Lena Stehr und Amelie Nobel

Aus Landrat wird Landrätin

Rotenburgs Landrat Marco Prietz wird künftig in einer Dienstanweisung als „Landrätin“ bezeichnet und rückt so das umstrittene Thema Gendern in den Fokus.

Landkreis geht unkonventionelle Wege.

Landkreis geht unkonventionelle Wege.

Bild: Prietz

Landrat Marco Prietz (CDU) macht dieser Tage mit einem ungewöhnlichen Schritt von sich reden. Die Entscheidung, in einer Neufassung der allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung beim Landkreis Rotenburg (Wümme), das sogenannte generische Femininum zu verwenden, hat auf Instagram einen Shitstorm ausgelöst.

 

Landrat wird zu Landrätin

Am Wochenanfang hatte Prietz auf seinem Instagram-Account verkündet, dass in der entsprechenden Dienstanweisung nun durchgängig nur ein einziges Geschlecht verwendet werde - und zwar das weibliche, da die Mehrzahl der Mitarbeitenden beim Landkreis weiblich sei. Dies führe auch dazu, dass in dem Dokument allgemein von der „Landrätin“ und eben nicht dem „Landrat“ die Rede sei.

Zur Erklärung wird am Anfang der Anweisung darauf hingewiesen, dass die Verwendung des generischen Femininums aus Gründen der besseren Lesbarkeit geschehe und dass entsprechende Begriffe im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter gelten. Man habe sich bewusst gegen das Gendern mit Doppelpunkten, Sternchen oder ähnlichem entscheiden und wollte auch nicht stets beide Geschlechter benennen. Zumindest damit liegt Prietz auf Linie der CDUler, die - wie zum Beispiel in Thüringen - das Gendern in Behörden am liebsten verbieten würden.

Die Entscheidung gegen das übliche generische Maskulinum erklärt Prietz so: „Warum müssen immer nur die Frauen mit der Erklärung zurecht kommen, dass mit männlichen Bezeichnungen auch sie umfasst sind? Wir Männer können das andersrum auch mal über uns ergehen lassen, ohne dass es uns in irgendeiner Art und Weise herabsetzen würde.“

Prietz weist ausdrücklich darauf hin, dass sich nichts an der geschlechtsspezifischen Anrede der Mitarbeitenden in der Kreisverwaltung und in amtlichen Dokumenten ändere. Auch in seinen Reden werde er weiter von „Zuhörerinnen und Zuhörern“ oder von „Damen und Herren“ sprechen.

 

Shitstorm auf Instagram von Gendergegnern

Insgesamt sei Prietz überrascht über das positive Feedback, das er - auch von CDU-Parteikollegen - für die „unkonventionelle Lösung“ in der Genderfrage bekommen habe. Die mehr als 400 Kommentare unter seinem Instagram-Post sind dagegen überwiegend negativ, teilweise auch beleidigend. Das Ganze sei „peinlich“, „lächerlich“, „Unfug“ und die „CDU soll sich nicht wundern, dass Wähler weglaufen“. Einige weisen darauf hin, dass sie jetzt statt der CDU doch lieber die AfD wählen würden. Die CDU lasse sich gegen den links-ideologischen Karren spannen und ein „langjähriges CDU-Mitglied“ schreibt, es schäme sich für Marco Prietz.

Doch Prietz weiß, dass diese Aussagen allesamt von Unterstützern der Initiative „gegendasgendern“ kommen, die auf Instagram rund 100.000 Follower hat und dazu aufgerufen hatte, den Beitrag von Marco Prietz kritisch zu kommentieren.

 

Vorstoß „zu extrem“

Und was sagen Menschen aus der Region? Die Idee von nun an die weibliche Form bei Personenbezeichnungen in der Dienstanweisung zu verwenden, finden die Freundinnen Evie und Marvi, beide 12 Jahre alt, zu extrem. Die beiden sind für das Gendern, würden aber eine neutrale Form und Schreibweise gegenüber der weiblichen Form bevorzugen. Sabine*, 49 aus Lilienthal, findet den Ansatz gut, aber die Umsetzung schwierig. Wenn männliche Namen nun mit der weiblichen Form genannt werden, findet Sabine das verwirrend. Ich würde denken, dass es ein Schreibfehler ist oder der Mann sich in diesem Fall als Frau fühlt, sagt sie. Es sei gut, um das Bewusstsein für das Thema zu wecken, aber eine genderneutrale Lösung würde auch sie vorziehen.

Die neunzehnjährige Linda findet, dass es Quatsch sei, nur die weibliche Form zu benutzen und bezeichnet das ganze als „Veralberung des Genderns“. Sie spricht sich für eine geschlechterneutrale Sprache aus.

 

Inhalt sollte im Vordergrund stehen

Maren Stabel, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bremervörde bewertet es positiv, dass Marco Prietz mit diesem „ungewöhnlichen Schritt“ auf das Thema Gendern aufmerksam gemacht habe. Insgesamt sollte der Fokus aber mehr auf dem inhaltlichen als auf dem geschlechtlichen liegen, findet Stabel. Sie bemühe sich um eine gendersensible Sprache, indem sie zum Beispiel von Streitschlichtenden spricht. Ansonsten würde sie immer beide Geschlechter ansprechen. Sprache sollte einfach zu verstehen sein. Von Doppelpunkten und Ähnlichem, um beide Geschlechter in der Sprache zu repräsentieren, hält sie daher nichts.

 

Wie machen es andere Behörden?

Die Stadtverwaltung Bremervörde legt großen Wert darauf, „dass alle Bürgerinnen und Bürger in Bremervörde sich gleichermaßen angesprochen fühlen“, sagt Sprecherin Marina Imbusch. Man habe daher begonnen, sich mit dem Thema Gendern auseinanderzusetzen. Aktuell werde das Gendern bei der Anpassung und Neugestaltung von Formularen und Projekten sorgfältig berücksichtigt. Vorrangiges Ziel dabei sei es, eine verständliche und klare Sprache zu gewährleisten, die für alle Menschen zugänglich ist und beide Geschlechter repräsentiert.Insgesamt werde dieser Prozess aber auch noch etwas Zeit in Anspruch nehmen.

Die Stadtverwaltung Osterholz-Scharmbeck richtet sich beim Thema Gendern nach den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung und achtet auf geschlechtergerechte Sprache, berichtet Lisanne Matthiesen.

Auch beim Landkreis Osterholz wird auf geschlechterumfassende Formulierungen wie „Mitarbeitende“ gesetzt, so Sven Sonström. In den Fällen, in denen dies nicht möglich sei, sollen sowohl die weibliche als auch männliche Form vollständig ausgeschrieben werden. Sonderzeichen werden nicht verwendet.

 

Das generische Femininum

Die generische Verwendung femininer Formen im deutschen Sprachraum wurde 1984 von der feministischen Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch vorgeschlagen. Es stärke das weibliche Selbstbewusstsein und das männliche Einfühlungsvermögen, wie Pusch in der „Emma“ schreibt. Zudem sei das Femininum lesbar, grammatisch richtig und enthalte ja auch sichtbar das Maskulinum: „Lehrer ist in Lehrerin deutlich enthalten. Das Femininum ist die Grundform, das Maskulinum die Schwundform“, so Pusch weiter. Dass das Maskulinum als die Grundform gilt, habe keinen sprachinhärenten Grund, es ist eine Konvention aus Zeiten, in denen Frauen zwar viel zu melden hatten, Mann ihr aber nicht zuhörte.

Name geändert


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