Lena Stehr

Stark eingeschränkte Lebensqualität

Da bis zu 15 Prozent der Coronainfizierten nach durchgestandener Infektion ein sogenanntes Post-Covid-Syndrom entwickeln, fordert die Bundesärztekammer regional

Viele Menschen leiden am Post-Covid-Syndrom

Viele Menschen leiden am Post-Covid-Syndrom

Bild: www.depositphotos.com/dragonstock

Die gute Nachricht zuerst: Bei acht bis neun von zehn Menschen mit einer SARS-CoV-2-Infektion verläuft die Erkrankung relativ milde, ein Drittel hat laut der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin gar keine Symptome. Dass es kaum noch schwere Verläufe gibt, kann auch Jürgen Heuser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie am Kreiskrankenhaus in Osterholz-Scharmbeck, bestätigen. Rund Dreiviertel der Patientinnen im Krankenhaus sei „mit Corona“ und nicht „wegen Corona“ dort, sagt der Mediziner.

Doch es gibt auch schlechte Nachrichten: Laut der Bundesärztekammer, die gerade eine Stellungnahme zum „Post-COVID-Syndrom (PCS)“ vorgestellt hat, entwickeln bis zu 15 Prozent der Coronainfizierten nach durchgestandener Infektion ein PCS und leiden damit häufig unter einer deutlich eingeschränkten Lebensqualität und Teilhabe, die bis zu einer Schul-, Ausbildungs- oder Arbeitsunfähigkeit führen könne.

„Und je öfter man Corona bekommt, desto größer ist natürlich das Risiko für ein Post-Covid-Syndrom“, sagt Heuser in Hinblick auf die wieder steigenden Infektionszahlen. Panik sei zwar nicht angebracht, dennoch empfiehlt der Mediziner, vorsichtig zu sein und zu versuchen, sich so selten wie möglich zu infizieren. Dass laut der Studie „Arbeiten 2022“ der Betriebskrankenkasse Pronova BKK aber jeder elfte Corona-Infizierte trotz Erkrankung sogar zur Arbeit geht, könnte ein Zeichen dafür sein, dass Corona für viele nur noch ein Infekt wie viele andere ist.

 

Von Kurzatmigkeit bis zu krankhafter Erschöpfung

 

Und während noch unklar ist, ob es sich bei dem Long-/Post-Covid-Syndrom um eine eigenständige Erkrankung handelt, steht fest, dass manche Menschen nach einer überstanden Corona-Infektion auch noch Wochen, Monate oder gar Jahre später unter Symptomen wie Kurzatmigkeit, Kopf-, Brust- und Gelenkschmerzen, Husten, Haarausfall, Konzentrationsstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Kreislaufproblemen, Riech- und Geschmacksstörungen, Depressionen, Belastungsintoleranz, Aktivitätseinschränkungen und in seltenen Fällen auch an krankhafter Erschöpfung (Fatigue) leiden.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin seien Frauen häufiger betroffen als Männer. Jugendliche erkranken seltener als Erwachsene und Kinder noch seltener am PCS. Nach einer kürzlich veröffentlichten Statistik seien Asthmatiker:innen, an Bluthochdruck Erkrankte, Diabetiker:innen und Übergewichtige etwas häufiger betroffen. Die meisten am PCS Erkrankten sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Die Schwere des Verlaufs sage nichts über die Wahrscheinlichkeit aus, ein PCS zu entwickeln. Es kann also jede/n treffen.

Erfreulicherweise würden sich aber die allermeisten PCS-Beschwerden von alleine wieder bessern und es sei ausreichend, wenn diese aufmerksam hausärztlich beobachtet würden. Und auch wenn nicht gesichert sei, dass eine Impfung gegen die PCS-Beschwerden helfe bzw. diese bessere, so schütze die Impfung doch gegen eine erneute Infektion.

 

Forschung und Kapazitäten ausbauen

 

Die Bundesärztekammer weist zudem darauf hin, dass es bisher keine ursächlichen Therapien für am PCS Erkrankte gebe. Die Forschung müsse daher nicht nur fortgeführt, sondern weiter ausgebaut werden. Für BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt ist die Identifizierung zielgerichteter Therapieansätze wichtig. So gebe es unter anderem Hinweise, dass aktive Rehabilitationsmaßnahmen die Folgen des PCS verringern könnten. Hier müssten die medizinische Versorgungsebene und die Forschung eng zusammenarbeiten. Angesichts der hohen Zahl von PCS-Patientinnen und der Vielfältigkeit des Krankheitsbildes sollten zudem differenzierte, regional vernetzte Behandlungskapazitäten aufgebaut werden, fordert die Bundesärztekammer.

 

Hilfe vor Ort

 

Hilfe finden Betroffene auch jetzt schon in unserer Region. So gibt es eine offene Selbsthilfegruppe, die sich einmal monatlich in Osterholz-Scharmbeck trifft. Nähere Informationen gibt die Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle für Selbsthilfe des Paritätischen Osterholz unter der Telefonnummer 04791/9829001 oder per Mail an Dagmar.Terbeck-Paul@paritaetischer.de.

In Bremervörde bietet der TSV speziellen Reha-Sport für den Bereich Neurologie an, der sich mit Gedächtnis-, Gleichgewichts und Lungenübungen gezielt auch an PCS-Betroffene richtet. Info: Telefonnummer 04761/9248320 sowie per Mail an bremervoerde@acticfitness.de.

 

Wir haben mit zwei Menschen gesprochen, die am Post-Covid-Syndrom erkrankt sind. Woran sie noch lange nach ihrer ersten Corona-Infektion leiden und was sie fordern, lesen Sie hier.


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