

Selsingen. Große Freude herrschte Ende vergangenen Jahres, als bekannt wurde, dass der Kernbereich Selsingen-Mitte ins Städtebauförderprogramm aufgenommen wurde. Damit stehen der Gemeinde in den nächsten zehn Jahren rund 5,2 Millionen Euro zur Verfügung, um den Selsinger Ortskern fit und attraktiv für die Zukunft zu machen. Um die im Fördergebiet lebenden Anwohner und Immobilienbesitzer zu informieren, was genau das für sie bedeuten kann, hatten Samtgemeindebürgermeister Gerhard Kahrs und Ortsbürgermeister Reinhard Aufdemkamp zu einem Informationsabend ins Rathaus geladen.
Über 50 Selsingerinnen und Selsinger folgten der Einladung und wurden von ihrem Bürgermeister mit der Feststellung begrüßt, dass man unter dem Ortskern auch zukünftig nicht nur die Ortsdurchfahrt verstehen könne. „Uns als Gemeinde ist es wichtig, Sie von Anfang an mit einzubeziehen.“
Matthias Gunnemann, Prokurist des Sanierungsträgers BauBecon, gab zu Beginn der Veranstaltung einen umfassenden Überblick über den zeitlichen Ablauf der Städtebauförderung. „Das große Ziel ist die Aufwertung des Wohn- und Geschäftsangebotes in der Mitte Selsingens. Das Programm gibt Anreize, Sie müssen es umsetzen.“
Er wies darauf hin, dass es bei Maßnahmen an ortsbildprägenden Gebäuden einen maximalen Zuschuss von 40.000, bei Gebäuden mit Fehl- oder Mindernutzung bis zu 30.000 Euro geben könne. Hierfür seien individuelle Beratungen möglich.
Gunnemann skizzierte die Ziele und Vorteile des Programms und ging auch darauf ein, dass alle Immobilienbesitzer im betroffenen Bereich „Kerngebiet Selsingen-Mitte“ einen Sanierungsvermerk ins Grundbuch bekommen, der nach seinen Worten „ein rein informativer Eintrag ohne rechtliche Folgen und Kosten“ sei. Hier gab es bei einem Zuhörer bereits erste Bedenken, der den Wert seiner Immobilie dadurch gemindert sah.
Matthias Gunnemann verschwieg aber auch nicht, dass zum Ende des Förderprogramms auf alle Immobilienbesitzer im geförderten Bereich eine Ausgleichszahlung zukomme, deren exakte Höhe aber noch nicht bestimmbar sei. Hierbei werde durch einen Gutachterausschuss die Wertsteigerung des Bodenwertes berechnet, aus der sich dann die zu leistende Ausgleichszahlung ergebe.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde den anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörern klar, dass ihnen die Städtebauförderung nicht geschenkt wird und unterm Strich in dem Kerngebiet Selsingen-Mitte in spätestens acht oder neun Jahren jeder Immobilienbesitzer zur Kasse gebeten wird.
Der Unmut schlug sich Bahn und gipfelte zeitweise sogar in reiner Polemik, in dem einer der Anwesenden Matthias Gunnemann Bereicherung seiner Firma an dem Sanierungsvorhaben vorwarf.
Auf die Frage eines aufgebrachten Bürgers, warum man nicht vor dem Antrag der Gemeinde auf Aufnahme ins Städtebauförderprogramm gefragt worden sei, reagierte Bauamtsleiter Jan Postels souverän ruhig, indem er auf die Beratungen dazu in den entsprechenden Ausschüssen verwies und die Möglichkeit, sich als Bürger dort in den öffentlichen Sitzungen einzubringen.
Bürgermeister Reinhard Aufdemkamp brachte mit einer entschiedenen Aussage die teilweise polemische Diskussion wieder auf eine sachliche Schiene: „Es geht hier um ganz Selsingen, nicht um Einzelpersonen. Wenn wir nichts gegen Leerstände und das Sterben des Handels tun, haben wir irgendwann keine Einkaufsmöglichkeiten oder Ärzte mehr und dann stirbt der Ort ganz aus. Jeder hat seinen Beitrag zu leisten“ Er appellierte, an dem Förderprogramm mitzuarbeiten, damit die Gemeinde eine lebenswerte und prosperierende Zukunft habe.
Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, wurde Matthias Gunnemann um Erfahrungswerte zu Ausgleichszahlungen in anderen Ortschaften gebeten. Die lägen nach seinen Worten in vergleichbaren Kommunen irgendwo zwischen zwei bis zu zehn Euro pro Quadratmeter in den besten Einkaufslagen. In vielen Bereichen lägen sie aber auch bei Null.
Ein anwesender Vertreter des Heimatvereins verwies auf das Heimathaus in dem von dem Sanierungsprogramm betroffenen Gebiet: „Wenn wir als kleiner Verein diese Kosten mittragen sollen, sind wir die ersten, die aus dem Gebiet wieder raus sind.“ Nach seinem Dafürhalten sei das Heimathaus durch die strengen Denkmalschutzauflagen kaum Profiteur des Programms, wohl aber von anschließenden Ausgleichszahlungen betroffen.
„Es ist Aufgabe der Gemeinde, diese Ängste zu nehmen“, so Reinhard Aufdemkamp abschließend. In Zweifels- und Härtefällen werde die Gemeinde keinen Betroffenen mit dem Problem allein lassen.