Ute Mahler-Leddin

A20: Fluch und Segen zugleich

Stade. Über den Ausbau der A20 diskutierten auf Einladung der IHK Stade jetzt Vertreter:innen des Umweltschutzes, Fachleute aus dem benachbarten Dänemark und Experten der Projektmanagementgesellschaft DEGES sowie der Autobahn GmbH.
Die IHK hatte zu einer Online-Diskussion über die geplante A20 eingeladen.

Die IHK hatte zu einer Online-Diskussion über die geplante A20 eingeladen.

Wie lassen sich Infrastrukturausbau und Nachhaltigkeit zusammenbringen? Das war die zentrale Frage der Diskussionsrunde, die kürzlich online stattfand.
In der Entwicklung der Unterelberegion nimmt die A20 eine zentrale Rolle ein, aber auch der Charakter der Region soll mit ihr erhalten bleiben. Wichtig sei daher, dass der Autobahn-Ausbau für die Menschen und die Region nachhaltig geschehe und ökonomische, soziale sowie ökologische Aspekte miteinander abgewogen werden.
Für den Bauabschnitt in Schleswig-Holstein berichtete Bernd Rothe von der DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) über den Stand der Dinge und die Notwendigkeit, besonders die Orte, kleinen Städte und die Bundesstraße B206, aber auch den Knotenpunkt rund um Hamburg zu entlasten und zudem auch eine schnelle Verkehrsanbindung zwischen den angrenzenden Bundesländern zu erreichen.
 
Ökologische Aspekte
 
In den Planungen seien viele ökologische Aspekte berücksichtigt und würden laufend den Bedürfnissen angepasst. Sei es der Artenschutzbeitrag, die Wasserrahmenrichtlinie als auch die ökologische Bauüberwachung. Ein nachhaltiges Umweltmanagement, das alle Punkte miteinander verbinde, sei der DEGES sehr wichtig. Dies zeige auch der Rastplatz für die Zwergschwäne in der Hörner Au und der Fledermausschutz, bei denen Flora, Fauna und Habitat ermittelt und wissenschaftlich erfasst und umgesetzt wurden.
Je nach Bedarf würden verschiedene Querungsbauwerke errichtet, entweder breite Wildbrücken oder unter der Autobahn für Otter und Fische. Zudem würden umfangreiche Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen für eine Kompensation sorgen.
Zum 120 Kilometer langen, Niedersachsen betreffenden Bereich zwischen Westerstede und Drochtersen und der Verbindung Drochtersen-Stade (A26) lieferte Maren Quast von der Autobahn GmbH einige Fakten. Es sei wenig Waldbereich betroffen, sondern vorrangig tragfähiger Marschboden - aber ein geringer Anteil würde auch Torfboden betreffen. Hier solle kein Abtrag erfolgen, sondern mittels einer baugrundverbessernden Maßnahme überbaut werden. Für die Lärmschutzwände würden nachwachsende und/oder recycelte Rohstoffe geplant.
 
Behörden behindern sich gegenseitig
 
Stig Romer Winther vom Dänischen Development konnte aufgrund seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Deutschland betreffenden Bauprojekten einen Vergleich zwischen seinem Land und der Bundesrepublik ziehen. Während in Dänemark eine gute Infrastruktur für Wachstum und Wohlstand der Gesellschaft stehe, würden sich deutsche Behörden in ihrer Arbeitsweise gerne gegenseitig behindern, so Winther. Großprojekte würden in Dänemark geplant und innerhalb weniger Jahre auch umgesetzt – hier zeige es sich als Vorteil, wenn in den ersten Planungen gleich alle wichtigen Gremien, inklusive des Umweltschutzes, mit einbezogen würden. Dieses „an einem Strang ziehen“ vermisse er in Deutschland.
Der Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, Dr. Bernd Buchholz, machte deutlich, wie wichtig es sei, das Nadelöhr Hamburg zu entschärfen und eine wirtschaftliche Ansiedlung im ganzen Norden zu vereinfachen.
In der abschließenden Digitalen Runde tauschten sich zu den o.g. Sprecher:innen noch ein Pressesprecher eines namhaften Unternehmens, ein Landwirt, ein Windparkbetreiber und ein Mitglied des NABU Schleswig-Holsteins über den aktuellen Stand aus.
 
Lange Vorlaufzeit
 
Kritisiert wurde die lange Vorlaufzeit für Großprojekte. Natur-, Arten- und Klimaschutz seien richtig, aber nur machbar, wenn es eine starke Wirtschaft gebe – und diese brauche dringend eine gute und funktionierende Infrastruktur. Man komme zurzeit kaum von Schleswig-Holstein in den Rest der Welt, Hamburg sei permanent „dicht“ und Alternativen gebe es nicht wirklich, wurde von den Sprechern moniert. Ein Miteinander würde in Deutschland fehlen – aktuell gebe es nur die „Dagegen und Klagen-Philosophie“. Täglich quälten sich Berufspendler:innen und Autofahrer:innen durch kleine Orte, durch die Dörfer, über überfüllte Bundes- und Kreisstraßen, was weder für die Pendler:innen und Anwohner:innen noch für die Umwelt nur ansatzweise etwas Positives habe.
Die Autobahn GmbH stellte noch die mit Solar betriebene Musteranlage und den „E-Highway“ für Lkw im Norden vor. Man versuche, nach und nach emissionsfreie Strecken einzurichten. Es bleibe aber unbestritten, dass die Autobahn der Mobilitätsträger Nummer 1 für eine funktionierende Infrastruktur in Deutschland sei.
 
Kritik an der A 20
 
Unter anderem der BUND hält die A20 allerdings nach wie vor für eins der umweltschädlichsten und teuersten Projekten im Bundesverkehrswegeplan 2030. Rund 2.000 Hektar an wertvollen Böden würden durch die Trasse in Niedersachsen und Schleswig-Holstein asphaltiert und zerstört. Weit mehr als die Hälfte der geplanten A20 führe durch Moorgebiete. Vor allem Moorböden seien jedoch für den Klimaschutz und die Bindung von CO2-Emissionen von entscheidender Bedeutung. Der Neubau widerspreche nationalen und internationalen Klimaschutzzielen und sei deshalb mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Die Initiative für einen ökologischen, nachhaltigen Personen- und Güterverkehr betont, dass Investitionen in das Schienennetz getätigt werden müssten, um den Abtransport der Güter aus den Häfen reibungslos zu gewährleisten, anstatt dafür die A 20 zu bauen. Im Elbe-Weser-Dreieck gebe es eine parallel zur Planlinie der A 20 verlaufende Eisenbahnstrecke, die schon seit langer Zeit für den Güterverkehr - auch mit EU-Mitteln - ertüchtigt wird. Die Anzahl der dort wöchentlich fahrenden Güterzüge sei aber an einer Hand abzulesen. Wie dort mehr Güterzüge fahren können, werde in einer Studie dargelegt, die dem niedersächsischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium seit 2015 vorliege. Passiert sei bisher nichts.
 
Die A20 in Niedersachsen
 
Die geplante A 20 beginnt in Niedersachsen mit der Elbquerung. Die Autobahn soll von hier aus weiter in Richtung Westen, an Bremerhaven vorbei, bis nach Westerstede verlaufen. Im Landkreis Stade wird die A 20 über das geplante Kreuz Kehdingen mit der A 26 Richtung Stade und Hamburg verbunden werden. Vom Kreuz Kehdingen aus umfährt die geplante Autobahn nordwestlich Himmelpforten, quert im weiteren Verlauf die Oste und umfährt ebenfalls nordwestlich Bremervörde. Nördlich an Beverstedt vorbei schließt die A 20 bei Loxstedt über ein Autobahndreieck an die bestehende A 27 bei Bremerhaven an und mündet schließlich bei Westerstede in die A 28.


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