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Marco Prietz

Starke Kommunen

Landrat Marco Prietz zu 75 Jahren Grundgesetz.

Rotenburger Landrat Marco Prietz

Rotenburger Landrat Marco Prietz

Bild: Tobias Koch

Am besten am Grundgesetz gefällt mir, dass es juristisch wehrhaft angelegt ist. Mit der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG ist eine Änderung der Verfassung in ihren wesentlichen Grundzügen faktisch ausgeschlossen. Dies ist sicherlich eine Lehre aus dem Nationalsozialismus, der insbesondere mit dem Ermächtigungsgesetz im März 1933 die demokratische Staatsordnung in eine Diktatur überführte. Auch kommt mit dieser Schutzklausel das tiefe Misstrauen zum Ausdruck, das 1949 sowohl die Besatzungsmächte, als auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes, gegenüber dem deutschen Volk hegten. Nach der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges und der Verbrechen des Holocaust habe ich für diese Haltung Verständnis und bin froh, dass mit dem Grundgesetz gewissermaßen bereits damals weitsichtig dem heute viel zitierten Ausspruch „nie wieder“ Rechnung getragen wurde.

Für mich als Landrat ist eine der wichtigsten Stellen im Grundgesetz natürlich Art. 28 Abs. II als verfassungsmäßige Verankerung der kommunalen Selbstverwaltung. Demnach müssen die Gemeinden - ebenso wie die Landkreise als Gemeindeverbände - das Recht haben, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft innerhalb der geltenden Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Damit wird einerseits die hervorgehobene Rolle der Kommunen als Wiege der Demokratie bzw. als besonders bürgernahe Instanz in unserem Staatsaufbau durch das Grundgesetz gewürdigt, andererseits kommt es hier geradezu selbstverständlich zu tiefgreifenden Konflikten. Vor allem stellt sich die Frage nach einer auskömmlichen finanziellen Ausstattung der Kommunen, umso mehr, als dass nach Art. 28 Abs. 3 GG der Bund die kommunale Selbstverwaltung sicherstellen soll, obwohl es zwischen Bund und Kommunen gar keine regelhaften Finanzbeziehungen gibt.

Um die kommunale Selbstverwaltung gewährleisten und leben zu können, braucht es daher die Länder als Bindeglied, die letztlich die Verantwortung für eine ausreichende Finanzierungsgrundlage der Kommunen tragen müssen. Diese Fragen sind für uns in der Niedersächsischen Landesverfassung geregelt, wobei es um Geld regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Land kommt. Hier sehe ich Reformbedarf auf Bundes- und Landesebene. Die Schuldenbremse begrenzt das Wachstum der Verschuldung des Bundes und belegt die Länder mit einem faktischen Neuverschuldungsverbot. Eine solche Regelung gibt es für die Kommunen in Niedersachsen hingegen nicht. Hier besteht kurz gesagt nur die Verpflichtung, seinen Ergebnishaushalt - im Sinne einer Gewinn- und Verlustrechnung - dauerhaft ausgleichen zu können, Kreditaufnahmen bleiben hingegen ausdrücklich möglich. Hieraus folgt die bereits zu erkennende Tendenz, dass der Staat - also Bund und Länder - seine Aufgaben und Ausgaben zunehmend auf die kommunale Ebene abwälzt. Dies wiederum beschränkt finanzielle Spielräume vor Ort und gefährdet damit die kommunale Selbstverwaltung zur Gestaltung des eigenen Lebensumfeldes. Langfristig ein großes Risiko für unsere Demokratie. Von daher braucht es im Grunde genommen eine Reform der Schuldenbremse von Bund und Ländern unter Einbeziehung der kommunalen Ebene.

 


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