Für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung im Vörder Feld
Hintergrund der Idee sind die vielen Diskussionen um die Ausweisung des Baugebiets „Vörder Feld 2“, sagt Tabery. Der Tenor seines Workshops könnte darauf hinauslaufen, individuelle Baufreiheiten einzuschränken, und über eine platzsparende, intelligente Bauweise verschiedener Modelle zu diskutieren, die unter anderem Kosten für die Unterhaltung baulicher Einrichtungen (Straßenbau, Kanalisation, Ver- und Entsorgung) minimieren könnten.
Denn bei Nutzung bereits vorhandener Strukturen, wie z.B. bei der Innenverdichtung innerhalb des Stadtgebietes wären derartige Kosten vergleichsweise gering. Je größer jedoch eine Neubaufläche inklusive Erschließung werde, desto höher entwickele sich der Kostenanteil auch für die Allgemeinheit.
„Flächenfresser“ sind schlecht fürs Klima
Das Bauen sei im Hinblick auf den Klimaschutz generell ein wichtiger Faktor, da die Versiegelung von Flächen durch Baumaßnahmen beispielsweise zum schnelleren Abfluss von Oberflächenwasser bzw. zur Erwärmung der Erdoberfläche beitrage, so Tabery. Er sei besorgt, dass bei lediglich eingeschossigen Bauten bzw. Siedlungsmodellen mit frei stehenden Einfamilienhäusern auf vergleichsweise großen Grundstücken die hierbei flächenaufwendigen Erschließungsmaßnahmen zu besonderen „Flächenfressern“ mutieren.
Denn eine „zerstreute“ Bauweise für Einzelne würde zwangsläufig einen erhöhten Erschließungsaufwand nach sich ziehen. Die anfallenden Folgekosten müssten aber von der gesamten Kommune getragen werden. Folglich empfiehlt der ortsansässige Architekt flächensparendes Bauen.
Darüber hinaus habe das Bundesverfassungsgericht gerade den Klimaschutzforderungen der „Fridays for Future Bewegung Recht gegeben, aber bereits 1967 mit folgender Forderung Stellung bezogen: „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelnen zu überlassen. .... (es sind) die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen.“
Zusammen- statt auseinanderrücken
Durch das Zusammenrücken von Gebäuden und durch Minimierung der Außenwandanteile würden für die Erstellung als auch für die energetische Versorgung der Bauwerke erheblich Material und Energie eingespart werden, sagt Tabery. Im Ergebnis bedeute das eine Schonung von Ressourcen, um nachfolgende Generationen nicht in ihrer Lebensgrundlage zu beschneiden. Dieser Grundsatz sei, so Tabery, leider in den letzten Jahrzehnten gegenüber einem verstärkten individuellen Anspruchsdenken beim Bauen in den Hintergrund getreten.
Auf Probleme hinweisen und Lösungen finden
Bei der Entwicklung von Baugebieten sollte stets auf eventuell auftretende Probleme öffentlich hingewiesen werden, um in der Bevölkerung zunächst ein Grundverständnis zu erreichen und anschließend adäquate Lösungen zu finden, mit denen möglichst viele Beteiligte leben können, sagt Tabery. Für eine Flächenbebauung sei ein Nordhang, wie im Fall vom „Vörder Feld 2“ vorhanden, leider grundsätzlich von Nachteil, da tiefer gelegene Grundstücke durch höher liegende Gebäude stärker als bei ebenem Gelände verschattet werden können - was z.B. bei der Nutzung von besonders klimafreundlicher passiver Solarenergie von Nachteil sei. Größere Gebäudeabstände oder Höhenbeschränkungen der höher gelegenen Gebäude könnten das Manko zwar etwas mindern, führten aber wieder zu größerem Flächenverbrauch. Ein Südhang wäre ideal. In jedem Falle sollten derartige Aspekte vorab geklärt werden, um spätere Nachteile für einzelne Grundstücke zu vermeiden.
Nicht zur Bebauung empfohlen
Ob die vorhandene Infrastruktur in puncto Erschließung, Schulwege oder Ableitung von Oberflächenwasser für die geplante Einwohnerzahl im „Vörder Feld 2“ ausreiche, könnte anhand der ihr vorliegenden Informationen lediglich die Stadtverwaltung klären. Allerdings liege für das „Vörder Feld 2“ ein Gutachten eines Bremer Planungsbüros vor, dass im Vergleich mit alternativen Bauflächen in Bremervörde das besagte Gebiet nicht zur Bebauung empfiehlt, so Tabery. Begründet werde diese Empfehlung unter anderem mit der verkehrstechnisch entfernten Lage zum Zentrum sowie einem aus einer großflächigeren Bebauung entstehenden größeren Verkehrsaufkommen.
Wenn tatsächlich, wie von der Stadtverwaltung definiert, zentrumsnah keine Flächen realisierbar seien, helfe diesbezüglich keine öffentliche Diskussion weiter. Dann bliebe lediglich die Möglichkeit, die zur Verfügung stehende Fläche so intelligent wie möglich im Sinne einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung zu nutzen. Dafür müsse man allerdings wissen, welche der sich im „Vörder Feld 2“ teilweise widersprechenden Anforderungsprofile für nachhaltiges Bauen in die Planung einfließen sollten. Voraussetzung dafür sei ein vorab entwickelter Maßnahmenkatalog, der durch die Stadt Bremervörde unter Beteiligung der Fachausschüsse erarbeitet werden müsse.
Verkehrsströme und Baukosten
Es sei leicht nachvollziehbar, so Tabery, dass bei sich immer weiter ins Umland hineinfressenden Wohnsiedlungen und fehlenden Pendants in der Innenstadt entweder die Verkehrsströme zum Zentrum zunehmen, bzw. sich an den Ortsrändern „Satellitensiedlungen“ entwickeln, die dann irgendwann eigene Versorgungseinrichtungen benötigen, und damit den Stadtkern weiter schwächen.
Das „Donutloch“ in der Mitte würde wachsen. Erste Effekte dieser Art gebe es bereits durch die peripher angelagerten Einkaufsmärkte, die, lägen sie im Stadtkern, die Besucherfrequenz dort erhöhen und das Einkaufen in der Innenstadt attraktiver machen würden.
Die Frage, ob man mit Bauvorgaben nicht für eine Verteuerung der Bauten sorge, sodass sich nur „Doppelverdiener“ eigenen Wohnraum leisten könnten, verneint der Bremervörder Architekt. Tabery. Genau das Gegenteil könne hierdurch erreicht werden. Wenn über flächen- und kostensparende Wohnmodelle nachgedacht und somit diesen Modellen im Rahmen des Bebauungsplanes eine Realisierungsmöglichkeit gegeben wird, dann können mehr Menschen davon profitieren als bei Standardlösungen üblicher Bebauungsplanung. Dieser soziale Gesichtspunkt bedarf jedoch ebenfalls einer ausführlichen Diskussion zur Maßnahmenerarbeitung vor der Auftragsvergabe an ein Planungsbüro.
Platzsparendes Bauen
Das Argument „Land gibt es doch hier genug“ lässt der erfahrene Bauexperte Tabery nicht gelten: „Die Bundesregierung hat bereits vor Jahren das Ziel ausgegeben, sparsam mit Flächenausweisungen zum Bauen umzugehen. Leider ist dieser dringende Appell vielerorts noch nicht angekommen.“
Ein Einfamilienhausgebiet nach herkömmlicher Methode sei keine nachhaltige Siedlungsentwicklung. Im Rahmen einer gesellschaftlich akzeptablen Gesamtlösung gäbe es genügend Möglichkeiten mit einem Mix von unterschiedlichen Wohnformen (wie z.B. Gartenhofhäusern oder, Wohnhausgruppen mit Gemeinschaftshöfen), um eine Entwicklung für das „Vörder Feld 2“ positiv zu gestalten.
Man müsse sich nur einmal damit beschäftigen. Darüber seien sich selbst die unterschiedlichen Parteien in Bremervörde einig. Was wäre da passender als ein parteiübergreifender Workshop?
Parteiübergreifender Workshop
Da am Donnerstag, 24. Juni, die nächste Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung stattfindet, sollte der anvisierte Workshop noch an einem der vorhergehenden Wochenende stattfinden. Interessierte können sich per Mail an lothartabery@outlook.de melden.