -nachweis. Im EU-Vogelschutzgebiet V27 „Unterweser“ wurde zuletzt 2007 eine Brut der Wiesenweihe dokumentiert. Obwohl die Wiesenweihe in Niedersachsen nur sehr lückenhaft verbreitet ist, stellt das Bundesland mit 80-120 Paaren einen wesentlichen Teil des bundesweiten
Bestandes (ca. 400-500 Paare). Auch in vielen anderen niedersächsischen Landkreisen wurden in diesem Jahr vermehrt Bruten von Wiesenweihen gemeldet. Das Land Niedersachsen stellt über die Staatliche Vogelschutzwarte in jedem Jahr Mittel für Kompensationszahlungen an die Landwirte bereit, die Nutzflächen durch die Bruten nur in Teilen oder erst verspätet bewirtschaften können. Da in diesem Jahr so viele Bruten wie seit langem nicht registriert wurden, waren die Landesmittel schnell erschöpft. Zum Glück für die Wiesenweihe auf dem Hammelwarder Sand war die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises sofort bereit, entsprechende Gelder als Anerkennung der Umsetzung freiwilliger Schutzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.
Für Rückfragen oder weitere Informationen steht Ihnen Jonas Linke (linke@biologische-station-osterholz.de, 04791/9656995, 0151/59894459) gerne zur Verfügung.


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