Renaturierung light
Dass die Renaturierung landwirtschaftlicher Flächen und die Wiedervernässung von Mooren aus dem Gesetzentwurf des EU-Naturwiederherstellungsgesetz gestrichen wurden, freut Bauernverbände und die CDU. Kritik kommt vom NABU und den Grünen.
Laut Europäischer Umweltagentur befinden sich mehr als 80 Prozent der geschützten natürlichen Lebensräume in Europa in einem schlechten Zustand. Darauf reagiert die EU nun mit dem vom EU-Parlament am 12. Juli knapp verabschiedeten Gesetz zu Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law), das alle EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, zerstörte Natur wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Das Gesetz ist ein Kernelement des European Green Deal, einer Initiative der EU zur Förderung von Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
Im nächsten Schritt wird voraussichtlich nach der Sommerpause im sogenannten Trilogverfahren zwischen Parlament, Rat und Kommission über die endgültige Ausgestaltung des Gesetzes verhandelt. Ziel ist, dass auf die gesamte EU bezogen 20 Prozent der Land- und Meerflächen so restauriert werden, dass sie ihre natürlichen ökologischen Funktionen wieder erfüllen können, statt rein auf Bewirtschaftung ausgerichtet zu sein.
Doch während das Gesetz den einen nicht weit genug geht, fürchten die anderen weiterhin Einschränkungen und Nachteile insbesondere für die Landwirtschaft. Auch in der Elbe-Weser-Region sind die Meinungen zum Naturwiederherstellungsgesetz unterschiedlich.
Kritik vom NABU
So wertet der Naturschutzbund (NABU) Elbe-Weser das Abstimmungsergebnis zwar als „wichtigen Erfolg einer beispiellosen öffentlichen Mobilisierung von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft“, meint aber gleichzeitig, dass dieser Erfolg teuer erkauft worden sei. Kritisiert wird vom NABU vor allem, dass die Renaturierung landwirtschaftlicher Flächen und die Wiedervernässung von Mooren komplett aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde.
Eine umfassende Renaturierung der Moore sei aber nicht nur für den Klimaschutz unerlässlich, sondern sichere auch den Fortbestand unzähliger Pflanzen- und Tierarten. Zudem seien die Auen wichtige Kohlenstoffsenken und unverzichtbare Lebensräume und dienten auch als natürlicher Hochwasserschutz bei extremen Wetterereignissen. Es bestehe ein enormes Potenzial, diese Flächen im Elbe-Weser-Raum wieder zu vernässen und damit wertvolle Lebensräume wiederherzustellen.
Laura Vetter, Referentin für Umwelt, Klima, Energie- und Atompolitik und Naturschutz von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag Niedersachsen, zeigt sich ebenfalls enttäuscht. Der konsequente Moorschutz und die notwendige Renaturierung müsse nun in nationalen Gesetzen weiter mit den Akteuren vor Ort vorangetrieben werden. Gleichwohl sei das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur eine große Chance. „Es freut uns Grüne ausdrücklich, wenn die EU künftig gesetzlich vorschreibt, dass bedrohte Ökosysteme und Lebensräume wieder in einen guten ökologischen Zustand gebracht werden müssen – gerade auch in landwirtschaftlich so stark geprägten Gebieten wie der Weser-Ems-Region“, sagt Laura Vetter.
Kluge Anreizsysteme statt Verbotspolitik
Der CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Marco Mohrmann bewertet es dagegen als positiv, dass die EVP-Fraktion bereits in den Verhandlungen die Streichung von „vorgesehenen massiven Beschränkungen für die Landwirtschaft“ erreicht hatte. Zudem müssten nun beispielsweise die Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion, die Verfügbarkeit von Lebensmitteln oder auch die Preisentwicklung erfasst werden. Eine Produktionsverlagerung in Drittländer zu schlechteren Standards lehne die CDU strikt ab. „Es macht keinen Sinn, Gunststandorte wie beispielsweise hier im Elbe-Weser-Dreieck zu beschränken, um dann den Import aus Drittländern mit niedrigeren Standards zu erhöhen“, so Mohrmann. Er spricht sich zudem gegen Verbotspolitik und für kluge Anreizsysteme aus, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen.
Der Landvolk Kreisverband Bremervörde-Zeven e.V. begrüßt, dass die Bauernverbände bei der Erarbeitung des Naturwiederherstellungsgesetzes miteinbezogen wurden. Es dürfe keine Verbote und weitere Einschränkungen für Landwirte geben. „Mehr Artenschutz und Biodiversität ist nur in Kooperation mit unserem Berufsstand möglich. Unsere Landwirte sind gerne bereit, ihren Teil dazu beizutragen. Dafür muss es aber Ausgleichszahlungen geben und keine Bestrafungen“, sagt Landvolk-Sprecherin Mareike Kerouche. Schon jetzt würden viele Landvolk-Mitglieder mit Blühstreifen und Blühfeldern, aber auch mit Grünflächen, einen wichtigen Beitrag für Wildtiere und Insekten leisten.
Dass die Renaturierung von Mooren, die trockengelegt wurden, aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde, bewertet der Landvolk-Kreisverband positiv. „In unserem Kreisgebiet haben wir viele Moorbauern, die unsicher in die Zukunft blicken. Die Bundesregierung spricht immer wieder von der Wiedervernässung der Moore, doch bis heute, weiß keiner, wie diese Wiedervernässung aussehen soll. Dadurch haben unsere Moorbauern keine Planungssicherheit“, so Mareike Kerouche.
Belastung für die Landwirtschaft bleibt
Der Landvolk Kreisverband Osterholz e.V. bewertet das Naturwiederherstellungsgesetz ambivalent. „Das Ziel des effektiven Naturschutzes in Zusammenarbeit mit Landwirten und Landnutzern wurde verfehlt“, sagt Stephan Warnken, Kreislandwirt und Vorsitzender des Landvolk Kreisverbands. Dennoch sei es Landvolk und Deutschem Bauernverband gelungen, den Parlamentarierinnen die Bedeutung der Nahrungsmittelerzeugung und Ernährungssicherung für die Bevölkerung ins Bewusstsein zu rufen. Positiv zu bewerten sei unter anderem die Streichung der Stilllegungsverpflichtung über Landschaftselemente und die Wiederherstellung landwirtschaftlicher Ökosysteme. „Dennoch bleibt der Vorschlag mit seiner Ausrichtung auf Eingriffe und Beschränkungen der Erzeugung eine Belastung für die Landwirtschaft – und somit auch für unsere Bauern im Landkreis Osterholz“, sagt Warnken.