„Staying alive“
„Ein Leben retten. 100 Pro Reanimation“ - unter diesem Motto sollen im Rahmen der „Woche der Wiederbelebung“ vom 18. bis 24. September Menschen motiviert werden, sich mit den wenigen Schritten „Prüfen - Rufen - Drücken“, die lebensrettend sein können, vertraut zu machen.
Mindestens 50.000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland einen Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb des Krankenhauses. Ihre Überlebenschance hängt an wenigen Minuten - der Rettungsdienst inklusive Notarzt trifft nach seiner Alarmierung durch die Rettungsleitstelle im Durchschnitt nach acht Minuten am Einsatzort ein, weiß auch Maike-Marlene Petersen, Notärztin sowie Fachärztin für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin am Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg.
Das Herz bliebt meist zuhause stehen
64 Prozent der Herz-Kreislauf-Stillstände treten laut Petersen zuhause auf, lediglich 18 Prozent in der Öffentlichkeit. Knapp die Hälfte aller Fälle würden von Familienangehörigen, Freunden oder anderen Personen beobachtet - und diese können direkt helfen, wenn sie wissen, was zu tun ist.
„Herzdruckmassage und Lungenbeatmung ist ganz einfach und man kann nichts verkehrt machen – außer eben nichts zu machen oder nur zögerlich statt beherzt zu handeln“, betont Petersen und appelliert an das regelmäßige Auffrischen von Erste Hilfe-Kenntnissen in entsprechenden Kursen, die regelmäßig unter anderem von DRK, DLRG oder Johannitern angeboten werden.
So leiste ich Erste Hilfe
Nach der Überprüfung der betroffenen Person (keine Reaktion? Keine oder keine normale Atmung) sollte der Rettungsdienst (112) alarmiert werden. Dann gilt: Fest und schnell in der Mitte des Brustkorbs mind. 100 Mal pro Minute drücken und nicht aufhören, bis Hilfe eintrifft. In Erste-Hilfe-Kursen wird beim Üben der Herzdruckmassage gern darauf hingewiesen, im Takt zu „Staying alive“ (Bee Gees) oder „Atemlos durch die Nacht“ (Helene Fischer) zu drücken.
Dass Erste Hilfe wirklich Leben rettet, erfährt Petersen immer wieder und berichtet in diesem Zusammenhang von einem von ihr an der Schule ihrer Kinder durchgeführten Erste-Hilfe-Kurs für Schulabgänger:innen. Keine 14 Tage später habe sie die Rückmeldung einer Schülerin erhalten, die ihrer Großmutter das Leben habe retten können. Diese war vor den Augen ihrer Enkelin zusammengebrochen – plötzlicher Herzstillstand. Die Schülerin wusste was zu tun ist.
„Erste Hilfe und Wiederbelebung muss schon in der Schule zum Thema gemacht werden“, sagt deshalb auch DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt. Sie fordert - genau wie die Johanniter - dass das Thema Wiederbelebung als Pflichtstoff in die Lehrpläne aufgenommen und in zwei Unterrichtsstunden pro Schuljahr ab der siebten Klasse an Schüler:innen vermittelt wird. Laut tagesschau.de reagierte das Niedersächsische Kultusministerium allerdings zurückhaltend auf den Vorstoß und verwies auf das sehr gut ausgebaute System von Erste-Hilfe-Kursen in den Schulen. So gebe es den Schulsanitätsdienst mit Unterstützung von außen, wie beispielsweise den Johannitern und dem Deutschen Roten Kreuz.
Schüler:innen als Erste-Hilfe-Profis
Ein Erste-Hilfe-Konzept ist in Form einer dreijährigen Fortbildung der Lehrkräfte und anderer Personen, die an einer Schule beschäftigt sind, an allen Schulen gesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus gibt es an vielen Schulen - auch in den Landkreisen Osterholz und Rotenburg einen Schulsanitätsdienst. So auch an der Oste-Hamme-Schule in Gnarrenburg, und das schon seit knapp 18 Jahren. Sören Siegel, Jahrgangsleiter der Klassen 5 bis 7, betreut die Schüler:innen, die als Ersthelfer:innen an der Schule im Einsatz sind und sich um Mitschüler:innen kümmern, wenn diese zum Beispiel Kreislaufprobleme oder Verletzungen haben.
Zurzeit sind etwa 80 Schüler:innen von Jahrgang 6 bis 10 in dem Sanitätsdienst aktiv. Sie werden alle zwei Jahre in 16-stündigen Erste-Hilfe-Kursen aus- und fortgebildet. Zusätzlich veranstaltet Siegel wöchentliche Treffen, um die Jugendlichen auf den neusten Stand zu bringen.
Alle Einsätze müssen protokolliert werden, auch wenn sie harmlos scheinen. So komme pro Jahr eine Zahl im dreistelligen Bereich zusammen, sagt Siegel. Die Einsätze, bei denen zusätzlich noch der Rettungsdienst gerufen werden muss, seien glücklicherweise nur im einstelligen Bereich.
Wie wichtig die Erste-Hilfe-Kenntnisse auch außerhalb der Schule sind, macht Siegel an folgendem Beispiel deutlich. Der Vater einer ehemaligen Schülerin hatte sich zwei Finger abgesägt und die Mutter habe vor lauter Panik nicht gewusst, was zu tun sei. „Das Mädchen hat dann den Vater versorgt, die Finger vorschriftsmäßig gerettet und den Rettungsdienst gerufen“, so Siegel. Am Ende konnten die Finger sogar wieder angenäht werden.
„Mobile Retter“ im Einsatz
Besonders in den ländlichen Regionen kann es immer wieder dauern, bis der alarmierte Rettungsdienst an der Notfallstelle ist. Deshalb gibt es die so genannten Mobilen Retter. Der Landkreis Rotenburg (Wümme) zählt 509 aktive ehrenamtliche Mitglieder und für die Region um den Landkreis Osterholz, Landkreis Cuxhaven und die Stadt Bremerhaven sind es 464 ehrenamtliche Retter:innen. Durchschnittlich sind sie innerhalb von etwas mehr als drei Minuten vor Ort. Das schaffen sie deshalb, weil sie über ihre Handy per GPS geortet werden, wenn sie in unmittelbarer Nähe der Einsatzstelle sind. Sie werden dann über eine entsprechende App über den Notfall informiert. Der Vorteil ist, dass sie „durch die örtliche Nähe sehr oft schneller als der Rettungsdienst am Notfallort sein und bis zu dessen Eintreffen bereits qualifizierte lebensrettende Maßnahmen einleiten können“, erklärt Sabine Schäfer vom Landkreis Osterholz.
Als Mobile Retter können sich nur Personen mit bestimmten Qualifikationen registrieren. Die Voraussetzung ist, dass sie bereits ehrenamtlich oder beruflich in rettungsdienstliche Abläufe involviert sind. Das kann die Arbeit als Sanitäter:in, Krankenpfleger:in oder bei der Feuerwehr sein.