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Lena Stehr

Wer sieht den Wald trotz lauter Bäume?

Auf die Notwendigkeit gesunder Wälder macht der Tag des Waldes am 21. März aufmerksam. Um den Wald besser zu schützen, soll nun das Waldgesetz erneuert werden.

Über die Novellierung des Waldgesetzes wird heftig diskutiert.

Über die Novellierung des Waldgesetzes wird heftig diskutiert.

Bild: Guenter Albers

Mit knapp vier Milliarden Hektar bedecken Wälder rund 30 Prozent der Erdoberfläche und tragen maßgeblich zur Sauerstofferzeugung und Kohlenstoffspeicherung bei. Allein in Deutschland entlasten Wälder die Atmosphäre jährlich um über 50 Millionen Tonnen CO2. In Niedersachsen gibt es 1.204.591 Hektar Wald, das entspricht einem Anteil von 25 Prozent an der Fläche Niedersachsens. Mit einem Flächenanteil von 59 Prozent dominiert der Privatwald (706.823 ha), der Rest ist im Besitz der Niedersächsischen Landesforsten (NLF).

 

Diskussion über neues Waldgesetz

 

Weil das aktuelle Bundeswaldgesetz inzwischen fast 50 Jahre alt und vor dem Hintergrund der Waldkrise in Zeiten von Erderhitzung, Artensterben und Ressourcenknappheit nicht mehr zeitgemäß ist, hat sich die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag die Novelle des Bundeswaldgesetzes vorgenommen. Mit einer Verabschiedung im Bundestag wird im Sommer 2024 gerechnet. Über den knapp 60 Seiten langen Entwurf wird derzeit heftig diskutiert - nach Ansicht der privaten Waldeigentümer ist dieser sogar verfassungswidrig. Der beabsichtigte Paradigmenwechsel – weg von der Nutzfunktion des Waldes hin zum umfassenden Walderhalt aus Gründen der Klima- und Biodiversitätskrise – sei so massiv, dass er gegen zentrale Grundrechte verstoße, heißt es in einem Gutachten einer auf Verfassungs- und Umweltrecht spezialisierten Kanzlei, das von den Verbänden AGDW (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände) und FLF (Familienbetriebe Land und Forst) in Auftrag gegeben wurde.

Kritisiert wird insbesondere, dass die Holzproduktion im Entwurf als nachrangig betrachtet wird. Dies werde laut AGDW der Rolle von Wald und Holz als oft einzige Erlösquelle der Forstbetriebe und als Wirtschaftsfaktor mit einer Wertschöpfung von fast 60 Mrd. Euro gerade im ländlichen Raum nicht gerecht. Zudem fänden sich im Entwurf erstmalig in einem Bundeswaldgesetz Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten, die mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden.

 

Bevormundung und Überregulierung

 

„Sollte der Entwurf in Kraft treten, würde dies das Ende unserer seit über dreihundert Jahren bestehenden nachhaltigen Forstwirtschaft bedeuten, die im Einklang mit den drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales steht“, sagt Philip von Oldershausen, Präsident des Waldbesitzerverbandes Niedersachsen und weist gleichzeitig auf die Notwendigkeit hin, die Wälder vor „gefährlichen Gesetzesentwürfen und übergriffigen Verordnungen seitens der EU- und Bundesebene zu schützen“.

Ähnlich wie viele Landwirte fühlten sich auch viele Waldbesitzende von zunehmender Bevormundung, Überregulierung und Misstrauen bedroht. Deutschland habe kein Entwaldungsproblem, und auch der Naturschutz sei fest in Gesetzen und Köpfen verankert. Die Waldvögel hätten zugenommen, die Großpilze seien stabil, krautige Pflanzen seien im letzten Jahrhundert nicht ausgestorben und es gebe viel Totholz im Wald.

Die Überregulierungen würden dazu führen, dass Deutschland Holz in großem Umfang importieren müsse, das unter niedrigen bzw. fehlenden ökologischen Standards außerhalb von Deutschland erzeugt wurde, so von Oldershausen.

 

Plumper Ablenkungsangriff

 

Der Waldbesitz vermeide eine wissensgeleitete Debatte über sinnvolle neue Regelungen und blockiere die Novelle, meint dagegen der NABU Niedersachsen. Die Kritik der Waldbesitzenden an der Verfassungskonformität sei als ein plumper Ablenkungsangriff ohne Substanz zu verstehen.

Der Entwurf sei deutlich zu schwach, um die Waldpolitik fit für die immense Bedrohungslage und den Ressourcenhunger des 21. Jahrhunderts zu machen. Er enthalte zwar gute Zielbestimmungen, doch wo neue Regeln vorgeschlagen seien, würden diese durch große rechtliche Schlupflöcher oft weitgehend entwertet. Eine fortgesetzte Schädigung des Waldes etwa durch Kahlschläge und Bodenverdichtung würde nicht wirksam verhindert.

Der NABU habe deshalb zusammen mit anderen Verbänden Ende 2023 einen eigenen Entwurf für ein neues starkes Waldgesetz formuliert und werde sich im Rahmen der Verbändebeteiligung weiter intensiv einbringen. Unter anderem fordert der NABU ein dreistufiges Anforderungsniveau für die Waldbewirtschaftung mit klaren und grundgesetzkonformen forstlichen Grundpflichten für alle Waldbesitzenden, mit gehobenen Pflichten für eine besonders verantwortungsvolle Bewirtschaftung der Wälder in öffentlicher Hand, zusätzlichen Anforderungen für eine an den Schutzzielen orientierte Bewirtschaftung von Wäldern in Schutzgebieten sowie schärfere Sanktionen bei absichtlichen oder schwerwiegenden Verstößen gegen geltendes Recht.

 

Der Wald hat stark gelitten

 

Doch wie geht es dem Wald eigentlich derzeit? Knut Sierk von den Niedersächsischen Landesforsten ist zuständig für die Forstämter Harsefeld, Rotenburg, Sellhorn, Oerrel, Göhrde und Unterlüß und quasi täglich im Wald unterwegs. „Weil die Bodenwasserspeicher wieder gut gefüllt sind, starten wir zuversichtlich in die jetzt beginnende Vegetationszeit“, sagt er. Es brauche aber weiterhin kontinuierliche Niederschläge, damit sich der Wald nachhaltig revitalisieren könne.

Grundsätzlich habe der Wald in den letzten fünf Jahren stark unter der Trockenheit gelitten. Größter Verlierer des Klimawandels sei die flachwurzelnde Fichte, aber sogar die „Mutter des Waldes“ - die Buche - komme an vielen Standorten nicht mehr zurecht.

Ziel der Landesforsten sei der Waldumbau weg von Monokulturen hin zu Mischwäldern. Intensive Bodenuntersuchungen und Standorterkundungen seien nötig, um die richtige Baumart für den jeweiligen Standort zu finden. Man werde künftig wohl wieder mehr auf trockenresistente Kiefern sowie anpassungsfähige Douglasien setzen, so Sierk. Er betont zudem, dass im Rahmen der Holznutzung nur Einzelentnahmen und keine Kahlschläge stattfinden. „Wir wollen einen gesunden, stabilen und resistenten Wald für die nächsten Generationen, der sowohl Schutz- Nutz- und Erholungsfunktionen erfüllt“, sagt Knut Sierk.


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