Mareike Kerouche

Vom langsamen Abschiednehmen Theaterminiatur zum Thema Demenz

Andreas Bentrup erzählt emotional beeindruckend die Geschichte der Demenz seines Großvaters. Und das Publikum ist mittendrin.  Fotos: ls

Andreas Bentrup erzählt emotional beeindruckend die Geschichte der Demenz seines Großvaters. Und das Publikum ist mittendrin. Fotos: ls

Bremervörde. „Eine kleine Geschichte vom großen Vergessen.“ Nach einleitenden Worten durch den Leiter des Haus im Park der OsteMed Kliniken und Pflege GmbH Jörg Rosumek begrüßte der Schauspieler Andreas Bentrup jeden einzelnen der Gäste im MöbelMarkt der BBG per Handschlag.
Schon war die emotionale Ebene hergestellt, die sich dann durch sein feinfühliges Spiel vertiefte. Das Publikum war so mit eingebunden und wurde zum Teil der Geschichte. Andreas Bentrup agierte nicht nur auf der Bühne, sondern ging auch durch die Reihen der Zuschauer. Es entstand so etwas wie eine familiäre Stimmung: Einer von uns erzählte seine Geschichte.
Und darin ging es um sein Erleben, wie sich sein Großvater veränderte. Der Großvater, der damals aus dem Krieg zurückkehrte, seinen Garten liebte und immer sehr korrekt war. Ein besonderes Erlebnis war die jährliche Apfelernte. Dann saß der kleine Andreas auf dem linken Knie seines Großvaters. Gemeinsam verspeisten sie einen Apfel und der Großvater wusste an die 40 Begriffe, wie man den Rest des Apfels bezeichnete. Abends durfte er fernsehen und dann schlief es sich besonders gemütlich in der Besucherritze. „Meine Großeltern waren einfache Leute. Aber das Leben mit ihnen war super.“
Irgendwann war Andreas zu groß für die Besucherritze, wurde älter und besuchte seine Großeltern nicht mehr so oft. Bei seinen nun selteneren Besuchen stellte er fest, dass der Garten nicht mehr so akkurat gepflegt war, der Großvater saß jetzt im Sessel und löste Kreuzworträtsel. Aber die löste er perfekt. Später, so der Eindruck des Enkels, wurde der Großvater immer kleiner, zog sich zurück und es gab Lücken im Kreuzworträtsel. Als die Großmutter starb, war der Großvater hilflos, wurde zum Pflegefall.
Andreas besuchte ihn im Heim, war erschrocken. Großvater saß ganz klein in seinem Sessel, erkannte ihn nicht mehr. Um ihn andere, zum Teil desorientierte alte Menschen. Andreas Bentrup spielt, nein, er wird eine verwirrte Frau, die die Handtaschen der Zuschauer vertauscht. Das geht bei dem einen oder anderen doch direkt unter die Haut.
Der Enkel fragt: „Wie kommt man in Kontakt zu einem Menschen, der nicht einmal mehr meinen Namen weiß?“ Der Apfel wurde der Kontakt. Andreas bringt einen Apfel mit, verspeist ihn wie früher mit seinem Großvater, der diesen kurzen Augenblick wieder ganz bei sich ist.
Andreas Bentrup erzählt sehr liebevoll von diesem sehr persönlichen Erlebnis, wie er Schauspieler und auch Clown wurde, damit in Seniorenheime geht, Erinnerungen bei den alten Menschen weckt, ihnen ein kleines Stück Lebensglück gibt. „Waren Sie mal in einem Seniorenheim?“, fragt er die Zuschauer. „Da herrscht meistens Langeweile. Gehen Sie einfach mal hin. Die freuen sich.“
Andreas Bentrup setzt sich nach dem Spiel zu seinen Zuschauern, kommt mit ihnen ins Gespräch. Es entwickelt sich, ähnlich hilfreich wie bei der Selbsthilfegruppe des DRK in Bremervörde, ein Austausch von Betroffenen. Bentrup kann aufgrund seiner Erfahrungen Hinweise geben. „Demente Menschen verfolgen eine Strategie. Auch wenn sie noch so schräg ist.“ Damit geht er auf Verhaltensweisen und Entwicklungen ein, die für Angehörige schwer nachvollziehbar sind. „Man muss versuchen, ein Grundverständnis für den Grund ihres Verhaltens zu entwickeln.“
Dass dies nicht einfach ist, weiß auch er. Oft helfen Musik und Gesang. Der eine oder andere Hinweis von ihm kann helfen, Verständnis zu entwickeln. „Auch Kleinkinder zwischen null und drei Jahren sind dement. Sie sind zeitlich und räumlich desorientiert.“ Bei Kindern nehme man dies positiv auf, bei älteren Menschen nicht. Für die Angehörigen, Freunde und Bekannte bedeutet das Feststellen von Demenz bei einem geliebten Menschen Trauerarbeit. „Ein Mensch geht. Das tut weh.“


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