Patrick Viol

Dossier: Gemeinsame Agrarpolitik

Gespräch mit Dörte Gedat, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Osterholzer Kreistag und Inititiatorin des Volksbegehren Artenvielfalt.Jetzt!

Mit der GAP-Reform, welche die Staaten nun in nationale Strategiepläne umsetzen müssen, sollen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der europäischen Landwirtschaft in besseren Einklang gebracht werden und die Leistungen von Landwirt:innen bei Klima-, Umwelt- und Naturschutz stärker honoriert werden. Das sei nicht wirklich gelungen kritisieren sowohl Grüne, Landwirtschafts-, Naturschutz- und Klimaschutzverbände.
 
Frau Gedat, ist die GAP ein guter Deal, auch wenn keine Ziele des Green Deal z. B. zu Biodiversität, Pestizid- und Düngereinsatz oder Naturschutz darin festgeschrieben wurden?
 
Nein, die Einigung auf die Ausgestaltung der Agrarförderung der nächsten sieben Jahre ist im Wesentlichen ein „Weiter so“. Immer noch werden 75% der Mittel pauschal an die Fläche gekoppelt – weitgehend ohne ökologische Vorgaben. Nur 25% sollen für ökologische Leistungen der Landwirtschaft eingesetzt werden. Was wir stattdessen gebraucht hätten, wäre mindestens ein klarer Einstieg in die Koppelung der gesamten Agrarförderung an ökologische Leistungen, an Tierschutzleistungen und an Sozialstandards. Die Gesellschaft erwartet von den Bäuer*innen einen nachhaltigen Umgang mit Natur und Umwelt und dafür sollte auch bezahlt werden, aber nicht einfach nur für die Fläche. Von der Flächenförderung profitieren vor allem die Großbetriebe – wer viel hat, dem wird gegeben. Welche ökologischen Leistungen von den mageren 25% konkret gefördert werden sollen, muss national entschieden werden. Und dabei kommt es auf den Ausgang der Bundestagswahl an. Bei der letzten Agrarreform 2013 hat die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) dafür gesorgt, dass die bisher gezahlte sog. Greening Prämie in Höhe von 80 Euro pro Hektar nur an minimalste ökologische Leistungen gekoppelt ist. Das ist mehr oder weniger Etikettenschwindel und mindestens das muss dieses mal anders werden.
 
Wird die europäische Landwirtschaft auf der Grundlage der GAP ihren Teil zum Erreichen der Pariser Klimaziele beitragen können?
Der Europäische Rechnungshof hat in seinem am 21.6.21 veröffentlichen Bericht darauf hingewiesen, dass in der aktuellen Agrarförderperiode seit 2014 in Sachen Klimaschutz nichts erreicht wurde. Und das obwohl in der Zeit EU-weit rund 100 Milliarden Euro Agrarfördermittel in Maßnahmen mit dem Etikett „Klimaschutz“ geflossen sind. Das wird mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen genauso sein. Sie werden in Sachen Klimaschutz nichts bewirken. Die Landwirtschaft kann nur dann einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn die Tierzahlen deutlich reduziert werden, wenn unsere Moore und unser Grünland besser geschützt werden. Zudem müssen wir auf den Ackerflächen den Humusgehalt erhöhen. Ein ökologisch bewirtschafteter Acker bindet pro Hektar im Schnitt rund 6 Tonnen mehr Kohlenstoff wie ein konventionell bewirtschafteter Acker, weil der Humusgehalt höher ist.
 
Auch an der Subventionspolitik wurde nichts geändert, die vom europäischen Rechnungshof fürs Höfesterben und dafür mitverantwortlich gemacht wird, dass die Treibhausgasemissionen seit 2010 nicht gesunken sind. Ist die GAP die europäische Zustimmung zu Höfesterben und Erderwärmung?
 
Das kann man im Grund so sagen, Ja. Und das absurde daran ist, dass diese Politik aufgrund des massiven Drucks des Bauernverbandes so gemacht wird. Gerade bei CDU und CSU, die die Agrarpolitik in Deutschland und damit auch in der EU in den letzten 16 Jahren massiv bestimmt haben, ist die Verflechtung mit dem Bauernverband und der Agrarindustrie groß. Da wird massiv Politik gegen die Mehrheit der Bäuer*innen und gegen die Umwelt gemacht. Auch und gerade hier im Landkreis Osterholz mit den besonderen Herausforderungen für eine nachhaltige Landnutzung auf den Moorböden ist das ein Schlag ins Gesicht der hier wirtschaftenden Betriebe. Dass ich auch persönlich als Klima- und Artenschützerin schwer enttäuscht bin, versteht sich wohl von selbst.
 
Denken Sie die Ökologisierung der Landwirtschaft wird voranschreiten, auch wenn Umweltmaßnamen nach wie vor freiwillig bleiben?
 
Davon bin ich überzeugt! Die Verbraucherinnen und Verbraucher akzeptieren diese Form der Lebensmittelproduktion nicht mehr. Weil die Agrarpolitik der Bundesregierungen in den letzten 16 Jahren auf diesem Feld massiv versagt hat, bestimmen längst andere das Geschehen: Vor ein paar Tagen hat Aldi verkündet, Billigfleisch aus den Regalen nehmen zu wollen. Schon vor einigen Jahren hat der Handel beschlossen, keine Eier von Hühnern mit gekürzten Schnäbeln mehr verkaufen zu wollen. Eigentlich müsste die Politik die Standards setzen und weil sich die Politik bisher verweigert, macht es der Handel. Das ist besser als nichts, aber nach der Bundestagswahl muss sich das ändern, dann muss die Politik das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen. Hier aus kommunaler Ebene setzen wir uns dafür ein, dass der Ökolandbau durch feste Abnahmen für öffentliche Kantinen regional gestärkt wird. Denn bereits ein Drittel der Erzeugnisse werden in diesem Bereich abgenommen (siehe BIO- Bitte – Aktion von Klöckner).
 
Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold wirft Julia Klöckner vor, sie hätte im Rat jeden Fortschritt zu mehr Klima-und Umweltschutz verhindert. Wie bewerten sie den Vorwurf vor dem Hintergrund, dass die GAP tatsächlich hinter nationale Positionen für die Umsetzung der Agrarpolitik in Deutschland zurückfällt?
 
Deutschland hatte in einer entscheidenden Phase der Verhandlungen im zweiten Halbjahr 2020 die Ratspräsidentschaft und Julia Klöckner den Vorsitz der EU-Agrarminister. Die Vorschläge der EU-Kommission wurden doch schon in dieser Zeit verwässert. Natürlich waren die offiziellen deutschen Pläne ambitionierter als das, was am Ende rausgekommen ist. Dafür haben die grünen Agrarminister der Bundesländer in der deutschen Agrarministerkonferenz gesorgt. Aber in Brüssel saßen die Länder-Agrarminister ja nicht mit am Tisch und da hat Frau Klöckner dann wieder ihren Stiefel durchgezogen. Bitter für fast alle Bäuer*innen, die Tiere und den Moorschutz im Landkreis.
 
Das Gespräch führte Patrick Viol
 
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